446

sich über sein ganzes Gesicht, als er inne ward, daß es ein kleines| Stück gewesen; aber sofort winkte er in leidenschaftlicher Geberde mit beiden Händen die Brüder herbei, damit sie dem Ding ein Ende machten, ehe noch ein weiteres Attentat auf ihr Eigentum verübt werden konte.

In einigen Sekunden war denn auch die ganze goldige Scheibe aufgezehrt und von den Fischlein war auch keine Gräte übrig geblieben.

Jezt wischte die Castalda ihre Hände und ihren Mund mit der Schürze ab und langte einen Bund Schlüssel von der Mauer. Gehen wir zu den Rittern," sagte sie.

Alles fezte sich in Bewegung.

Sie sind also wol, die Teuren, die Guten?" fragte die Signora, als sie über den Hof gingen. ,, Sie haben ausgeschlafen und sind wieder munter und bei Appetit?"

Die Castalda lachte und zeigte ihre noch schönen, weißen Zäne. Es sind Diavoli von Rittern, Sie werden sehen; gestern noch ganz unbeweglich, noch starr und steif, heute schon fast alle lebendig. Ai  , wie sie sich rüren, und diese Freßlust,- sie sind zum füffen!"

,, Che, che, che!" machte die Signora, aufs höchste erfreut. Man hatte das seitwärts gelegene Gebäude erreicht und stieg über eine schmale Treppe nach einer Art Kornboden. Die Signora war in leichtbegreiflicher Erregung mit ihrer Castalda allen andern voran. Die Fenster waren geschlossen, und in dem großen Raum, in welchem ein Backofen aufgestellt war, war es ziemlich heiß. ,, Wir haben auch in dieser Nacht Feuer angemacht," erzälte die Castalda; ,, ach, ich bin drei-, viermal aufgestanden, um nach zusehen."

Herliches Weib!" rief die Padrona entzückt, ihr einen Schlag auf die Schulter versezend.

Das Weib lachte voll Selbstzufriedenheit, und vertraulich ihrer Herrin den fetten Arm tätschelnd, versicherte sie:

,, Wir werden ein gutes Gespinst bekommen."

Signora de Vita bemerkte jezt die neben und übereinander aufgestellten, mit einer schwachen Leiste versehenen Bretter, wo auf eine Streu von welten Maulbeerblättern gebettet, unzälige mehlweiße Würmchen sich hin und her bewegten.

,, Eccola! Da sind sie!" rief sie und sie stürzte der jungen Brut entgegen. ,, Ah, meine Cavalieri, ah, i benedetti!" Sie faltete in dankbarem Entzücken die Hände.

Auch Elena und Alfred waren herangekommen, und sie be­sahen sich die Seide repräsentirenden Hoffnungen der Padrona, die sich da herumwälzten.

,, Wie hübsch sie sind, wie feist und wie lebhaft," bemerkte die Mama; wie sie in die Höhe gucken, sie sehen schon nach Futter aus, die lieben Kerle. Wann bekommen sie denn die frischen Blätter?"

Sogleich, sogleich," vertröstete die Castalda ,,, die Schläfrigen müssen nur vorher noch entfernt werden."

Der Vater und die zwei älteren Söne machten sich in der Tat daran, diejenigen der Räupchen, welche noch nicht in das gleiche Stadium der Entwicklung getreten, von denen zu sondern, welche aus ihrer Letargie, die die Häutung begleitet, bereits erwacht waren. Die unbeweglichen, welche, die schwarzen Köpfchen nach oben gerichtet, steif und starr an den welken Blättern hingen, wurden herausgelesen und auf eine besondere Tenne gelegt.

Indessen standen schon reichliche Futtervorräte, welche heute morgens gepflückt worden, in Säcken bereit, und die jüngeren Knaben waren nun beschäftigt, die Blätter herauszunemen und, da morgens ein starker Tau gefallen, sorgfältig abzuwischen; der Maulbeerspinner verträgt nur trockne Narung.

Dame Vita hatte sich auf einen Sessel niedergelassen und be­trachtete mit nimmermüden Augen die immer lebhafter werdenden und sich bereits untereinander befehdenden Ritter mit den schwarzen Helmen. Sie wollte der Fütterung beiwonen. Elena hatte sich auf ihr Geheiß ebenfalls einen Sessel bringen lassen; sie machte sich darin behaglich und gähnte hinter ihrem Fächer.

Alfred, den diese Fütterung nicht in gleichem Maße inter­essirte, verließ den geschlossenen, künstlich durchwärmten Raum, und die hölzerne Stiege hinabsteigend, trat er wieder ins Freie. Wie rein war die Luft, das Licht so blendend, die Schatten so dunkel; ein sanfter Wind wehte vom Wasser her, die Hize mildernd. Er sezte sich auf einen Stein und betrachtete mit den Augen des Künstlers die Billa  . Er fand sie malerisch schön in ihrer Ruinen­haftigkeit und in ihrer jezigen Beleuchtung. Er zog sein Skizzen­buch hervor und begann sie zu zeichnen. Aber nach einiger Zeit

schlug er das Buch zu, und den Ellenbogen gegen das Kinn gestemmt legte er den Kopf in die Hand und versank in ein trübes Nachdenken.

