und ich erkante bald, daß, wenn die anderen Türken ihm glichen, sie ganz gewiß ein viel kulturfähigeres Volk sein müßten, als sehr viele unserer christlichen Europäer, namentlich in Spanien , Italien , in einigen Departements von Frankreich und im namhaft größten Teile Irlands , daß aber die Türken den Südslaven an Kultur, Reinheit der Sitten und Herzensgüte bei weitem voran standen, davon hatte ich schon in früheren Zeiten die Ueberzeugung gewonnen.
Wenn selbst alles so wäre, wie es die Feinde der Türken behaupten, so sind doch diese allen Europäern in einer Beziehung überlegen. Sie haben keine abgeschlossene Aristokratie, die Würden vererben sich nicht von Generation zu Generation. Jeder Türke kann es bis zur höchsten Würde im Staate bringen, wenn er sich um denselben Verdienste erwirbt. Daß aber der Sultan in der Wal seiner Günstlinge nicht immer glücklich ist, dies ist bekantlich nicht nur in der Türkei so.
Ahmet Pascha ließ mir durch seinen Diener einige Teppiche geben, sodaß ich ein besseres Lager hatte, als ich erwartet, den Handschi aber bekam ich nicht mehr zu Gesicht, er mochte mir vielleicht grollen, daß ihm der Pascha meinetwegen eine etwas derbe Lektion gab, und ich sprach darüber'mit Osmin, dem Stallmeister des Pascha. Er lachte hell auf und meinte, der Jude sei die Prügel so gewönt wie ein Jagdhund und die par Schläge mit dem Pfeifenrohre seien Spaß gewesen. Ich wollte mich eben in den Sattel schwingen, um von Czervenibreg aufzubrechen, als Dsmin noch einmal zu mir fam, mit einem Auftrage seines Herrn; dieser ließ mich fragen, ob ich es nicht vorzöge, in seiner Begleitung bis Sultanköi zu reisen, möglicherweise würde er vielleicht auch bis Esti- Dschuma mir Gesellschaft leisten, dies hinge davon ab, ob er die Steuergelder so schnell einkassirte, wie in Ezervenibreg und in den übrigen Ortschaften seines Paschaliks. Obschon hierdurch meine Reise um einige Tage länger wärte und ich wußte, daß sowol Kossuth, wie auch Frau von Dembinska mich mit Schmerzen zurückerwarteten, so hielt ich es doch für angezeigter, vom Antrag des Pascha Gebrauch zu machen, denn dann litt ich keine Gefar, mich wiederum zu verirren, wie es mir schon geschehen war, da ich mich auf die Gutmütigkeit der bulgarischen Bauern, wenn ich mich bei ihnen nach dem Weg erfundigte, durchaus nicht verlassen durfte. Diese Leute waren boshaft genug, mir stets falsche Richtungen anzugeben, schon meine Honveduniform genügte, um ihnen Haß gegen mich einzuflößen, obschon sie unwissend genug waren, um von Ungarn und einer Revolution, die dort über ein Jar gewärt hatte, nichts zu wissen. Da ich mehrere slavische Dialekte sprach, namentlich serbisch und auch walachisch, aus welchen zwei Sprachen die bulgarische zu sammengesezt ist, und ich mich mit ihnen viel leichter verständigen fonte, als mit den Türken, so taten sie doch so, als ob sie mich nicht verständen, und ein bulgarisches Weib rief mir einmal zu, ich sollte ihren Mann prügeln, dies würde seine Zunge lösen.
Die Bulgaren selbst sind unter allen Bewonern der europäischen Türkei sowol in physischer wie noch viel mehr in moralischer Hinsicht das elendeste Volk und weder mit den Walachen des heutigen Rumänien , noch viel weniger mit den Serben, Bosniaken und Montenegrinern zu vergleichen, obschon sie vielleicht minder wild find als die lezteren. Ihre Tracht unterscheidet sich von der walachischen nur durch größere Zerfeztheit und Schmuz. Unter tausend Bulgaren erblickt man kaum einen halbwegs hübschen Mann, es sind kleine, hagere Gestalten, mit Säbelbeinen, nichtssagende Gesichter, mit dem Typus des tierischesten Cretinismus, nur dann und wann gleitet gleich einem unheimlichen Bliz ein Bug von Verschlagenheit, List, Falschheit und Tücke aus ihren kleinen zusammengekniffenen Augenlidern. Unter den Weibern, doch nicht auch unter allen, die das zwanzigste Jar überlebt, erblickt man hie und da recht hübsche Gesichter und auch einen schönen Körperbau, da jedoch die bulgarischen Mädchen in ihrem zwölften, ja sogar in ihrem zehnten Jare schon heiraten, so ist ihre Blütezeit nur sehr kurz, ja die meisten Bulgarinnen haben gar keine solche, sie verwelken, ehe sie zu blühen begonnen. Der Boden ist hier außerordentlich fruchtbar und üppig, namentlich in der Fläche, welche von einer Menge kleinerer und größerer Flüsse bewässert wird; noch mehr als zwei Dritteile des Landes liegen brach und dienen nur den Herden als Weide.
