eine namhafte Bestellung erfolgen zu lassen, und er ladet Sie, wie ich vermute, gleich ein, mit ihm zu kommen, da die meisten Arbeiten doch an Ort und Stelle gemacht werden."
Alfred hatte in freudiger Ueberraschung, in einem stürmischen Entzücken ihre Hand ergriffen und drückte sie an seine Lippen.
Juanna, wenn es gelingen sollte, ich würde Ihnen alles zu danken haben! Wie gut Sie es verstehen, den armen Mann, der an sich selbst verzweifelt, zu erheben, neue Hoffnungen in ihm zu erwecken; Sie geben ihm damit etwas von Ihrem eignen Mut, von Ihrer eignen Kraft."
,, Nun, wir sind eben beide Künstler, wir verstehen, was einem von uns nottut, was uns bedrückt, und wir müssen uns gegen seitig ein wenig zu Hülfe kommen." Sie sagte es abwehrend und doch, wie es schien, von der Freude, die sie ihm gegeben, selbst bewegt, selbst ergriffen. Als aber ein zweiter Kuß auf der kleinen, bräunlichen Hand feuriger brante, stand sie auf.
,, Unser Interesse soll darüber nicht hinausgehen," sagte sie. Ich wünsche es nicht, und wozu auch?" fügte sie schroff, fast chnisch hinzu. Sie war zwischen den Säulen hervorgetreten und sie spante ihren Sonnenschirm auf, damit ihre Absicht andeutend, hier außen zu bleiben. Sie gingen in der dem Wasser entgegen gesezten Richtung die Allee hinauf, die durch die in gleichmäßiger Entfernung gepflanzten Maulbeerbäume gebildet ward. Beider Augen sahen nach den hohen, schönen Cypressen, die über eine die Vigna nach Osten begrenzende Mauer herübersahen.
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,, Es sind die Cypressen des Campo santo," sagte Juanna, nach ihnen hinüberzeigend;„ es sind schöne Bäume und ich liebte sie von Jugend auf."
,, Sie sind in früheren Jaren öfter hierhergekommen?" " Ich besuchte häufig meine Amme, an der ich sehr hing, und ich blieb so gerne hier, oft wochenlang, und ich wonte dann in der großen Stube da oben, wo die Bibliotek , die mein Großvater, glaube ich, zusammengestellt hat, sich befand und noch befindet." Sie lachte. Die Neigung, zu lesen, hat sich in unsrer Familie ganz allein auf mich vererbt, und ich war dreizehn Jare alt, als ich sie zuerst durchstöberte und dann über den herausgeholten Schäzen stundenlang sizen konnte, sie in heißer Gier verschlingend. Es waren meist philosophische Schriften, die Geistestaten des achtzehnten Jarhunderts; ich habe freilich davon nicht viel verstanden, aber das wenige, was ich zu erfassen vermochte, was zu meinem Geiste sprach, regte mich doch an, und nach und nach erweiterte sich mein Verständnis, und ich legte dann oft das Buch hin, um zu überdenken, was ich da gelesen, und daran reihten sich neue und selbständige Gedanken. Ein starker Wissensund Bildungsdrang erwachte in mir; ich war fünfzehn Jar geworden, und eines Tages trat ich entschlossen vor meinen Vater hin und sagte ihm, ich möchte lernen und in eine Schule gehen, wie mein Bruder in eine gegangen ist, und ich möchte die Geschichte der Menschen kennen lernen von ihren frühesten Anfängen an, und erfaren, wie sie sich nach und nach zu ihrer jezigen Kultur entwickeln konten, und ich möchte die Erfindungen verstehen lernen, die sie gemacht und die Geseze der Natur, auf welche sie gegründet; ich möchte das alles lernen, um die Welt um mich her begreifen zu können und mich selbst als ein Produkt dieser Welt. Ach, Sie hätten in diesem Augenblick meinen Vater sehen sollen! In äußerster Verblüfftheit, ja, eigentlich erschreckt, stand er da, und er fragte mich, woher ich solche Ideen genommen, wer mir so vertracktes Zeug in den Kopf gesezt. Dergleichen Wissen sei nicht für ein Mädchen und solche Schulen gäbe es nicht für das weibliche Geschlecht, das sei für Studenten und das lerne man nur auf den Hochschulen; er selber verstehe nicht allzuviel davon und ich möchte ihn damit in Ruhe lassen. Als aber die erste Verlegenheit überwunden war, fand er mein Anliegen doch allzu spaßhaft und er mußte herzlich darüber lachen, und er teilte es der Mutter und dem Bruder mit, und sie bespöttelten nun gemeinsam den kleinen Philosophen mit dem flatternden Röckchen." ,, Aber wie ich Juanna kenne, ließ sie sich dadurch nicht be
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irren und sie studirte auf eigne Faust lustig weiter," sagte Alfred, sie voll Interesse betrachtend.
