Städtebilder vom Bodensee .

Von Luise Otto .

I. Konstanz.

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Sei mir gegrüßt grünlich- silbern schimmernder See, ob deine Fläche nun spiegelglatt daliegt und nur die Dampfschiffe sie durch furchend, weißen Schaum aufsprizend, silberne Linien nach sich ziehen und hinter sich die Wasser bis über den Uferrand treiben oder ob die Donner majestätisch darüber hinrollen und tief herabhängende Wolken dem Wellenschaum begegnen, der aus der Tiefe emporfärt, vom Sturme aufgewült, dunkelgrüne Wellen aufspringen wie märchenhafte Ungeheuer mit schneeweißem flatternden Har auf düster zürnenden Häuptern sei mir gegrüßt wie du dich auch nennen magst, ob ,, Boden" oder schwäbisches Meer" oder Bodensee " sei mir, dreifach benant, auch dreifach gegrüßt.

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Aber nicht von deinem geheimnisvollen Leben, noch von den Na­furwundern und Schönheiten deiner herlichen Ufer gilt es mir heut zu singen und zu sagen auch nicht den Uebergang sollst du hier bilden zu den oft gelesenen Schilderungen einer Schweizerreise. Nur von den beiden berühmten Städten, die am West- und Ostende von deinen Wogen bespült werden, die noch zum deutschen Reich gehören, aber doch die Pforte bilden zum schönen, freien Schweizerland, dem Lieblingsziel glücklicher Touristen, von den Städten Konstanz und Lindau will ich ein Bild zu geben suchen.

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Am Ausgang des Oberbodensee in den Untersee liegt Konstanz , die Hauptstadt des badischen Seekreises. Jezt ist die offizielle wie auch sonst wol allgemeine Schreibweise Konstanz , wärend man noch bis vor kurzem häufiger Constanz schrieb, ja in der Zeit der Deutschtümelei so­gar Kostniß. Doch war es ein Jrtum, diesen Namen etwa darum als deutsch zu gebrauchen, weil er zur Zeit der Reformation von den An­hängern derselben so eingefürt worden als Demonstration wider Rom und römische Sprache, wärend er später wieder aufgefrischt ward als änliche Demonstration, zugleich gegen Frankreich . Nicht deutsch, sondern böhmisch und, wie wir heute sagen, czechisch ist die Benennung Kostniß. Die Böhmen , die Hussiten waren es, die diesen Namen aufbrachten und aus Konstanz Kostniß machten. Ihnen war die Stadt, in der ihr Held und Haupt Johannes Huß als Märtyrer des Glaubens sein Leben lassen mußte( 1415, Hieronymus von Prag 1516) zugleich vervehmt und geheiligt und da auch die späteren Re­formatoren in Huß ihren Vorläufer erkanten, so ward die böhmische Benennung acceptirt. Nun ist es nicht allzulange her, daß man sich erst besann, daß Konstanz im Mittelalter Costenz, aber nicht kosiniz hieß im Volke sprach und spricht man noch heute ,, Coſtaz" so ist jezt als Hoch- und Schriftdeutsch Konstanz eingefürt. Viele Hi­storiker nemen an, daß die Stadt von dem römischen Kaiser Konstantin dem Großen schon im vierten Jarhundert gegründet ward, und nach ihm genant, indes weiß man nichts gewisses, denn nirgend finden sich rö­mische Ueberreste was aber nichts beweist, da die noch im selben Jarhundert eindringenden Allemannen doch alles zerstörten. Karl der Große nante die Stadt Civitas" und gründete darin ein Bistum. Im Mittelalter hatte die Stadt ihre höchste Blütezeit, sie war ein bedeutender Handelsplaz, als noch der Handel aus dem Morgenlande seinen Weg über das Mittelländische Meer nam, sah Reichstage und Konzilien in ihren Mauern und entschied mehr als einmal das Schicksal deutscher Kaiser und Fürsten . Judenverfolgungen, Zunftkämpfe und Glaubensstreitigkeiten tobten oft in ihr.

