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haben würden, wenn sie uns so ganz mühelos in den Schoß fielen, so fordert sie auch von ihrem Liebling ein ,, Aequivalent" und im liebevollen ernsten Tone tönt ihm das ,, Erst ein Küßchen!" entgegen. Ob unser kleiner Blondkopf den Tausch für einen regelrechten und reellen hält? Es scheint so, denn flugs get er auf den Handel ein und die um den Nacken der Mutter geschlungene Rechte beweist nur zu deutlich, wie sicher er sich ist, daß er es hier mit einem ihm wolwollenden Gegenüber zu tun hat, wärend er aber auch andererseits das linke Händchen ausstreckt, um sich seines Tauschobjekts zu versichern. Heute gibt er das Küßchen wol hauptsächlich nur der Mutter willen, die wirkliche Bedeutung desselben inbezug auf das gewünschte kent er noch nicht, aber wenn er später einmal zu dem Bewußtsein gekommen sein wird, daß er für das gute, was er von seinen Nebenmenschen empfängt, auch entsprechende Pflichten zu erfüllen hat, dann wird ihm dieser kleine Vorgang, ganz gleich, wo er ihm entgegentritt, erst klar geworden sein. Dann wird er aber auch derjenigen Dank abstatten, die ihn in so liebevoller Weise zu dieser Anschauung erzogen hat.
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Der Tod des Sokrates . In unserer Illustration auf Seite 449 bringen wir die Reproduktion eines der 12 Gemälde, welche die Wände der königsberger Universität schmücken. Von verschiedenen hervorragenden Künstlern gemalt, stellen diese die vier Fakultäten vor, und zwar derart, daß die teologische durch die Szene wie Paulus den Athenern auf den Stufen eines Tempels predigt, die medizinische wie Hippokrates in Athen am Krankenbett einen Besuch macht, die juristische wie Solon Archonten und Senat von Athen die neuen Geseze beschwören läßt und die philosophische durch unser Bild versinbildlicht wird. Die übrigen acht Nebenbilder stellen dann ebensoviel Fächer der Philosophie dar und zwar die Poesie, Musit, Kunstgeschichte, Beredsamkeit, Naturwissenschaft, Geschichte, Matematik und Astronomie. Unsere Aufmerksamkeit wird jedoch in erster Linie in Anspruch genommen von dem vierten der zuerst genanten, welches wir hier bildlich vorfüren. Es sind die lezten Augenblicke des griechischen Weltweisen Sokrates , dessen Namen allen bekant und dessen Einfluß, sowol für die griechische Philosophie als auch für die viel späterer Zeiten ein sehr bedeutender gewesen ist. Als Son des Bildhauers Sophroniskos und der Hebamme Phänarete 469 v. Chr. zu Athen geboren, hatte er anfangs gleichfalls den Beruf seines Vaters erwält, verließ diesen jedoch ungefär in seinem dreißigsten Jare und wante sich der Jugenderziehung zu. Da sein Vater, wenn auch unvermögend, ein freier Bürger Athens war, so hatte Sokrates auch alle die Vorteile einer guten allseitigen Erziehung, wie sie von seiner Vaterstadt ihrer Jugend geboten wurde, genossen und sich dadurch zu diesem Berufe vorbereitet.