Er fur plözlich auf. One daß eine eigentliche Warnemung durch seine Sinne vorangegangen, hatte er doch die Empfindung, als ob sich jemand über ihn beuge; er wante den Kopf und sah in die schönen, blizenden Augen Juanna's. Sie war auf dem weichen Grase leise und unhörbar näher gekommen und sie streckte ihm jezt ihre Hand entgegen.

,, Schon wieder in Gedanken!" sagte sie, und dann, sich um­sehend: Wo sind die andern?"

Sie machen den Cavalieri ihre Aufwartung, kommen Sie her, Madame?"

-

aber wo

,, Ganz direkt von einem alten Bekanten, von dem hier zu Besuch weilenden französischen   Gesanten, dem Grafen Saint Vallier, der in Rom   beglaubigt ist."

,, Ah!" machte Alfred erstaunt.

,, Und ich habe so gute, gute Nachrichten für Sie, mein Freund, daß es mich drängte, Sie Ihnen mitzuteilen, ich wußte Sie auf unsrer Vigna und so bin ich denn hierher und Ihnen nach­gefaren. Sie sehen mich verwundert an? Sie sollen alles er­faren; aber lassen Sie uns in den Schatten des Hauses treten, es ist hier zu warm."

Sie ging voran; ihr Gang war elastisch, wie beschwingt, die kleine, reizende Gestalt erschien wie von einer freudigen Erregung getrieben, und auch ihre Züge waren noch beseelter, ihre Augen leuchteten in stolzer Befriedigung und in dem ungeduldigen Ver­langen, sich mitzuteilen. In der Loggia unter der Terrasse war es fül, eine Steinbank bot einen willkommnen Ruheplaz. hatte sich sogleich gesezt und er hatte hierauf an ihrer Seite Plaz genommen. Sie sah ihm froh und frölich in die Augen. " Ich habe heute schon viel von Ihnen gesprochen." ,, Mit wem?"

" Mit dem Gesanten."

Wieso?"

Sie

" Ich habe ihn für Ihr Talent zu interessiren gewußt; er will Ihre Arbeiten kennen lernen, er wird Sie besuchen."

Alfreds Züge verdüsterten sich. Ich habe nichts fertig, über­haupt nichts zuhause, das von Bedeutung wäre, das mir gelungen erscheint, und er erwartet vielleicht etwas außerordentliches, und so wird seine gute Meinung nicht bestätigt werden und Sie werden Sich Ihres Schüzlings schämen müssen."

Sie schüttelte in heftiger Weise den Kopf. Ich will so etwas nicht hören. Oh, Sie sind so herabgestimt, so mutlos, aber wenu Sie selbst nicht mehr für Sich einzustehen wagen, ich werde es tun. Lassen Sie den Grafen nur fommen, wir werden Sie gegen Ihre eigenen abscheulichen Meinungen überzeugen, daß Ihre Leistungen noch immer gut sind und daß, wenn Sie auch in lezter Beit minder schaffensfreudig waren, und wenn Sie auch nicht immer das Glück hatten, Ihre Arbeiten zu verkaufen, darum noch nicht verzagen dürfen; ja, daß Sie gar keinen Grund zur Mutlosigkeit haben und daß es nur eines Aufraffens bedarf, einer frischen Strömung, eines Zufalls vielleicht, um Ihr Talent wieder in Schwung zu bringen und Sie Ihrer Kunst ganz zurück­zugeben."

Sie hatte so lebhaft gesprochen, mit ernſtem, fast begeistertem Interesse, und sein Blick hing an dem ihrigen und an jedem Worte, das von ihren Lippen fiel.

Ja," sagte er ,,, es bedarf vielleicht nur einer dieser Be­dingungen, aber wie soll sie mir werden in meinen Verhält­nissen?"

-

,, Aber diesen Verhältnissen will ich Sie entreißen, ich will Ihnen die Schaffensfreude wieder zurückgeben, die Ihnen in einer neuen Umgebung, inmitten der erhabensten Schöpfungen der Kunst frisch und rasch erstehen soll. Sie müssen fort von hier, Sie müssen nach Rom  ."

,, Wie kann ich das, Madame?"

Hören Sie mich. Der Graf ist sehr reich und er ist Kenner und Schäzer der Kunst; er hat sich in der Nähe Roms einen in großartigen Verhältnissen angelegten Palast erbauen lassen und will ihn auch im Innern mit reicher fünstlerischer Pracht aus­statten. Ich wußte das, ich ging deshalb zu ihm und fragte ihn, ob er die Deckengemälde, die Wanddekorationen und Friese schon vergeben habe. Er verneinte dies, er habe bisher nur geringe Bestellungen gemacht; ich sprach ihm nun von Ihnen, von Ihrem feinen Geschmack, Ihrem koloristischen Talent. Das sei, was er brauche, meinte er, und er will nun einiges sehen, um sogleich