-

,, Die Diva, Aïda; sie hat soeben nach Ihnen gefragt?" Nach mir?"

,, Freilich, sie wartet auf Sie, gehen Sie nur schnell." Friz drete sich um und schritt rasch über die Büne und durch das Türchen, das der voraneilende Meandro bereits geöffnet und nun mit tanti saluti" und der Miene eines Satirs hinter ihm schloß.

"

Die Bagaglia und die Blumen, die Mädchen und der Diener waren glücklich in der einen Gondel untergebracht, die sich soeben entfernte.

Elvira hatte in der zweiten Plaz genommen; in ihren Mantel gehüllt, hatte sie sich tief in das schwellende, mit schwarzem Plüsch überzogene Kissen gedrückt; der Gondolier wollte soeben abstoßen, als Friz die Stufen herabkam und, seinen Hut lüftend, die Sig­nora begrüßte.

,, Wie, Sie faren allein? würden Sie es mir wol erlauben, Sie nachhause zu bringen?"

,, Gerne," sagte sie. Er sprang in die Gondel und sezte sich neben sie.

543

Die Gondel drete sich; der Gondolier, vorne an der Poppa stehend, handhabte das lange Ruder mit ungemeiner Leichtigkeit und Grazie, mit dem Körper jedem Stoße desselben nachgebend. Das Farzeug entfernte sich von der Fenice und schoß rasch und geräuschlos durch die engen Kanäle dahin. Die Luft war schwül; ein feiner Duft lag über dem Wasser; der Mond, der sein Voll­werden schon überschritten, war noch nicht über den hohen Ge­bäuden heraufgekommen, und alles um sie herum war in Dunkel und Schweigen gehüllt, in dämrige, einsame Lieblichkeit. Unwill­fürlich hatten die beiden ihre Stimmen gedämpft, sie sprachen leise mit einander. Von gleichgültigen Dingen nur, nichts vom Teater, nichts von ihrem gemeinsam errungenen Erfolg, und doch gab sich in ihren Stimmen eine seltsame Bewegung kund, und in der milden Luft erklang ihr Flüstern wie Musik. Und dann schwiegen sie beide und blickten um sich, weil sie sich nicht anzusehen wagten. Und sie empfanden den fremdartigen Reiz und den in alle Sinne sich einschmeichelnden Zauber Vene­ digs , one daß sie es wollten, one daß sie es wußten. Sie horchten hinaus in die Nacht, nach den Geräuschen, die, aus weiter Ferne herüberkommend, ihr Dr erreichten. Es sang in den Lüften, in abgerissenen Tönen, die in dem sanften Winde anschwellten und verwehten, und dann kam ein dumpfes, langgezogenes Rauschen daher: der Pulsschlag des Meeres.

Und jezt kamen sie um die Ecke, um nach dem Kanal Grande hinauszufaren. Già è!" ertönte der Avertissementruf des Gon­doliers. Sia stai" scholl es in ebenso melodisch gezogenen Lauten ihnen entgegen. Der Gondolier für links noch dichter an die Häuser, und da schoß schon eine zweite Gondel von rechts ihnen entgegen. Die zwei großen und breiten Farzeuge kamen so dicht aneinander vorüber, daß Elvira, einen Zusammenstoß voraus­sehend, sich gegen Friz wante; beruhigend ergriff er ihre Hand. Aber schon waren die Gondeln wieder auseinander gekommen, und sie verfolgten die entgegengesezten Richtungen. Friz hielt noch immer die kleine, weiche, entblößte Hand in der seinen.

Sie befanden sich nun im Kanal Grande . Welch großartiges phantastisches Bild! und der Mond, der aus dem Meer langsam emporgestiegen, beleuchtete es mit seinem sanften, weitenden und geheimnisvollen Lichte. Die nahen Paläste zu beiden Seiten warfen ihre dunklen Refleye in das Wasser, und da schien es, als läge in der Tiefe eine zweite versunkene Stadt, aber weiter draußen, in der Lagune, da war alles dicht, und alles weitete sich in un­bestimter bläulicher Helle; und Himmel und Wasser schienen in einander geflossen und über die Wellen, die vom Meere herein wogten, glizerte der helle Mondenstral und hüpfte in flimmender Bewegung von einer zur andern, einen langen und breiten Reflex im Wasser bildend. Und die Gondel wiegte sich in sanfter, schaukelnder Bewegung über der monddurchwebten schweig­jamen Flut.

In dem Herzen der beiden quoll es auf wie in unsäglicher Wonne. Sie schwelgten in diesem Nachtbilde, und sie schwelgten einer in der Nähe des andern. Sie furen schräg über den Kanal hinüber; das Fondamento Venier mußte sogleich erreicht sein,- sie wußten es nicht, sie sahen es nicht. Da drang aus dem Garten Elviras durch die dämmerige Nacht der Schlag einer Sie Nachtigall. Das flang so sehnsuchtsvoll, so liebeskrant.- lauschten ihm beide. Ein Seufzer kam über die halbgeöffneten Lippen Elviras. Friz verspürte den süßen Atem, der ihrer Brust entstieg, und es überflutete ihn.