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Außerdem inischte er sich jezt unter das Volk auf den öffentlichen Pläzen, besuchte die Anstalten, wo gymnastische Uebungen getrieben wurden und knüpfte mit jedem ein Gespräch an, um sich über alles Wissenswerte zu unterrichten, bis er schließlich einen Kreis von Schülern um sich sammelte, die seinen belehrenden Worten lauschten. Wie jeder andere Bürger nimt auch er an den Kriegen teil, in die sein Vaterland verwickelt wurde. Durch seine Tapferkeit und die durch seine körperliche Abhärtung mögliche Ausdauer erregte er die Bewunderung seiner Mitbürger in den Schlachten bei Delium und Amphipolis . An den Staatsgeschäften nam er jedoch nicht mehr Anteil, als er als Bürger Athens die Verpflichtung hatte. Dabei bewies er aber im bürgerlichen Leben wiederum seinen Mut und scheute sich auch da nicht, die Warheit frank und frei zu sagen, wo er bei den Staatsmännern wie bei dem Volke Anstoß erregen mußte. Dieser Mut einerseits und anderseits der Umstand, daß er keiner politischen Partei angehörte, sind wol die Gründe, daß er von den zu seiner Zeit herschenden 130 Tyrannen keine Verfolgung zu erleiden hatte. Ueber das Wesen seiner Philosophie hier zu berichten, würde zu weit füren. Wir begnügen uns nur mitzuteilen, daß er seine Lehrweise in der Form der Unterhaltung ausübte und daß er sich im Gegensaz zu den Sophisten stellte und zwar nicht allein in seinen Anschauungen und Lehren, sondern auch darin, daß er seinen Unterricht unentgeltlich erteilte. Niedergeschrieben hat er seine Lehren nicht, erst Plato und Xenophon, seine bedeutendsten Schüler, haben dieselben der Nachwelt durch das geschriebene Wort aufbewart. Es mag befremdlich erscheinen, daß der Mann, dessen entschieden religiöse Lehren sich wesentlich gegen die philosophisch- materialistische Anschauung seiner Vorgänger richteten, schließlich wegen Gottesleugnung angeklagt und verurteilt wurde. Aber einmal waren es seine Widersacher, die Sophisten, welche er immer schonungslos angegriffen, die auf seinen Sturz hinarbeiteten, und das anderemal mag auch seine Lehre selbst der dominirenden demokratischen Richtung nicht behagt haben, indem sein Grundsaz: Erkenne dich selbst", sowie der daraus hervor vorgehende Schluß: Folge bei allen deinen Handlungen deiner Einsicht
Inhalt. Herschen oder dienen? von J. D. H. Temme( Fortsetzung). Gesellschaft, von C. Lübeck( Schluß). Erst das Küßchen!( mit Illustration.)
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und deinem Wissen" nicht der im Altertum herschenden Anschauungsweise und Gebräuche im Staatsleben entsprach. Genug, gegen Sokrates ward die Anklage erhoben, er verderbe durch seine Lehren die Jugend und leugne das Dasein der Götter. Anstatt die Mittel der Verteidigung zu benüzen, welche seine Freisprechung mit Leichtigkeit hätten herbeifüren können, soll er, getreu seinen Grundsäzen, anstatt sich von der Anklage zu entlasten, seine erbitterten Gegner von neuem angegriffen und dadurch das Schuldig des Gerichtes provozirt haben. Und als er nun nach dem damaligen athenischen Prozeßverfaren aufgefordert wurde, den Antrag auf Milderung oder Aenderung der Strafe zu stellen, da antwortete er unter anderem:„ Ich soll einen Gegenantrag stellen, was ich glaube verdient zu haben? Nach meinem Dafürhalten habe ich durch mein eifriges und uneigennüziges Bemühen, die Bürger weise und tugendhaft zu machen, dem athenischen Gemeinwesen solche Woltaten erwiesen, daß ich verdient habe, auf öffentliche Kosten im Prytaneion auf Lebenszeit unterhalten zu werden, wie die Olympiasieger und andere um das Ge meinwesen verdiente Männer." War das Schuldig vorher nur mit fnapper Majorität ausgesprochen worden, so wurde nach dieser Rede das Todesurteil mit großer Mehrheit gefaßt. Da gerade um diese Zeit das heilige Schiff zur järlichen Pilgerfart nach dem jonischen Religionsfest Delos abgefaren war, so mußte die Vollstreckung des Todesurteils auf 30 Tage verschoben werden. Wärend dieser Zeit brachte Sokrates gefesselt im Kerker zu und empfing täglich seine Schüler, mit denen er sich in der alten Weise in belehrenden Gesprächen unterhielt. Einen Plan zur Flucht, den wärend dieser Zeit einige seiner Freunde, namentlich der reiche Bürger Kriton entwarfen und mit Hülfe des beſtochenen Gefängniswärters ausfüren wollten, wies er zurück, weil es seine Lehren Lügen strafen und sein Leben schänden würde, wenn er nicht die Geseze seines Landes befolgte. Mit derselben Heiterkeit und der ungetrübten Seelenruhe, mit der er sein Todesurteil vernommen, trank er denn auch nach Ablauf der heiligen Zeit den Schirlingsbecher, Kriton noch zurufend: ,, Wir sind dem Gott der Heilkunde für meine Genesung einen Hahn schuldig! versäume nicht das Opfer darzubringen." Die lezten Augenblicke vor seinem Tode nun sind von dem Künstler, Prof. Dr. Piotrowski, auf unserem Bilde dargestellt. Denn schon wartet im Hintergrunde der Todesbote mit der Schale, die das tötliche Gift birgt. Der Schmerz der Umstehenden, binnen kurzem den geliebten Lehrer verlieren zu müssen, die erhabene Seelenruhe des leztern selbst sind vorzüglich dargestellt und das ganze ist sehr wol geeignet, die Philosophia zu versinbildlichen. Sollen wir noch des sprüchwörtlich gewordenen bösen Weibes des Sokrates, der Xantippe erwähnen, so können wir nur bemerken, daß die Zank- und Keiflust derselben größtenteils, wenn nicht ganz in das Reich der Fabel gehört.