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Daran mahnt es uns unwillkürlich, wenn wir, sei es mit dem Dampfschiff oder mit der Eisenbahn der Stadt uns nahen. Wie viel dieselbe auch durchgemacht, sie verleugnet den Charakter des Mittelalters nicht wissen wir, daß sie damals zur Zeit ihres berühmtesten Konzils von 1414-1418 mehr als 40 000 Einwoner zälte, so sehen wir freilich, daß die Stadt seitdem lange Zeit nur Rückgänge zu verzeichnen hatte. Als sie 1806 von Desterreich, das sie, einen Wall der Reformation, 1551 sich unterworfen und katolisch zu machen gesucht hatte, wieder 1806 an das Großherzogtum Baden kam, zälte sie kaum 5000 Gin­woner. Aber unter der badischen Regierung, wie durch eigne Kraft und den Segen der Eisenbahnen hat sie es jezt wieder auf mehr als 12 000 gebracht, und es waltet ein frisches fröhliches Treiben durch die ganze, jedes Jar sich neu verschönende Stadt. Auch der Zug der Vergnügungs­reisenden begrüßt sie jezt gern und nimt sogar daselbst längeren Aufent­halt. Ladet dazu doch der See ein mit seinen Bädern, das Inselhôtel in seinem gotischen Baustyl und der ganz neu und großartig aufge­fürte ,, Konstanzerhof", ein großes, trefflich geleitetes Etablissement in neuer schweizer Art, zugleich Pension wie Hôtel mit reizenden park­artigen Anlagen, die bis zum See sich hinziehen. Von ihnen wie von den Zinnen aus blickt man auf die Alpen und die reizenden Seegestade. Interessant ist, wie uns überall Erinnerungen aus dem Mittelalter entgegentreten und wie die Neuzeit, one sit zu zerstören, doch oft die seltsamsten Wandlungen mit ihnen vorgenommen hat. Konstanz ist keine feste Stadt mehr, aber wenn auch die einstigen Basteien verschwunden, so sind doch ein par Tore samt Türmen und altem Mauerwerk noch der modernen Zerstörungswut entgangen. So, am Ende der Bodans­straße, das Schneßtor. Hier stehen wir am Zwinger auf historischen Boden, das Haus links bezeichnet eine Tafel als ,, Hussenherberge", die

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Hieronymus( von Prag) Gasse fürt uns zum Bräuhaus- und wo jezt das Hauptgetränk der Deutschen des 19. Jarhunderts in Eiskellern lagert und dann in Gärten und Sälen zu jeder Tagesstunde von den Durstigen als Labetrunk gepriesen und vertilgt wird, das ist der ,, Pauls­turm", in welchem Hieronymus von Prag ein Jar lang gefangen saß. An der Stelle, wo er, und ein Jar vor ihm Johannes Huß, den Feuertod starb, ist erst 1873 als Denkmal finnig genug ein erra­tischer Block aufgerichtet worden. Früher war die Stelle für den Fremden kaum zu finden. Jezt sagt man ihm: ,, an der Gasfabrik vorüber!" und das ist auch bezeichnend für unsere Zeit. Sie errichtet keine Scheiter­haufen mehr sie hat im Gas ein reineres Licht und zu Zwecken des Woltuns und Belebens, nicht des Vernichtens, zugleich erfunden und in ihren Dienst genommen.

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So ist auch das schon erwänte Inselhôtel auf der Dominikaner­insel des Rheins aus einem Dominikanerkloster hergerichtet worden, in welchem Huß gefangen saß. So ist ferner gegenüber die einstige Je­suitenschule zum Teater umgewandelt, und sie zeigte sich geräumig genug, neuerdings auch noch darin den Juden einen Betsal zu gewären. Am Markt, oder der Marktstätte, wie die Konstanzer sagen, stet das alte Kaufhaus, das aus dem Jare 1388 stamt und den ,, Kon­ziliumssal" enthält, später zum Leinenhandel benuzt, dient er jezt wieder festlichen Versamlungen. Auf dem Markt stet auch die jezt fast in jeder Stadt übliche Siegessäule zur Erinnerung an den Krieg von 1870-71, und bedeutsam grüßt sie über das Reichspostgebäude das frühere Rathaus hinweg das hohe Haus" auf der Zollernstraße, worin Burggraf Friedrich von Nürnberg wonte, als er 1417 mit der Mark Brandenburg belent ward. Bekantlich war dies die erste Hauptstaffel zur anwachsenden Macht der Zollern.

