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Männer 300 Jare lang aus, bis nämlich die neuere Zeit andere anzal verteilten. Die Landammänner wurden in der Gemeinde­Geseze und Ordnungen brachte. versamlung, die Richter hingegen durch Walkommissionen järlich am Dreikönigstage ernant. Die Appellation ging von einem dieser Gerichte an das andere. Das gemeinschaftliche Kriminal­gericht bestand aus einem Podestà und achtzehn Richtern, und zwar war bei der Wal des Podestà jedes der beiden Civilgerichte einen Vorschlag zu machen berechtigt. Zu dem lezteren Zwecke versammelte sich am Neujarstage im Rathaus zu Vicosoprano , der ,, Curia vallis Braegagliae", eine Walkommission. Um einen von den Vorgeschlagenen zu wälen, verfur man so, daß man einen Kreis auf den Tisch zeichnete, dann zwei Haselnußstäbchen in einem Hute schüttelte und sie auf den Tisch warf. Derjenige, dessen Stäbchen im Kreise lag, ward Podestà; lagen aber beide in oder außer demselben, so wiederholte man jenes Verfaren. Gegen die Urteile des Kriminalgerichts konte nicht appellirt werden. Die Bußen fielen den einzelnen Mitgliedern des Gerichts zu, eine Einrichtung, die insofern einen großen Uebelstand zur Folge hatte, als man in dem Falle, daß keine Prozesse zur Verhand­lung anhängig gemacht waren, nicht blos wirkliche, sondern auch angebliche Bergehen und Verbrechen ausfindig zu machen wußte. Diese Art der Rechtspflege bestand bis ins neunzehnte Jarhundert, bis nämlich im Jare 1854 eine neue Stantonsverfassung( der Freistaat Bünden, der bisher nur Bundesgenosse der Schweiz ge­wesen war, im übrigen aber sich selbständig behauptete, hatte sich im Jare 1803 mit noch fünf anderen den alten 13 eidgenössischen Kantonen angeschlossen und befindet sich bekantlich seit 1815 in dem durch den Ausspruch der europäischen Mächte gebildeten Bunde der 22 Kantone, welcher in diesem Jare beschworen wurde) auch neue Kantonsgeseze mit sich brachte und damit eine unpar­teiischere Rechtspflege gewärleistet worden war.

Wir schließen hieran einige Mitteilungen, wie sich die Rechts­pflege in früheren Zeiten in Bergell gestaltete. Von altersher gab es dort eigene Krimiral- und Civilstatuten, die gegen Ende des 16. Jarhunderts einer Revision unterworfen wurden. Die ersteren dienten z. B. dazu, zum Kirchenbesuche zu zwingen, elterliche Rechte zu schüzen, bei Differenzen zwischen Geschwistern Schiedsgerichte anzuordnen u. s. w. Unzüchtige Weiber wurden öffentlich am Halseisen ausgestellt, Männer aber in diesem Falle mit Geldbußen und Verlust der Ehrenrechte gestraft, Mörder gerädert oder enthauptet, unbedeutende Diebstäle mit Tortur, Abhauen des Ohres oder der linken Hand, größere dagegen bei Männern durch Erhängen, an Frauen durch Ertränken bestraft. Das altertümliche Rathaus zu Vicosoprano , wo die Kriminal­behörde des bergeller Tales ihre Sizungen abhielt, zeigt noch heute einen runden Anbau, worin die Marterkammer" sich be­fand. In der lezteren sind übrigens auch nicht wenige Opfer jenes finsteren Herenwahns gefoltert worden, der im 16. und 17. Jarhundert im Bergell waltete, und noch jezt kann man dort viele Protokolle lesen über Herenprozesse" der greulichsten Art. Unweit des Dorfes Vicosoprano stet auch noch der Galgen, an welchem in jenen Zeiten die Verbrecher aufgeknüpft wurden.- Weiteren Bestimmungen der bergeller Rechtsstatuten zufolge durfte unter anderm fein Bergeller außerhalb des Tales Zeugnis ab­legen, neue Bürger fonten nur mit Einstimmigkeit aufgenommen werden u. s. w. Die zwei Civilgerichte, welche sich in Ober­und Unterporta befanden, sind wol zu der Zeit ins Lebens ge­treten, als das Tal vom Bischof, unabhängiger wurde. Jedes derselben sezte sich zusammen aus einem Landammann und 14 Richtern, die sich auf die Gemeinden je nach deren Bevölkerungs­

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Die Zuname der Blizgefar und ihre mutmaßlichen Ursachen.