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Aus allen Winkeln der Zeitliteratur.
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Eine billige Eiskifte. Man nimt eine Kiste, die beispielsweise 23 Zoll hoch und breit und 28 Zoll lang ist, und stellt in diese eine zweite Kiste, welche 18 Zoll hoch und breit und 24 Zoll lang ist. Den Zwischenraum an den Seiten und unten man richte es so ein, daß oben zwischen dem Deckel der kleinen und großen Kiste 11 Zoll Raum bleibt, füllt man mit einem billigen, schlechten Wärmeleiter, Häcksel, Torfpulver 2c. aus. Um das Verstäuben des Füllmaterials zu verhindern, verschließt man den Zwischenraum mit einer Leiste. Die Decken der beiden Kisten befestigt man mit einem Scharnier, sodaß sich dieselben bequem auf- und zumachen lassen. Ihren Zwischenraum füllt ein einfacher, matrazenartig gestopfter Sack aus grober Leinwand, der gleichfalls mit Hädsel, Torfpulver 2c. gefüllt ist. Zum Eisbehälter wält man ein Blechgefäß, das billigste ist jedoch ein blecherner Petroleumkanister, der jezt vielfach zum Versenden des Petroleums verwant wird und sehr billig zu haben ist. Er ist 6 Zoll breit und 132 3oll hoch und hat auf der oberen Seite einen Griff aus starkem Eisendrat. Man schneidet nun in den zwei Ecken der oberen Seite je ein Dreieck aus, sodaß in der Mitte ein Blechband mit dem Handgriff stehen bleibt, und füllt ihn, nachdem er mit Wasser ausgespült, mit Eis. Die Löcher find groß genug, um dazu große Stücke verwenden zu können; er faßt 10-13 Kilogramm Eis. Der von diesem Eisbehälter in der innern Kiste noch freigelassene Raum wird zum Aufstellen der Gegenstände, die gefült werden sollen, benuzt und zwar geschiet dies am besten, indem man darin ein zur Aufstellung geeignetes Lattengestell anbringt. Hat man das Eis und die Gegenstände hineingetan, so schließt man den innern Deckel, legt den oben beschriebenen Leinensack darauf und klappt auch den äußeren Deckel zu. Für alle, die sich nicht den teuren Eisschrank leisten können, dürfte diese mit geringen Mitteln herzustellende Eiskiste in den heißen Sommertagen ein treffliches Hülfsmittel bilden.
Roman von M. Kautsky( Fortsezung).
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Universitätsleben und Universitätsfreunde. Eine Erinnerung Der Selbstmord und seine Ursachen, von H. K.( Schluß.) Die Entstehung der Familie und der Städtebilder vom Bodensee , von Luise Otto ( II. Lindau ). Der Tod des Sokrates( mit Illustration).
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Wie man in Aegypten Steinkolen sucht. Aus allen Winkeln der Zeitliteratur: Eine billige Eiskiste.
Verantwortlicher Redakteur: Bruno Geiser in Gohlis - Leipzig ( Mödernsche Straße 30d).- Druck und Verlag von Franz Goldhausen in Leipzig .
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