wie in der Geschichte der Menschheit, wo ursprünglich die Ge­fangenen auch getötet, später aber zu Sklaven gemacht werden. Wie wir in der Menschheitsgeschichte mit Bezug auf die Erschei­nungen von Roheit und Kulturentwicklung sprechen, so hindert uns nichts, auf rohe und civilisirte Ameisen zu schließen, und wiederum nach dem Beispiele der Menschen zu folgern, daß die jezt civilisirten Ameisenvölker früher auch rohe und barbarische gewesen, die an der Hand einer gewissen Vernunftentwicklung, und nicht blos in Bezug auf die Behandlung der Kriegsgefangenen, sondern in Bezug auf ihre Gesamtorganisation zur heutigen Höhe ihres gesellschaftlichen Lebens gelangt sind. Zweifellos haben klimatische und lokale Verhältnisse ebenso bestimmend auf die Entwicklung der geistigen Tätigkeit in der allgemeinen Tierwelt, wie im speziellen auf die der Menschen eingewirkt, veränderte Verhältnisse beeinflussen und gestalten die Bedürfnisse, und die Bedürfnisse wiederum verleihen der Entwicklung ihr eigenartiges Gepräge. Diese Erscheinung dürfte überall wie beim Menschen, so auch in der Tierwelt im allgemeinen nachzuweisen sein. Aller­dings felen augenblicklich noch die Beweise dafür, doch würde ein vergleichendes, eine lange Reihe von Jaren umfassendes Studium der verschiedenen Tiergesellschaften sicher die überraschendsten, unsere Auffassung vollauf bestätigenden Resultate liefern.

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Gesellung; es gibt keine Kulturerrungenschaft, auf die ihm nicht das gleiche Anrecht wie seinen Genossen zustände, voraus­gesezt natürlich, daß er zu ihrer Erreichung mitgewirkt. Die ursprüngliche Gesellung bevorzugt das stärkere oder in­telligentere Individuum und ordnet sich gern seiner Stimme, seiner Leitung und Fürung unter. Gemeinschaftlich lebt man zwar von den durch die Gesamtheit gehäuften Vorräten, doch beansprucht, einem späteren drückenden Monopol den Grund legend, in der Regel die größere Kraft den größern Anteil und erhält ihn. Man darf also in der Gesellung von vornherein keine ab­solute Gleichberechtigung der Genossen voraussezen. Sie ist erst das Resultat langer und heftiger sozialer Kämpfe.

An der Hand des Bedürfnisses erweitert sich stetig der Lebens­und Tätigkeitskreis der Gesellung, und beständig steigern sich mit dieser Erweiterung auch die Anforderungen, welche die Pflege des materiellen Wols an die Vernunft des einzelnen stellt. Mit der Steigerung des materiellen Wols wächst auch die Vernunft. Das eine bedingt das andre.

Nirgends vermögen wir in der Gesellung die Spuren der Familie zu entdecken, die doch zweifellos vorhanden sein müßten, wenn sie vor der Gesellung der Menschen dagewesen und für diese eigentlich die Basis gebildet hätte. Wir müßten in der Gesellung die Familienzelle, eine bereits einigermaßen entwickelte Vernunft, Moral und Sittlichkeit finden. Von alledem zeigt sich jedoch nicht das Geringste.

Wo ein Tier nur mit dem Geschlechtstrieb ausgerüstet ist und isolirt lebt, da vermag es weder zu einem über die eigne Kraft hinausreichenden höheren Schuze seiner Existenz, noch zu einer Erweiterung seines Denffreises zu gelangen. Es kann allerdings Die Ursache liegt eben darin, daß zur Familienbildung nicht gewisse Erfarungen auf die Nachkommenschaft vererben, das Erb- nur das Vorhandensein eines geselligen Verbandes, sondern auch teil wird aber stets ein sehr kleines sein und über die ursprüngliche eine größere Seßhaftigkeit gehört. Vernunftstufe nur wenig hinwegreichen.

Und dort, wo das Band einer Gesellung zerrissen wird, wo die Angehörigen derselben versprengt und vereinzelt werden, da tritt ein materieller und geistiger Rückschritt ein. Der einzelne gerät in Hülflosigkeit, er verkomt im Elend, das dieser entspringt, oder er verwildert und nimt häufig eine seiner Natur wider­sprechende Entwicklung. Den geistigen Fähigkeiten, mit denen er ausgerüstet ist, wird die Gelegenheit zur harmonischen Betätigung genommen. Sie werden schwächer oder sinken gar auf das Niveau des isolirten Tiers hinab. Allerdings wird die Folge nicht immer die gleiche sein. Man wird hie und da starke Individuen die Folgen der Sprengung des geselligen Verbandes überstehen sehen. Doch droht auch ihnen der sichere Untergang, wenn es ihnen nicht gelingt, in einer andern Gesellung Aufname zu finden, was nicht immer leicht ist.

Wir dürfen nun folgern: die Gesellung ist die kräftigste Garantie für die Existenz des einzelnen, die notwendige Bedingung der Vernunftentwicklung, wärend die Isolirung den einzelnen nur auf seine eigne Kraft anweist, ihn einem stärkeren Gegner gegen über machtlos macht und die Vernunftentwicklung verhindert oder wenigstens in hohem Maße erschwert.

