hier wurde nicht nur dem Fortschreiten des Uebels Einhalt getan, sondern die kranken Reben konten sich nach Befreiung von ihren Lebensaussaugern auch derartig erholen und kräftigen, daß auf derselben Fläche, wo 1878, vor der Behandlung, nur im ganzen 6500 Hektoliter geerntet wurden, im Jare 1879 schon wieder 10100 Hektoliter und 1880, nach zweijärigem Verfaren 13200 Hektoliter Wein erkeltert wurden, wobei im lezten Fall nach sachverständiger Schäzung noch eine Verringerung um einige tausend Hektoliter durch Verwüstungen des Blattwicklers an den Blättern der Reben stattgehabt hatte.
Die von der Société nationale im Bordelais( Gegend von Bordeaux ) gepachteten Domänen waren von der Phyllorera bis an die äußerste Grenze der Vernichtung und Erschöpfung gebracht worden. Sie lieferten gar keinen Ertrag mehr. Nach zweijäriger wiederholter Behandlung mit dem Reblaussalz unter Zugabe von künstlichem Dünger können die Pflanzen als wieder gesundet betrachtet werden; denn sie wiesen im lezten Herbst kräftige Triebe und lebhaft grünes Aussehen, im Gegensaz zu dem dürren Gelb der Krankheitsperiode auf, und die Bewurzelung des unterirdischen Stocks mit einem Filz von Saugadern, welche von der Phyllorera zu völligem Verdorren gebracht werden, kann als ganz normal wieder hergestellt angesehen werden.
Jm Jare 1880 wurden unter andern in Behandlung genommen im Syndikat von Aigre( Charente ) größere Flächen Weinpflanzungen auf sehr ungünstigem Boden, der erfarungsmäßig der Reblaus das günstigste Operationsfeld bietet. Die geschwäch testen Stöcke nun, die zuerst im Frühjar und dann im Beginn des Sommers mit Kaliumsulfokarbonat versehen wurden und die bis in den Juli gelbe, verkümmerte und verkrümte Blätter aufwiesen one neue Schossen, wie sonst im gesunden Zustand zu treiben, zeigten nach der zweiten Gabe des Salzes zunächst zalreiche neue Harwurzeltriebe und im August erfolgte eine kräftige Verästelung des Rebstocks, so daß an Rettung auch dieser Weinanlagen nicht zu zweifeln ist.
Aenliche günstige Resultate sind aus verschiedenen anderen Gegenden zu berichten, unter andern aus dem berühmten Bordelais, das ganz besonders verwüstet ist, oder dort wo man die Hülfe des Kaliumsulfokarbonats in Anspruch genommen, heimgefucht war. Einen Begriff davon gibt der Umstand, daß der Ertrag des 52 Hektaren großen Weingutes Château des Tours, das im Jare 1874, vor Invasion der Reblaus 148 Tonnen Wein betrug, im Jare 1879, nach der Infektion, auf 30 Tonnen
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gesunken war.( Db man trozdem von dieser berühmten Marke Rotweins im Ausland weniger getrunken hat, ist zu bezweifeln, also woher mögen die felenden 118 Tonnen erflossen sein?) Im allgemeinen hat man bei dieser Verwendung des Reblaussalzes in verschiedenen Gegenden Frankreichs die Erfarung gemacht, daß die Wirkung je nach der Art des Bodens und Untergrunds an Schnelligkeit und Gründlichkeit wechselt, auch die Dosis nach diesem Umstand abgemessen werden muß, daß aber überall der Erfolg in Beschränkung der Weiterverbreitung der Krankheit und Wiederherstellung der Weinstöcke sich erwiesen hat; gründlicher im Südwesten Frankreichs als im Südosten. Es hat sich ferner gezeigt, daß die jungen Pflanzungen von 4 bis 20 Jaren im ausgedehntesten Maße von der Behandlung mit diesem Mittel Nuzen ziehen.
So ist in Frankreich der Kampf gegen das verderbliche Insekt auf einigen tausend Morgen mit Erfolg gefürt, aber im Verhältnis zu der ganzen Fläche franken Weinlandes bleibt noch viel zu tun übrig; auch hier mußte der Nuzen erst ganz klar vor aller Augen liegen, um die Anwendung des Heilmittels einer immer größern Zal von Winzern angezeigt erscheinen zu lassen.