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Juanna schüttelte den Kopf und um die soeben noch so frisch und frölich aufgeworfenen Lippen legte sich ein wehmütiger Zug. ,, Sie dürfen nicht nach der Juanna von heute die Juanna von damals beurteilen; ich war ein weiches, gutes Kind, für alle Eindrücke noch gleich empfänglich. Ich schlich tief beschämt davon und fülte mich ganz verwirrt. Ich hatte soviel von dem heiligsten Menschenrecht gelesen, die Warheit zu erforschen und sich zu bilden, ihr Ton wurde sarkastisch, und nun sah ich wol," „ daß dieses Menschenrecht nur ein Recht der Männer war, und selbst unter diesen nur wenigen eingeräumt. Ich dachte damals, daß ich das Leben noch nicht verstehe, daß meine Voraussezungen falsch sein müßten und daß ich dem, was mir so klar und selbstverständlich erschienen, eine für mein Geschlecht ungehörige Deutung gegeben. D, ich war damals völlig haltlos, aber der Leichtsinn der Jugend half mir glücklich darüber hinweg, und ich beschloß, über Dinge, die mich beunruhigten und die ich nun einmal nicht verstand und nicht verstehen sollte, nicht weiter nachzudenken. Ich beschäftigte mich wieder mit solchen Dingen, die mir erlaubt waren, mit meinen Puppen und mit meinem Puz; sechs Monate später war ich die erklärte Braut eines Mannes, den ich kaum kante, den ich nicht liebte."
,, Und den mau Sie gezwungen hat, zu heiraten?" fragte Alfred in noch wärmerer Anteilname.
Juanna sah ihn an mit einem klaren, ernsten Blick und sagte kalt: ,, Nein, nichts und niemand hat mich gezwungen."
Es entstand eine Pause, aber dann kam doch wieder, was tief innerlich in diesem Herzen grollte und es schmerzhaft bewegte, zu erregterem Ausdruc:„ Damals glaubte ich es, heute weiß ich, daß der Druck, der auf uns Frauen lastet, daß die sozialen Verhältnisse, unter welche wir uns beugen müssen, einen Zwang auf uns ausüben, einen Zwang trauriger, tief entsittlichender Art." Ihre Lippen verzogen sich zu einem Lächeln. Man ist sehr früh darauf bedacht, es uns Mädchen zu lehren, nicht, wie wir einen Mann glücklich machen können, nein, wie wir es anzustellen haben, ihm zu gefallen und ihn soweit zu fesseln, daß es ihn drängt, uns zu heiraten. Dieses Gewinnen der Gunst des Mannes durch die Macht unsrer physischen Reize wird uns als der große, einzige Zweck unsres Lebens hingestellt. Wir erfaren das sehr früh, ehe wir nur eine Ahnung haben, was dies in physischer und in seelischer Hinsicht für uns bedeutet. Wir wissen, daß die Frau allein zu Ansehen und Achtung in der Gesellschaft tomt, und es wird uns das so drastisch veranschaulicht durch die Art und Weise, wie in unsrer Gesellschaft die alte Ein Schimpf haftet schon an dem Jungfer behandelt wird. Namen allein, mit dem wir junge Mädchen lachend, in übermütiger Roheit freigebig unsre älteren Genossinnen bedenken, uns dabei das Wort gebend, ihn gewiß nicht zu verdienen. Und wenn nun eine von uns sechzehn Jare alt geworden ist, und es komt ein Mann, der uns heiraten will, der uns vor dieser Schmach bewaren, uns zu dem Ansehen und der Würde einer Frau erheben will, die umso größer scheint, je früher sie erworben wird, da wir es wol bemerkten, daß der jungen Frau die allseitigste Huldigung zuteil wird, so willigen wir sofort in diese Ehe. Man hat uns ihre Vorteile früh eingeprägt, und ihre Pflichten hat man so ängstlich und so geflissentlich vor uns verborgen, daß wir nicht wissen, daß Liebe vor allem zu diesem Bunde nötig sei, wenn er uns nicht entwürdigen, wenn er nicht die tiefste Erniedrigung für uns bedeuten soll, wenn wir nicht damit das Unglück unsres Lebens besiegeln sollen und damit zugleich, und das ist die Vergeltung, die in jeder Unnatürlichkeit liegt, das Ich freute mich Unglück des Mannes, dem wir angehören. damals, ein eitles Kind, auf das weiße Brautkleid und die duftige Myrtenkrone, ich freute mich, meinen Gespielinnen zu zeigen, daß ich das erwünschte Ziel früher erreicht hatte, als sie alle, ( Fortsezung folgt.) ich ward getraut." Sie blieb stehen.
Universitätsleben und Universitätsfreunde.
Eine Erinnerung von J. D. H. Temme.
Der Fürst von Bentheim- Tecklenburg war früher souveräner deutscher Reichsgraf gewesen, war durch Preußen mediatifirt worden; hatte durch den bekanten Artikel vierzehn der deutschen Bundesatte einige Scheinrechte der verlornen Landeshoheit ein
( 2. Fortsezung.)