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Der Mensch gehört zu den von der Natur mit dem Gesellig­feitstrieb ausgestatteten Wesen. Soweit der geschichtliche Blick in die Vergangenheit zurückzureichen vermag und soweit das Leben civilisirter und wilder Völker in unsern Tagen Rückschlüsse auf die Vergangenheit der Menschheit gestattet, ist der Mensch stets gesellig aufgetreten.

Alte Geschichtsforscher berichten uns von Menschen, die herden weise lebten, feiner aber von isolirten, und tatsächlich darf das gesellige Leben des Menschen als das seiner Natur entsprechende betrachtet werden.

Versuchen wir es, uns über die ursprüngliche Gesellung der Menschen ein Bild zu liefern, um uns nach dem Dasein der Familie umzuschauen.

Die Gesellung ist nicht one Verzichte auf die persönliche Frei­heit denkbar. Der einzelne hört auf, der ausschließliche Herr seiner Kraft und seines Lebens zu sein; beides muß er zum Schuze seiner Mitgenossen der Gesamtheit zur Verfügung stellen. Allerdings erhält er dafür einen hohen Entgelt; er erwirbt für diesen Verzicht den Schuz der Gesamtheit, das ursprünglichste und natürlichste aller Rechte, das Existenzrecht, die Garantie dafür, daß jeder der Mitgenossen, die Gesamtheit, für ihn eintritt, wenn ein ihm selbst überlegener Feind sein Leben bedroht.

Doch mehr noch als das! Er erwirbt auch das Anrecht auf alle Vorteile, welche die Gesellung ihren Mitgliedern zu bieten vermag. So partizipirt er am Genusse der Schuzmittel, welche die Gesellung zu ihrer Sicherheit errichtet, so auch an den Wo­nungen, die sie beziet, und an den Vorräten, die sie sammelt. Sein Existenzrecht erweitert sich mit der Kulturentwicklung der

Obwol gesellig lebend, ist der Mensch doch noch ein Jagd­objekt der Raubtiere, ewig gehezt und außer stande, sich irgendwo dauernd gegen die ihm nachspürenden Feinde zu behaupten. Er fand weder Zeit noch Gelegenheit zur Gründung einer Familie. ganz abgesehen davon, daß dazu auch noch nicht das geringste Bedürfnis vorlag.

Die ältesten Historiker berichten uns denn auch, die ursprüng­lichen Verhältnisse der Gesellung scharf markirend, ausdrücklich das Felen der Familienzellen in der Herde, indem sie Weiber­und Kindergemeinschaft in derselben konstatiren. Diese existirte noch im historischen Aegypten , bei den Persern, den europäischen Völkern und heute noch auf vielen Südseeinseln, bei den Kale­doniern, in etwas verschleierter Form bei den Beduinen, bei einigen Völkern Hinterafiens u. s. w.

Eine eigentümliche, noch in unsre Zeit hineinragende Erschei­nung fönte als ein weiterer Beweis für das Felen der Familie in der ursprünglichen Gesellung dienen. Wir meinen das so­genante Muttererbe bei verschiedenen Indianerstämmen. Die Mutter ist die Vorsteherin und Erhalterin der Familie, und ihr Eigentum ist es, nicht das des Vaters, welches die Kinder erben. Der Mann, welcher mit der Frau eine geschlechtliche Verbindung einget, nimt deren Namen an, nicht diese den seinigen. Diese Einrichtung stamt offenbar aus der ersten Zeit der menschlichen Gesellung, wo man das Weib nur zur Befriedigung des Geschlechts­triebes aufsuchte und es dann einfach verließ, sich auch um die Kinder nicht weiter bekümmerte.

Hieran sei gleich ein andres Faktum angereiht. In Bhutan ( Indien ) ziehen die Männer in das Haus der Frau, um mit ihr eine Ehegenossenschaft einzugehen. Meist ist die Frau schon alt und hat vor der Ehegenossenschaft in geschlechtlicher Beziehung durchaus zügellos gelebt. Bei den Garos kann die Frau sogar beliebig den Mann verlassen, one Kinder und Güter einzubüßen, wärend der Mann durch ihre Verstoßung beides einbüßt. Aller­dings konten hier auch wirtschaftliche Verhältnisse, wie etwa bei der Prostitution in den civilisirten Staaten, von Einfluß sein, vielleicht auch Mangel an Weibern, doch ist die Zurüffürung dieser Erscheinungen auf den ursprünglichen Gesellschaftszustand das Berechtigtste. Man kann getrost aus diesen Erscheinungen den gleichen Schluß ziehen.

Suchen wir nach Beweisen in der sogenanten civilisirten Welt, so könten wir erwänen, daß in Rußland die Frau als Vormünderin zugelassen wird und über das Familieneigentum leztwillig verfügen darf. Auch das ist eine Erscheinung, die wol in grauer Vorzeit ihren Ursprung hat. Man darf nun, will man nicht das Un­warscheinlichste annemen, daß die menschliche Gesellung rückschritt­lich gewirlt und die Familie aufgelöst und zerstört hat, schließen, daß die Familie weder vor noch in der Gesellung vorhanden gewesen ist. Wir werden ihren Spuren denn auch erst viel später, ( Schluß folgt.) und zwar in der Gesellschaft, begegnen.

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