Anname des Amtes bestimt, empfing Meinwerk   vom Kaiser Ring und Stab. Das erste Werk des neuen Bischofs, der damals im kräftigsten Mannesalter, zwischen dem dreißigsten und vierzigsten Lebens­jare, stand, war ein völliger und mit seltener Pracht ausgefürter Neubau des paderborner Doms, den er mit solchem Eifer betrieb, daß die Einweihung desselben schon nach sieben Jaren statt finden konte. Bezeichnend für den Sinn des Bischofs ist folgende Anekdote, die sein Biograph erzält. Es erschien nämlich eines Tages, als Meinwerk   auf dem Bauplaze anwesend war, ein un­bekanter Mann, der ehrfurchtsvoll grüßte und seine Dienste anbot. Als ihn der Bischof fragte, welche Kunst er verstände, nante er sich einen Maurer und Zimmermann. Da befal ihm der praktische Bauherr, auf der Stelle einen Nagel, den die Zimmerleute zum Zusammenfügen der Balken nötig hatten, anzufertigen. Als er dies schnell und gewant vor den Augen des Bischofs vollendete, nam ihn dieser zum Mitarbeiter am Bau an, sezte ihn aber bald, als er eine vorzügliche Kentnis und Erfarung in seinem Fache bewärte, dem ganzen Werke vor. Leider starb der fremde Bau­meister bald darauf, und der Bischof ließ ihn feierlich bestatten, ihm neben der Mauer in der Krypta ein Denkmal sezen und zu seinem Haupte Hammer und Kelle legen. Kein Wunder, daß er sich durch diese ehrenvolle Anerkennung des fremden Mannes die Zuneigung und Liebe sämtlicher Arbeiter erwarb. Bei der Ein­weihung des Doms verfelte er nicht, die päpstlichen Privilegien vorzulesen und mit kräftigem Fluch alle zu bedrohen, die sich an dem Eigentum oder den Rechten der paderborner Kirche ver­greifen würden: sie sollten sagte er mit dem Teufel und seinem schrecklichen Gefolge und mit dem Verräter des Herrn, Judas  , in ewigem Feuer brennen und, in den Schlund und den Rachen der Hölle hinabgestoßen, zugleich mit den Verdamten vernichtet werden...."

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Kaum hatte Meinwerk   vom bischöflichen Stule Besiz genom­men, als er sich anschickte, seine Diözese zu bereisen, was er seitdem alljärlich, und zwar öfter verkleidet als herumziehender Handelsmann, wiederholte. Ueberall, wohin er fam, ermunterte er zu fleißigem Streben, strafte die Großen und Vornemen, die ihre Leute willkürlich bedrückten und hart behandelten, und nam sich der ärmeren Untertanen mit treuer Sorge an. Und die lezteren empfanden dies umso dankbarer, als sie damals in den Banden hoffnungsloser Knechtschaft schmachteten und den Launen ihrer Herren völlig preisgegeben waren. So konten diese ihre niederen Leute beliebig verschenken, wie man etwa ein Stück Vieh aus der Hand gibt, ihnen die härtesten Strafen zuerteilen, und selbst, wenn sie einen derselben im Zorn erschlugen, pflegte eine solche Untat nur in den seltensten Fällen gerochen zu werden. Alles, was die Aermsten besaßen und erwarben, und man konte also von einem wirklichen Besiz füglich kaum reden,- gehörte dem Herrn. Wenn nun Meinwerk seine Meier, d. h. die seinen Gütern Vorgesezten, in Verdacht hatte, daß sie, um sich selbst Vorteile zu verschaffen, die Leibeignen und Hörigen drückten und beraubten, so war es ein ebenso originelles wie treffliches Mittel, in der Gestalt eines farenden Krämers die Höfe zu be­suchen und sich über den Stand der Dinge zu unterrichten. Und es verdient diese Fürsorge umso größere Anerkennung, als selbst die verhältnismäßig am meisten Gebildeten in jener Zeit sich wenig Bedenken daraus machten, gegen die Angehörigen dieser niederen Volksklassen mit grausamem Belieben zu verfaren. So ist es bekant, daß Kaiser Heinrich II. einst mit Behagen dem Schauspiele zusah, wie ein Bär einen mit Honig bestrichenen nadten Leibeignen( Gunkler) verfolgte, und erst durch einen an wesenden Bischof bedeutet werden mußte, daß es sich zieme, diesen rohen Spaß einzustellen.

Einige Episoden mögen zeigen, wie der Bischof auf jenen Reisen seine Zwecke zu erreichen wußte. Um die ware Gesinnung der leibeignen Dienstleute gegen den Meier zu erkundigen, unter­nam er z. B. einmal auf dem Hofe Berghausen folgendes. Als er sich dem Gute näherte( er reiste diesmal zu Pferde und unter seinem wirklichen bischöflichen Namen), befal er seinen Begleitern, die Roffe auf das Getreide zu treiben, was eben im Hause ge­droschen werden sollte. Wenn die Dienstleute" meinte er Liebe und Treue für den Meier hegen, so werden sie unzweifel­haft die Rosse vom Getreide vertreiben; sind sie ihrem Borgesezten aber nicht treu und ergeben, so werden sie die Pferde des Bischofs gewären lassen und sich heimlich über den Schaden ihres Meiers freuen." Kaum hatten die Begleiter Meinwerks die Rosse auf das Getreide getrieben, so liefen die Dienstleute, scheinbar aus

