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,, Meine Freundin, meine Schwester, lassen Sie mich doch Ihre Hände küssen! Wüßten Sie nur, wie es so einem Vaga­bunden zu Mut ist, der jarelang von allem getrent war, was er lieb hat, wie es so einem armen Kerl ums Herz ist, Marie, wenn er einmal wieder einem Wesen gegenüberstet, dem er nicht gleichgiltig in die lieben Augen sehen kann, ja, in diese lieben, lieben Augen, die mich an eine Zeit erinnern eine schöne Beit, wo" Er sah sich plözlich im Gemache um. Ist sie nicht da? Minna? Mir ist, als müßte sie jezt und jezt herein­treten, als müßte diese Tür sich öffnen und-" Er sprang gegen dieselbe und riß sie auf. Er blickte in Alfreds Arbeits­zimmer, es war leer. Er schüttelte den Kopf: Nein, sie ist nicht ba, es wäre auch zu schön gewesen, es hätte sich mir alles erfüllt und ich wäre dann gewiß vor Freude verrückt geworden. Aber das ist Alfreds Atelier, er ist also nicht zuhause?" ,, Er ist fortgegangen, wir haben Sie heute noch nicht erwartet, Friz."

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Er sah sie groß und verwundert an. Nicht heute erwartet, aber doch erwartet? Und jezt fällt mir's erst auf, Sie waren garnicht so sehr überrascht, als ich da wie eine Bombe herein­plazte; und doch war diese Ueberraschung von mir geplant ge­wesen; wer also hat Ihnen mein Kommen verraten?"

,, Minna hat uns davon geschrieben, wir erhielten gestern ihren Brief."

,, Die Plauderhafte!"

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,, D, uns war diese Neuigkeit schon vorher bekant geworden, wir waren von Ihrem Engagement schon vor einigen Tagen in Kentnis gesezt durch" sie lächelte schelmisch- ,, eine andre Person." Friz sah sie betroffen an, eine Frage schien sich auf seine Lippen zu drängen, aber er unterdrückte sie, und wieder ergriff er in seiner herzlich brüderlichen Weise ihre Hände.

,, Und Sie sind wol und gesund, Marie, und Sie sind gern hier und fülen Sich nicht zu vereinsamt? Sie sind ja Mutter! Aber wo ist das Kind? Meiner Treu, das Kind! Ich muß das Kind sehen, von dem mir seine Tante so oft und so viel geschrieben hat, daß ich mich schon im vorhinein als sein Onkel füle."

Marie fürte ihn an das Bettchen der Kleinen. Die Spiz­bübin!" rief die junge Mama lachend und mit einem ganz ver­flärten Ausdruck. ,, Sehen Sie nur, Friz, was sie da treibt, alle ihre Hüllen hat sie heruntergestrampelt und-ah, das Närrchen, ihr Wickelband hat sie in ihre Zehen verflochten!"

Friz sah mit frölichen Augen auf das kleine, wolgenärte Geschöpfchen herunter.

Wie hübsch und drollig so ein Kindchen ist," sagte er ,,, wie allerliebst, und jezt, da sehe man, jezt steckt sie mit der Geschicklich­feit eines Clown ihre große Behe in den Mund."

Friz und Marie lachten beide laut auf, beide augenscheinlich entzückt. ft sie nicht zu lieb?" fragte die Mutter.

Friz beugte sich herab, er ergriff das Kind und hob es, one jede Umhüllung, in die Höhe, um es zu küssen. Die Kleine jauchzte. ,, D, nicht doch," rief Marie besorgt ,,, sie ist noch so zart, Sie fönten ihr wehe fun."

,, Beware, übrigens ist das ein ganz tüchtiges, festes Mädel!" " Ja, und der Herr Onkel tut auch so ungenirt mit ihr, das schickt sich ja garnicht."

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Friz lachte noch herzlicher, und auch die Kleine schien das sehr lustig zu finden; sie hüpfte auf Frizens Arm und schien ganz und garnicht damit einverstanden, als die verschämte Mama sie nun sorglich wieder in ihre Tücher wickelte. Sie strampelte un geduldig mit den Füßchen, und Friz behauptete, sie wolle bei dem Onkel bleiben und sie hielte ihn so fest am Daumen, daß er nicht loskommen könne. Die Mama befreite hierauf den großen Onkel aus diesen kleinen Händchen, aber dieser sah noch immer wie verliebt in das frische Gesichtchen.

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Ich glaube, sie siet ihrer Tante änlich, finden Sie nicht, Marie? Sie hat dieselben Grübchen in den Wangen und im Kinn." Dann überflog es wie ein Schatten dies mänliche Gesicht. Ist es nicht traurig, daß ich und Minna noch immer getrent sind, daß vier Jare uns unserm Glücke nicht näher gebracht haben, wenn Sie wüßten, Marie, wie ich mich darnach sehne!" Das hatte so weich geklungen, aber nun warf er den Kopf wie in zürnender Ungeduld zurück, und auch im Ton sprach sich einige Herbheit aus. Aber es müßte nicht so sein, wir wären längst vereint, wenn minna nur ernstlich wollte, wenn sie mich so liebte, wie ich sie, und wenn sie nicht so unerträgliche Rücksichten für dies launenhafte Kind, ihre Schwester, zeigte.

