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habe, befal er ihm, sogleich die Bücher herbeizubringen, aus| denen er gesungen. Leider hatte sich der arme Klausner nur wertloser, nachlässig gehaltener Bücher bedienen können, und der Bischof ließ dieselben nicht allein auf der Stelle in's Feuer werfen, sondern Heimerad selbst auf Befel der Kaiserin Kunigunde , die gerade in Paderborn anwesend war und den heiligen Eifer des Bischofs teilte, tüchtig auspeitschen. Als inzwischen das Fest des heiligen Andreas herangekommen war, welches man in der diesem Heiligen gewidmeten Kirche zu Warburg festlich beging, wurde der Bischof, zu dessen geistlichem Sprengel Warburg gehörte, von dem Grafen Dodica zu Tische geladen. Zufällig hatte der War­ burger Graf auch den frommen Heimerad zur Tafel gezogen und denselben in der Vigilia des heiligen Apostels dem Bischofe ge­rade gegenüber sezen lassen. Der Bischof brauste sogleich zornig auf und fragte, was ein Mann mit solchem Takte wie der Graf mit der Gegenwart eines solchen Elenden bezwecke, schmäte den Heiligen in den beleidigendsten Ausdrücken und nante ihn sogar einen Wahnsinnigen und Apostaten. Heimerad ertrug alle Be­schimpfungen schweigend und geduldig und saß still wie eine Bild­säule. Der Graf aber antwortete, er habe nicht gewußt, daß der Bischof ein Aergernis mit ihm gehabt habe, suchte den Aufge­brachten mit sanften und ehrerbietigen Worten zu beruhigen und erbat dringend Meinwerk's Verzeihung für den unschuldigen und harmlosen Mann Gottes, den er sehr verehrte. Der Bischof in­des blieb bei seiner Meinung und wollte sich durch nichts begü­tigen lassen; endlich erklärte er aber, da dieser Heimerad von allen Menschen für heilig gehalten werde, so wolle er einmal seine Heiligkeit auf die Probe stellen. Er befal also dem frommen As­feten unter Androhung von Schlägen, des andern Tages in Ge­genwart aller Gäste des Grafen in der heiligen Messe das Halleluja zu singen. Er glaubte damit von dem stillen Einsiedler etwas zu verlangen, was einer ergözlichen Bestätigung des ge­flügelten Wortes jener Tage: den Esel zum Lautenspiel ein­laden", gleichkäme. Der Graf hörte nun freilich nicht auf, für Heimerad zu bitten, reizte aber dadurch den Bischof immer mehr, auf seinem Willen bestehen zu bleiben. Als daher nachts die Messen vorbei waren, nam jener den Mann Gottes bei Seite, tröstete und beschwor ihn, der Versuchung nicht aus dem Wege zu gehen, sondern wenigstens in Gottes Namen anzufangen und das übrige dem Herrn der Heerscharen zu überlassen. Der schüch­

Harmlose Plaudereien und Geschichten.

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( III. Ein Gewaltmarsch und seine Folgen. Mein Verhängnis,) Das war ein Aufbruch so eilig, wie er uns allen, die wir da in ungeordneter Marschkolonne ins freie Feld hinausgefürt wurden, noch nicht vorgekommen war. Was sollte das bedeuten? Wo in aller Welt ging die Reise hin?

Keiner von den Soldaten, keiner von den Unteroffizieren und Offizieren bis zum Obersten hinauf hatte die leiseste Ahnung davon. Dieser selbst, der Regimentskommandeur, unser Friedensbote von heut, war der einzige, der unsre unbändige Wißbegierde hätte befriedigen können; aber es fiel ihm nicht ein, mit einem Gesicht, unheil­verkündend, als ginge es direkt in den Tod, sprengte er in gestredtem Galopp an seinem Regimente vorüber.

Finden Sie nicht auch, Lieutenant von Berg, daß dieser Ruhe­tag den Unruhetagen vorher zum Verwechseln änlich fiet?" fragte ich einen mir von der Universität her bekanten Reserveoffizier, der ungefär nach zweistündigem Marschiren zufällig in meiner Nähe vorwärts­stampfte.

Wenn er nur nicht unruhiger wird der Ruhetag, hol' mich der Teufel!" brumte der Lieutenant mit einer Miene, wie ein Leichen

bitter.

,, Wenn's bei dem Spaziergang wenigstens etwas gemütlicher zu ginge; aber wir rennen ja, als ob wir vor allen unsern Siegen davon laufen müßten." ,, Da tomt der Regiments adjutant," rief der Lieutenant, der sich eben umgeschaut hatte, um zu sehen, wer auf galoppirendem Roffe hinter uns dreingejagt fäme. Im selben Augenblicke war der Adjutant auch schon an unsrer Seite. Als er den Lieutenant von Berg sah, mäßigte er die Gangart seines Pferdes.

,, Wo ist der Oberst?" fragte er.

" An der Spize des Regiments wird er sein. Hier haben wir ihn nicht wiedergesehen, seit er beim Ausrücken an uns vorübergejagt ist. Aber können Sie nicht verraten, was eigentlich los ist?" nicht mehr. Wir kommen in Ich habe nur Vermutungen wenigen Stunden hart an den Feind, denke ich, unser ganzes Korps ist auf den Beinen. Gott befolen, Berg!"