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Ehrfurcht und Gehorsam gegen den Bischof, auseinander und die Rosse fraßen und zerstampften das Getreide, das sie dreschen sollten. Sofort übte der Bischof ein Pröbchen prompter Justiz, indem er den Dienstleuten wegen ihrer Nachlässigkeit die heftigsten Vorwürfe machte und sie auspeitschen ließ. Um aber gleich darauf eine heilende Salbe auf die Wunden zu legen, befal er, den armen Leuten eine reichliche Malzeit zu geben, und er hatte die Genug­tuung, bei seinem Besuche auf demselben Hofe im folgenden Jare warzunemen, daß sein Verfaren von Nuzen gewesen. Als er nämlich wieder gradenwegs über die Tenne reiten wollte, wurde ihm von den Leuten der Eingang über die leztere versagt, und er mußte durch die obere Tür des Hauses eintreten. Der Bischof war darüber so sehr erfreut, daß er, als die Dienstleute sich über allzu magere Kost beklagten, befal, denselben järlich noch zwei Schinken außer denen, die ihnen der Meier geben mußte, zukommen zu lassen.

Als ein Liebhaber wolgepflegter Gärten konte der Bischof durch nichts ärgerlicher gestimt werden, als wenn er fruchtbares Garten­land wüst und verwildert liegen sah. Das leztere war nun aber in dem Garten des Meierhofes von Nieheim   der Fall, der, dicht mit Nesseln, Haidekraut und anderem wildwuchernden Unkraut be­deckt, einen sehr öden Anblick bot. Kaum hatte Meinwerk   dies wargenommen, wärend die stolze Meiersfrau in schönen Kleidern gepuzt einherging, da befal er, der lezteren die kostbaren Gewänder vom Leibe zu reißen und das hoffärtige Weib durch die ganze Länge des Gartens über die Nesseln und das Unkraut zu ziehen, bis sie mit ihrem Körper allen den wilden Pflanzenwuchs zu Boden gedrückt. Nachdem dies geschehen, benam sich der Bischof wieder auf seine Weise, indem er die Jammernde mit Schmeichel­worten tröstete und sie mit gewonter Freigebigkeit erheiterte. Auch hier hatte er die Freude, im folgenden Jare den Garten sorg­fältig gepflegt und ihn in einer reichen Fülle nuzbarer Gewächse prangen zu sehen. Er belonte dafür die Frau mit größerem Danke und reichlicheren Geschenken als das erste mal.

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Manchmal freilich mußte sich der praktische Mann auch äffen lassen, one seine Absichten zu erreichen, begreiflich genug, wenn man sich vergegenwärtigt, daß die Art seines Auftretens nicht dauernd Geheimnis bleiben konte. So im folgenden Falle. Mein­ werk   hatte erfaren, daß die Frau des Meiers auf dem bischöflichen Hofe zu Balhorn   ebenfalls sehr puzsüchtig sei, und nam sich daher vor, sie auf die Probe zu stellen. Er verkleidete sich zu dem Zwecke wieder als reisender Handelsmann, begab sich nach jenem Hofe, grüßte die Hausfrau demütigst, wie es einem armen Krämer, der vom Publikum leben mußte, zufam, breitete seine Waren vor ihr aus und bat sie, etwas, wonach ihr Herz begehrte, zu kaufen. Das Weib war aber durch ihren Mann bereits von der Maske des Bischofs unterrichtet, und da sie sein Vorhaben leicht erriet, stellte sie sich, als ob sie über die Unverschämtheit des Krämers, womit er sie zur Hoffart verleiten wollte, höchst aufgebracht wäre, rief sogleich ihren Gatten herbei und schrie mit kreischender Stimme zornig, da sei ein Verfürer zu ihr gekommen, um sie durch Er­regung fündhafter Eitelkeit ihres ewigen Seelenheils zu berau­ben u. s. w. Beschämt und doch im Herzen froh über die Cha­rakterfestigkeit der Frau zog der hohe Herr von dannen

So leicht die leidenschaftliche Natur des Bischofs auf der einen Seite zu heftigen Ausbrüchen des Jähzorns zu bringen war, so schnell war sie in der Regel wieder besänftigt, und Meinwerk be müte sich dann immer schnellstens, durch begütigende Worte und Geschenke sein gewaltsames Verfaren wieder gut zu machen. Nir­gends zeigte sich dieser Zug seines Charakters deutlicher als in seinem Benemen gegen den zu seiner Zeit außerordentlich be­rühmten frommen Einsiedler Heimerad  .

Obschon von edler Abkunft, hatte Heimerad, ein Schwabe von Geburt, doch Heimat und Verwantschaft verlassen, um, dem zu Abenteuern drängenden Hang jener Tage folgend, in selbstgewälter Armut als Pilger die Welt zu durchziehen. So besuchte er zu erst Rom  , unternam darauf eine Wallfart nach Palästina und hatte, von da zurückgekehrt, anfangs als Einsiedler in der Nähe der Abtei Hersfeld   gelebt. Dann aber machte er sich bei einer alten Kapelle, in der Nähe von Dortmund  , die er wieder herge stellt hatte, heimisch, und von hier aus tam er im Jare 1011 auch einmal nach Paderborn  . Als Meinwerk   den langen, hageren Mann mit gelbem Gesicht und in elender, schmuziger Kleidung sah, fragte er: Woher komt denn dieser Teufel?" Nachdem der fromme Pilger demütig und ängstlich geantwortet, daß er feines­wegs der Teufel sei, fragte der Bischof weiter, ob er Priester wäre, und als er erfur, daß er an demselben Tage Messe gelesen