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Friz, seien Sie nicht grausam gegen Malchen," bat Marie im beweglichsten Ton.

,, Ach was, Malchen ist grausam gegen mich, ihr ganzes Sinnen und Trachten get darauf aus, unsre Vereinigung zu hintertreiben; am liebsten möchte sie wol unser Verhältnis gänzlich gelöst sehen." Friz, sie ist sehr krank, und Minna's Liebe und ihre Sorg­falt ist ihr einziger und lezter Trost; neiden Sie ihn nicht dem armen Kinde."

Ich will ja warten," versicherte Friz, und aus seinen dunklen einen Augenblick verdüsterten Augen brach schon wieder der warme Herzensstral, gleich einem Sonnenblick aus finsterm Gewölk, und die gutmütige Selbstironie kam sogleich hinterdrein. Und tu' ich denn was andres seit vier Jaren? Ich warte geduldig und ergeben wie Jakob auf die Rahel, one daß mir indes der provi­sorische Trost einer Lea zugute kam. Meine einzige und größte Freude ist, mir meine fünftige Häuslichkeit auszumalen, und werden Sie mir's glauben, Marie, ich habe schon einiges für unsre Wirtschaft angeschafft."

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Wirklich!" rief Marie erfreut und interessirt. Und was denn?"

,, Eine Wäschemangel!" Marie lachte laut auf. man garnicht braucht."

Aber Friz, das ist ja etwas, was

Wir schon, und wär's auch nicht für die Wäsche, so doch für meine Erfindung."

,, Sie haben schon wieder eine Erfindung gemacht?"

Eine? Wenigstens ein duzend. Ich war nie so erfinderisch, als seit ich beim Teater bin; man hat bei diesem faulen, nichts­tuerischen Leben soviel Zeit zum Nachdenken; aber meine lezte Erfindung gedenke ich auszunüzen, sie soll mich zum reichen Manne machen."

,, Die mit der Wäschemangel?"

" Dieselbe. Ich werde damit auf die allereinfachste, schönste und billigste Weise Holztapeten erzeugen, indem ich die Struktur des Holzes durch einen starken Druck auf das Papier selbst übertrage, wodurch- Sie haben doch eine Wäschemangel im Haus?"

,, Leider nein, nicht eine Spur davon." ,, Aber hoffentlich doch einen Nudelwalker?" O, den schon."

,, Gut, das ist alles, was ich brauche, und in Ermanglung einer Mangel werde ich Ihnen meine Holztapetenerfindung mit dem Nudelwalker vordemonstriren."

Sie lachten beide. Die fröliche Laune des jungen Mannes, sein Humor, die natürliche, so überaus liebenswürdige und ge winnende Art, sich zu geben, wirkten woltätig und erfrischend auf das etwas verschüchterte Wesen Mariens, und sie fülte sich angeregt, zur Heiterfeit geftimt, wie lange nicht, sie taute förm­lich auf.

,, Aber Sie sind doch nicht hierhergekommen, um Holztapeten zu machen?" fragte sie neckend."

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,, Gewiß nicht, ich komme nach Venedig um Venedigs willen; wie schön es auch ist!" Er sprang nach dem geöffneten Fenster und sah hinaus. Das Herz get einem auf vor soviel Herrlich­keit. Diese Sonne, diese Lichteffekte, diese Farben, alles so tief, so leuchtend, und diese Architektur! Welcher Geist, welche leppigkeit, welcher Reichtum der Formen spricht sich darin aus, ah, es ist wunderbar!" Aus seinen Augen leuchtete das Feuer einer waren Begeisterung. Benedig zu sehen, diese Stadt des malerisch Schönen, war die Sehnsucht meiner Jugend gewesen, jezt endlich hat sie sich erfüllt!"

Marie war zu ihm getreten, und mit dem Finger wies sie auf die andre Seite des Kanals.

" Da hinüber, sehen Sie, und wenn Sie Sich dann nach rechts halten, fürt ein Kanal nach der Fenice, dahin ist wol Ihr erster Gang?"

Ich denke nicht daran; das Teater siet mich erst bei der Probe, gewiß nicht früher."

Aber Ihre Kollegen werden Sie doch besuchen, und vor allem Ihre Kollegin-" Sie machte eine Pause und sah Friz von der Seite schelmisch an. Der Primadonna Signora Bianca werden Sie doch Ihre Aufwartung machen?"

Friz wante sich nach der Sprecherin um und sah ihr voll und mit einem Ausdruck liebenswürdiger Freimütigkeit in die Augen. ,, Es ist Elvira, Ihre Schwester, ich habe es erst vor kurzem erfaren. Sie gilt als eine bedeutende Künstlerin; ich halte sie selbst dafür; aber sie hat es auch verstanden, sich rasch in Sie

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