,, Es ist so schön!" stammelte er, one zu wissen, was er sagte. Sie wollte antworten, ihre Lippen bewegten sich, aber nur ein Schluchzen, ein leises, krampfhaftes Schluchzen ward vernem­bar, da fülte sie seine heißen, brennenden Küsse auf ihren Händen.

-

-

-

er

Friz sah nicht mehr nach der mondbeschienenen Ferne, er beugte sich zu ihr nieder in leidenschaftlicher Zärtlichkeit, suchte ihre Augen, diese schönen, weinenden Augen. Sie warf mit einer wilden Bewegung sich an seine Brust, sie legte den Kopf an seine Wange, und er füßte das feuchte, schwere Har, in dem der Hauch des Meeres lag, und er füßte ihre Augen, die überströmten von seligen Tränen, und er suchte ihren Mund, dem jener heiße und doch so süße Odem entstieg,- da, ein leichter Stoß die Gondel hatte an der Quaimauer angelegt. Sie sprangen auf in unendlicher Verwirrung, fast taumelnd. Das Farzeug schwankte start. Elvira eilte nach vorne, wo der Gondolier stand, der die Gondel festgemacht und sich ihnen nun zuwendete. Er wollte der Signora beim Aussteigen behülflich sein, aber Friz war ihr nachgeeilt, und sie umfassend, schwang er sich mit ihr auf die Terrasse.

-

-

-

-

Einen Augenblick standen sie hier,- sie sollten sich trennen, der Mond, der sie sie konten es nicht, sie sahen sich an, mit seinem hellen Lichte umfloß, zeigte ihnen die heiße Glut ihrer Wangen und ihre feuchten, glänzenden Augen. Was verrieten sie nicht, diese Augen! Sie faßten sich wieder an den Händen, fester, bewußter, glücklicher noch. Das Gitter war offen, sie traten durch dasselbe in den Garten. Sie wandelten den dunklen Lauben­gang entlang, durch den das Mondlicht sich nur schüchtern stal. es sang Und wieder begann die Nachtigall ihr Liebeslied, Lust und Leid ihres eignen Herzens und fand ein Echo in den Herzen der andern. Es drängte zu einem Geständnises ent­hielt es schon fast. Nur einzelne, abgerissene, geflüsterte Worte wurden getauscht. Sie kamen nach dem Rosenbosket und sezten sich zusammen auf das kleine Rorsopha. Der Mantel war von ihren Schultern gefallen, das weiße Kleid blinkte ihm entgegen, es verriet ihm den vollen, in Schauern erbebenden Körper.

-

-

Sie hatte ihn immer geliebt, und nur ihn, er wußte es; es schien ihm, daß er es immer gewußt, aber niemals hatte es ihn so stolz gemacht wie in diesem Augenblicke, niemals ihm jene übermächtige Empfindung des Glückes gebracht, jenen Rausch des Entzückens und eines stürmischen, alles übertäubenden Verlangens.

,, Ist es ein Traum, Friz?" fragte sie ihn, und sie sah zitternd, bangend, tief errötend zu ihm auf. Ist es eine selige Täuschung?" ,, Es ist Warheit," rief er, ich liebe dich!" Er rief es mit all' der Kraft, die wilde, plözlich entfesselte Leidenschaft verleiht. Lachend und weinend lag das schöne Weib in seinen Armen.

Eine Weile sprachen sie nichts; es war ja alles so klar ge­worden zwischen ihnen, unumstößlich erschien es ihnen; dann begann sie leise, aber bestimt:

,, Wir werden nicht hier bleiben, wir gehen nach Amerika . Ich habe einen glänzenden Antrag erhalten; in einem Jare werde ich mir ein Vermögen ersungen haben. Du begleitest mich, - dein Engagement wird zugleich mit du bleibst bei der Büne, dem meinigen abgeschossen, du willigst ein, nicht war?" Sie streckte ihre Hand nach der seinigen aus, die ihr mit einem Druck alles bekräftigen, den Vertrag besiegeln sollte. Ein großer Brillant blizte ihm in dem darauffallenden Mondlicht von dieser Hand entgegen; er fur jäh zurück, und als hätte sich diesem jungen Glück und seiner Erfüllung plözlich etwas verhaßtes und unbesiegbares entgegengestellt, rief er in heiß aufquellendem Zorn: ,, Und er und Hellenbach?!"

-

Sie zuckte zusammen wie unter einem Streich, der unerwartet getroffen, und tief; ein Laut des Schreckens löste sich von ihren Lippen, kurz und schrill; zugleich für ihre Hand nach seinem Munde, als müsse sie jedes fernere Wort gewaltsam hindern.

-

,, Schweig, schweig! Sprich nicht seinen Namen aus, wenn in Reue!" Sie du nicht willst, daß ich vergehe in Scham warf sich gegen die Lehne zurück, die schöne Gestalt sank in sich zusammen und sie schlug beide Hände vor ihr Gesicht.

Es lag etwas so wares, tief erschütterndes in diesem wild aus­brechenden Schmerz, der dies soeben noch in Seligkeit erzitternde Wesen erfaßt hatte, daß Friz in einem abermaligen Umschwung der Gefüle sich zu ihr neigte, in zärtlicher Beruhigung sie um­faßte: ,, Elvira, vergib mir!" bat er.

( Fortsezung folgt.)