Wenn man nach den Dörfern komt, erblickt man hier weder Häuser, noch Gärten, noch Einzäunungen. Der Bulgare baut seine Wonung in eine Aushölung des Bodens, sodaß kaum ein Viertel des Dachstules hervorguckt; Schornsteine gibt es nicht, denn der Rauch steigt nach einer Deffnung im Dache, sodaß dieser
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trostlose Anblick einige Aenlichkeit mit der Solfatara im Königreiche Neapel hat; es ist eine rauchende, wellenförmige Ebene, one Bäume, und nur selten erblickt man als Staffage einen Menschen oder ein Haustier, denn diese lezteren befinden sich mit ihren zweibeinigen Genossen stets im Inneren der räucherigen, schmuzigen, zum Ekel übelriechenden unterirdischen Behausung.
Die Bulgaren haben sich noch niemals aus eigenem Antrieb gegen die Oberherschaft der Türken empört, die Aufstände, welche hier erst mehrere Jare nach dem Krimkriege stattgefunden, sind nichts als russisches Machwerk, und die Moskowiter brauchten viel Geld, um hier eine Revolution ins Leben zu rufen.
Ubicini gibt die Bevölkerung Bulgariens die Dobrudscha mit eingerechnet, auf 3 360 000 Seelen an. In Wirklichkeit ist Bulgarien beinahe doppelt so stark bevölkert. Es liegt aber sowol im Interesse der Paschas wie der jüdischen Steuerpächter, die Zal der Bevölkerung sehr gering anzugeben; im statistischen Bureau zu Konstantinopel war es nur mit einer Bevölkernng von 2 472 000 Seelen angegeben. Der General Stefan Türr, welcher Bulgarien in allen Richtungen bereiste, übertreibt nicht, wenn er die Zal der Einwoner Bulgariens auf 6 millionen anschlägt. Wenn die Regierung die Zal der Bevölkerung gekant hätte, würde sie die leztere wol höher besteuern, wie das auch andre Regierungen tun, mithin liegt sogar in diesem Misbrauch ein Trost für die Mittellofen.
Unsere Reise bis nach Eski- Dschuma ging viel schneller von statten, als ich geglaubt hatte, ich gewann sogar etwas dabei, denn Ahmet Pascha stach mein Engländer so in die Augen, daß er mir einen Tausch gegen seinen Araber anbot. Mir paßte der leztere besser, zumal wenn es sich bestätigte, daß wir nach Asien geschickt werden sollten, obschon ich andererseits mich von dem Tiere schwer trente, welches ich wärend des lezten Teiles unseres Feldzugs geritten hatte. Es war aber für meine sehr sorgwürdigen Verhältnisse ein allzu guter Handel, denn er zalte mir noch 20 Dutaten dazu.
Vor Esti- Dschuma trente ich mich von Ahmet Pascha; von hier war es nicht mehr so weit nach Schumla, und 24 Stunden später traf ich dort ein.
Ich berichtete Kossuth über meine Zusammenkunft mit Ahmet Pascha, so wie ich ihm auch die Ratschläge, die er der Emigration gegeben hatte, mitteilte.
Ahmet Bascha hat recht, und ich will seinem Rate folgen," sagte Kossuth .
Meine Verbannungsgefärten befanden sich in Schumla sehr wol. Alle Offiziere erhielten von den Türken eine monatliche Gage, je nach ihrem Range, den sie in der Honvedarmee bekleidet, die geringste war 500 Piaster pro Monat( etwa 27 Taler), Kossuth und Casimir Batthyany, ferner die Generäle Bem, Dem binski, Perezel, Guyon, Meszaros, Stein und Amethy erhielten zwischen 8000-13000 Piaster monatlich( ein Piaster etwa 16 Pfennige).
So war der erste Eindruck, den der Aufenthalt in der Türkei auf mich gemacht, ein nicht unangenemer, und er sollte durch die Länge der Zeit nicht abgeschwächt werden. Alles in allem war der erste Eindruck, den der Aufenthalt in der Türkei auf mich hervorgebracht, keineswegs ein ungünstiger. Die noble Art, mit der die Türken uns Verfolgte unter ihren Schuz namen, die Imannigfachen anderen guten Charaktereigenschaften, welche ich noch wärend späteren Verkehrs an ihnen immer von neuem bewärt sah, befestigte in mir die Ueberzeugung, daß es ganz falsch ist, wenn man von den Türken als von einem gänzlich kulturunfähigen, verkommenen Volke spricht. Die abendländische Kultur ist ihnen zu roh und wird sich ihnen nur sehr teilweise und oberflächlich und vor allen Dingen sehr allmälich aufpflanzen lassen, aber wenn einmal aus den Reihen der Muhamedaner selbst eine Anzal einsichtiger und einflußreicher Männer entstände, welche mit Energie und tiefeindringendem Verständnisse eine Reform der orientalischen Kultur von innen heraus in Angriff näme, dann würden die Türken sicherlich Civilisationsresultate zu verzeichnen haben, welche neben den Errungenschaften des modern europäischen Geistesfortschrittes gewiß ebenbürtig anerkant würden.
In dem Leben der Völker wie der einzelnen wirken zuweilen gewisse äußere Impulse zur Ueberwindung geistiger Trägheit und Stagnation ungemein segensreich. Im Interesse von meinem alten Herzen nahe stehenden Herzensfreunden aus der Revolutionsnot von 1849 will ich wünschen, daß der jüngste russische Krieg samt seinen für die Türkei furchtbaren Folgen solch ein Moment des Anstoßes und der Aufrüttlung gegeben haben möge.