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Der Adjutant gab seinem Pferde die Sporen und sprengte weiter.

terne Eremit wollte aber in keinem Falle darauf eingehen und bat den Grafen vielmehr, ihn unter diesem Wolkenhimmel großer Bedrängnis" hinweg entweichen und den heiligen Frieden seiner einsamen Klause aufsuchen zu lassen. Endlich indessen gab er den Bitten seines hohen Verehrers nach und blieb. Als des an­deren Tages die Stunde der Messe herangekommen und der Bischof auf keine Weise von seinem Vorsaze abzubringen war, trat Hei­ merad denn vor den Altar, hob mutig an und sang das Halle­luja würdevoll und anmutig" zu Ende, so daß sich alle An­wesenden auf's höchste verwunderten und einstimmig versicherten, niemals eine lieblichere Modulation" vernommen zu haben. Da ergriff den ebenfalls erstaunten Bischof wieder so heftige Reue, wie wir es in anderen Fällen sahen; er machte sich bittere Vor­würfe über das, was er dem frommen Manne getan, und die schweren Kränkungen, die er ihm zugefügt, zog ihn nach der Messe an seine Seite, fiel ihm zu Füßen und bat ihn in den demütigsten Ausdrücken um Verzeihung. Er erhielt diese natürlich und wurde von dieser Zeit an des Heiligen warmer und beständiger Freund. Der leztere aber fand sich durch dieses Ereignis doch bewogen, sich noch mehr und zwar auf den schön gelegenen, weithin sicht­baren Hasungenberg im Habichtswalde zurück zu ziehen, wo er nach acht Jaren selig im Herrn entschlief.

Mit besonderem Geschick wußte Meinwerk vom Kaiser Heinrich Geschenke für sich und sein Bistum zu erlangen, und nicht allein Grafschaften, Höfe, Forsten und Felder, sondern auch andere Gegenstände, sowie Rechte und Privilegien aller Art. Wo nur immer Zeit und Art günstig waren, erinnerte er seinen königlichen Verwanten, der ihn oft, und namentlich bei Gelegenheit der hohen Kirchenfeste, in Paderborn besuchte und welchem er übrigens, wie bemerkt, in Staatsgeschäften mancherlei Dienste leistete, an sein Gelübde, die verarmten Kirchen durch Schenkungen und Ver­leihungen zu heben, und der Kaiser ließ sich fast nie umsonst bitten, wenn er auch zuweilen über das unermüdliche Drängen und Fordern des Bischofs unwillig wurde. Heinrich gab immer wie­der, weil er im Grunde nur für die Macht der Krone zu sorgen glaubte, wenn er die Macht der Kirche hob und erweiterte. Daß dies ein sehr großer Jrtum war, sollte leider schon die folgende Geschichte des elften Jarhunderts drastisch und deutlich genug zeigen.

( Schluß folgt.)

,, Das ist eine schöne Friedensbescherung," meinte der nach Helden­taten augenscheinlich garnicht lüsterne Lieutenant von Berg. Früh war die ganze französische Armee gefangen und ganz Frankreich kaput, und nachmittags sind sie schon wieder so auf dem Damme, daß ihnen ein ganzes Armeekorps nachgehezt werden muß. Haben Sie einen ver­nünftigen Schluck in der Feldflasche?" fragte er mich.

,, Nicht einen Tropfen eine ganze Sintflut prächtigsten Weins haben wir zurücklassen müssen, weil wir nicht einmal Zeit hatten, die Feldflaschen zu füllen."

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,, Ging mir grade so und die Zunge flebt mir am Gaumen unerträglich heiß."

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,, Unsereiner ist vorsichtiger, Herr Lieutenant," mischte sich ein alter Sergeant, Pfeiffer mit Namen, ins Gespräch, der hinter mir in der Reihe der schließenden Unteroffiziere marschirte. ,, Wenn ich Ihnen einen Schluck guten Cognac anbieten darf

Daß der Cognac nicht grade als Abkülungsmittel berühmt ist, störte den Lieutenant garnicht, mich auch nicht. Die Feldflasche des sie enthielt für drei durstige Kehlen Sergeanten war riesengroß reichlich genug.

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Wissen Sie, was ich mir denke?" fragte der Sergeant. Und in der zutreffenden Meinung, daß wir in die Tiefe seiner Gedanken nicht eingedrungen sein würden, fur er, one sich zu unterbrechen, fort: ,, Die Franzosen oder wenigstens ein reputirlicher Teil von ihrer Acmee, ist durchgebrochen, und denen hezen wir jezt nach. Die Richtung, in der es jezt querfeldein get, ist die nach der belgischen Grenze, hörte ich vorhin unsern Adjutanten sagen, die Franzosen werden sich auf belgisches Gebiet zurückziehen wollen, und wir werden bestimt sein, ihnen den Spaß zu verderben."

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,, Wenn der Sergeant recht hätte, so blüte uns die schönste Aus­sicht, uns zur Feier des ersten Ruhetags totzulaufen," sagte ich. ,, Sehr leicht möglich," meinte der Lieutenant.

Auch der Sergeant nickte. ,, Schade um Ihre strammen Beine, Gefreiter R.," sagte er zu mir. Die sind kaum noch halb so dick, als sie waren, wie ich Sie vor anderthalb Monaten auf der Regiments­kammer einkleidete und keinen Waffenrock und keine Kuppel fand, die Ihnen weit genug gewesen wären."

Ich entwickle mich mit Bismards und Moltke's Hülfe zur Syl­ phide ," entgegnete ich mit melancholischem Achselzucken.