In Deutschland und Desterreich ist die Phylloxera glücklicherweise nur viel beschränkter auf einzelnen Flächen aufgetreten und ihrer Verbreitung ist kein großer Raum gewärt worden. Versuche, welche im chemischen Laboratorium der kaiserlichen Hochschule für Bodenkultur in Wien unternommen wurden, fürten noch zur Kentnis einer andern Verbindung, welche im Boden Schwefeltolenstoff entwickelt und, one dem Weinstock zu schaden, die Phylloxera tötet, das ist das xanthogensaure Kalium. Zöller und Grete, welche dasselbe empfelen, wollen ihm mancherlei Vorzüge vor dem Kaliumsulfokarbonat zuerkant wissen, unter anderen auch den der größern Billigkeit. Mag nun auch die Wirkung dieses Salzes eine nicht minder entschiedene sein, als die des Kaliumsulfokarbonats, so scheint ein ausgedehnterer Verbrauch davon doch nicht stattgefunden zu haben. In Frankreich jedenfalls hat der Vorschlag teine Befolgung gefunden. Dumas erklärt, daß sich hier der Preis darum zu hoch stelle, weil in Frank reich der Alkohol zu teuer sei, welcher zur Herstellung der Xanthogensäure nötig ist.- Jedenfalls ist es ein schöner Sieg der Wissenschaft über die umheimlichen, myriadenweis auftretenden, kleinen Feinde, durch den auf ausgedehnten Flächen eines mit unendlicher Mühe kultivirten Landes diese Kultur gerettet und hunderttausenden Erwerb und Wolstand gewart worden ist.
Wunderliche Heilige.
Bilder aus der Kulturgeschichte des elsten Jarhunderts. Von Dr. Max Vogler.
II.
Lassen wir nun nach diesen allgemeineren Betrachtungen über die damalige Geistlichkeit das Bild des wunderlichsten unter so vielen wunderlichen Heiligen, des Bischofs Meinwerk von Paderborn, vor uns erstehen, wie es von dem abdinghofer Biographen pietätvoll und mit reizender Naivetät ausgemalt wird. Wir werden die Erscheinung des merkwürdigen Mannes erst jezt in wirklich entsprechender Beleuchtung aufzufassen wissen.
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Als Son des sächsischen Grafen Immed, des Bruders der frommen Königin Matilde, der zweiten Gemalin Heinrichs I., war Meinwerk mit dem königlichen Hause verwant und infolge dieser seiner Abstammung reich begütert. Schon früh für den geistlichen Stand bestimt, damals in den meisten Fällen der Beruf, dem sich vorneme junge Männer widmeten, wenn ein älterer Bruder vorhanden war, der in den Besiz der väterlichen Würde trat, hatte er seine Bildung zuerst in der Schule des Stifts zum heiligen Stephan in Halberstadt und später in Hildes heim erhalten, wo vielleicht der berühmte Bernvard sein Lehrer wurde. Das erste geistliche Amt bekleidete er als Domherr zu Halberstadt , bis ihn Kaiser Otto III. , durch seine edle Lebensfürung und die Anmut seiner Sitten auf ihn aufmerksam geworden, an seinen Hof rief und zu einem seiner Hofkapläne machte. Auch Otto's III. Nachfolger, Heinrich II. , diente er in gleicher Stellung und erwies sich in Staats- und Privatgeschäften bielfach nüzlich. Nachdem im Jare 1009 der Vorsteher des armen und fleinen Bistums Paderborn , zu welchem Karl der Große an den Quellen der Pader, am Nordfuße des dichtbewaldeten
( 1. Fortsezung.)
Eggegebirges, durch Errichtung einer Kirche den Grund gelegt hatte, mit Tode abgegangen war, übergab er ihm daher diesen Bischofssiz, und Meinwerk verstand denselben zu einer Bedeutung emporzuheben, die er später nur unter wenigen wiedererlangt hat.
Charakteristisch für Meinwerk und sein Verhältnis zu Kaiser Heinrich II. ist schon die Art, wie er in das neue Amt eingesezt wurde. Heinrich hatte die Kunde von dem Hintritt des bisherigen Abts von Paderborn zu Goslar , das ihm übrigens die ersten Anfänge seiner nun. rasch zunemenden Größe verdankte, erhalten und infolge dessen zur Beratung über einen Nachfolger desselben die anwesenden geistlichen und weltlichen Großen um sich versammelt. Nachdem bereits viele Männer in Vorschlag gebracht und inbezug auf ihre Würdigkeit geprüft worden waren, schlug endlich der König seinen Hofkaplan Meinwerk vor, warscheinlich weil sich derselbe durch seine hohe Geburt und seinen Reichtum gleich sehr empfal. Da sich Meinwerk auch sonst allgemeiner Beliebtheit erfreute, wurde der Vorschlag von der Versamlung mit ungeteiltem Beifall aufgenommen und der Hofkaplan gerufen. Ihm mit wolwollendem Lächeln seine Handschuh reichend, redete ihn der König nur mit den Worten an:" Da nimm!" Als der Hofkaplan überrascht fragte, was er nemen sollte, antwortete ihm Heinrich:" Das Bistum von Paderborn !" Meinwerk entgegnete indes, daß er darauf verzichte, da er aus seinen eignen Besizungen ein viel reicheres Bistum schaffen könne, worauf der König bemerkte:" Eben weil ich das recht wol weiß, wünsche ich, daß du dich des armen Bistums erbarmen und ihm mit deinem Vermögen zuhülfe kommen mögest." Durch diese Antwort zur