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Am Markt stet auch eine höhere Mädchenschule; ein ehemaliges Franziskanerkloster erwies sich groß genug, eine Bolts-, eine Bürger­und eine Gewerbschule darin aufzunemen. In Baden und so auch in Konstanz begriff man es zuerst, daß nur durch erweiterte Schulen das Volkswol zu fördern ist so trifft man auch fast nirgend eine so intelligente, geweckte Bevölkerung wie in Baden .

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Hochverdient um das fortschrittliche Leben der Stadt hat sich be­fantlich Freiherr Heinrich von Wessenberg gemacht, der als Ge­neralvicar hier 1860 starb. Die Straße, in der sein Haus stet seiner Büste gezieret ist nach ihm die Wessenbergstraße genant. In seinem Haus befindet sich eine großherzogliche und eine städtische Ge­mäldegallerie und Wessenbergs große, der Stadt überlassene Bibliotek von gegen 50 000 Bänden, alles zugänglich für Heimische und Fremde one Entgelt.

Man siet schon hieraus, wie gut es sich leben läßt in Konstanz , seit es unter Badens Szepter zum Reich gehört. Wie da jezt Kato­liken, Protestanten und Juden friedlich neben und miteinander wonen, nachdem sie sich so lange in den blutigsten, fanatischsten Kämpfen und Verfolgungen einander nur Leid bereiteten, haben sie sich jezt im höheren Dienst der Humanität zum freundlichsten Miteinanderleben gefunden. Auch die Alkkatoliken haben seit 1873 hier ihre eigne Kirche: die schon im 13. Jarhundert erbaute Augustinerkirche, und unweit davon stet die Freimaurerloge: Konstantia zur Zuversicht."

Alle und alles überragt das Münster schon von weitem, das seine ersten Anfänge bis zum 9. Jarhundert zurück datirt, aber mannigfache Bauwandlungen erlebte, so daß man sagen kann, es haben ebenfalls 9 Jarhunderte an ihm gebaut. Die lezten Restaurationen wurden 1854 daran vorgenommen; aber auch jezt regt man sich wieder in seiner Konradikapelle zum Erhalten, Ausbauen und Verschönern. Im Münster wurden bekantlich die Konzilssizungen gehalten. Außer ihm ist die Stadtkanzlei, ein Prachtbau im florentinischen Renaissancestyl, das interessanteste Gebäude der Stadt an der Kanzleistraße mit historischen Fresken und den Portraits berühmter Konstanzer. Darunter aus der Neuzeit auch die Wessenbergs und der Malerin Marie Ellen­ rieder . Man siet, bei den Konstanzern ist es nicht wie anderwärts, wo der Prophet nichts in der Heimat gilt, und daß auch die Gebäude und Gegenden von Konstanz nicht vergessen werden, dafür sorgt die Anstalt des Hofphotographen Wolf. Wer aber einmal dort war, ver­gißt Konstanz nicht und freut sich seines neuen Wachsens und Fort­schreitens, wie im äußern, so auch in Handel und Industrie.

Im Interesse der Auswanderungsluftigen wird uns ge­schrieben:

Geehrte Redaktion der ,, Neuen Welt!" Ihrer freundlichen Auffor derung Folge leiſtend, will ich versuchen, dasjenige, was ich in bezug auf die Einwanderung in den Vereinigten Staaten zum besten der Leser der ,, Neuen Welt" sowie des auswanderungslustigen Publikums über­haupt sagen kann, so klar als möglich darzulegen. Da man mit ge­ringen Ausnamen gewont ist, über die Vereinigten Staaten nur viel Lob und wenig Tadel zu hören oder zu lesen, so schicke ich die Be­merkung voraus, daß ich nicht gewont bin, mich nach dem Urteil des sogenanten großen Hauses zu richten, sondern mir es stets zur Aufgabe gemacht habe, bei Berichterstattungen u. s. w. mich streng an die Wirk­lichkeit zu halten.

Wer Lust zum Auswandern hat, wird one Zweifel meist von dem Verlangen geleitet, seine Lage zu verbessern. Mag nun die Ursache dieser gedrückten Lage dieser oder jener Art sein, so ist es zuvörderst