Man hört oft über etwaige Veränderungen im meteorologischen Durchschnittszustand, die eine Gegend innerhalb einer längeren Periode erlitten haben soll, mit sehr schwachen Gründen streiten. Es sind meistens nur die Erinnerungen an Eindrücke, die jemand in der Jugend von einigen sehr falten oder heißen Perioden behalten hat, die zur Auf­stellung der Behauptungen veranlassen, bald daß wir mildere oder Käl­tere, bald daß wir heißere oder fülere Sommer erhalten hätten, ebenso aller Möglichkeiten inbezug auf feuchte oder trockne Jareszeiten; für die Kombinationen dieser verschiedenen Eigenschaften beider Hauptjareszeiten bleibt dann auch noch ein weiter Spielraum!

Auf etwas solidere Grundlage, nämlich gestüzt auf meteorologische, in Zalen niedergelegte Beobachtungen, ist nun neuerdings der Physiker W. Holz an die Beantwortung der Frage gegangen, ob gegen frühere Perioden eine Zuname der Anzal von Gewittern und ob eine Zuname der Blizgefar stattgefunden habe! Unter Blizgefar will Holz ,, den Quotienten aus der Blizschlagzal und der Anzal der Gebäude" ver­standen wissen. In Wiedemanns ,, Annalen der Physik und Chemie" hat der genante Forscher die wesentlichen Resultate bekant gemacht, deren vorzugsweise Mitteilung allgemeines Interesse erregen dürfte.

Schon vor Holz war diese Frage nicht unberücksichtigt geblieben. Im Jare 1869 stellte von Bezold einen Vergleich zwischen der zunemenden Häufigkeit der Gewitter und der der Blizschläge im Königreich Bayern diesseits des Rheins an. Diesem Vergleich lagen einerseits zwei Reihen Gewitterbeobachtungen in gedachtem Gebiet, andererseits die Daten über Blizschläge der dortigen königl. bayrischen Versicherungsanstalt zugrunde. Es ergab sich daraus für die neuere Zeit eine entschiedene Zuname; und da sich zwischen der Häufigkeit der Gewitter und der Blizschläge noch anderweitige Uebereinstimmungen konstatiren ließen, so glaubte v. Bezold schließen zu dürfen, daß die fragliche Zuname der lezteren nur auf der Zuname der ersteren beruhe. Dieses Ergebnis gewann noch dadurch an Interesse, daß einige Jare früher schon Kuhn, gestüzt auf eine Reihe Gewittertabellen, die Vermutung ausgesprochen hatte, daß die Häufigkeit der Gewitter in großen Zeitabschnitten gesezmäßig periodischen Schwankungen unterworfen sei. Es wurde darauf auch für das Königreich Sachsen, für Schleswig- Holstein nnd die Provinz Sachsen eine Zuname der Blizschläge an Gebäuden nachgewiesen. Da jedoch in diesen Fällen feine Beobachtung der dort gleichzeitig stattgehabten Anzal von Gewittern geschehen war, so konte die Bezold'sche Anname feine Bestätigung durch Vergleich erfaren.

Holz machte sich also daran, festzustellen, ob wirklich eine Zuname der Blizschläge im allgemeinen anzuerkennen sei und ferner, ob die wirkliche Ursache vorwiegend in meteorologischen oder nicht vielmehr tellurischen Ursachen zu suchen sei. Nach Entscheidung dieser Fragen ließ sich erst übersehen, wie sich die Sache in Zukunft gestalten wird. Holz sammelte also zunächst ein möglichst reichhaltiges und zu anologen Vergleichen geeignetes Material, das er in zwei gesonderte Tabellen zusammenfaßt, in eine über die Zu- oder Abname der Gewitter und

( Schluß folgt.)

in eine andre über Zu- oder Abname der Blizgefar. Der ersten Ta belle liegen die Daten meteorologischer Stationen, der zweiten die von Versicherungsanstalten zugrunde. Natürlich wurden überall nur solche Daten verwant, die in zeitlicher Beziehung für hinreichend einheitlich anzusehen waren.

Zu- und Abname der Gewitter nach dem ersten und lezten 4järigen Mittel

Gebiet Westdeutschland Ostdeutschland

( das erste Mittel gleich 1 gesezt):

seit 1854 ſeit 1862 seit 1870

berechnet nach

1,15

1,35

1,05

20 Orten.

0,97

1,15

0,88

15"

Norddeutschland

1,1

1,31

0,97 23"

Süddeutschland

1,04

1,21

1,00

12

Deutschland überhaupt

"

1,07

1,27

0,98 35

" 7

0,88

0,79

1,00

0,97 7 1,03 2"

"

Desterreich Schweiz

Die Zu- und Abname seit 1870 wird für Gesamtdeutschland nach 54, für Desterreich nach 21 Orten berechnet.( Zum Verständnis der Ta­belle sei noch bemerkt, daß der ganze Beobachtungszeitraum von 24 Jaren, von 1854-1878, in drei 8 järige Perioden und diese in je 4 järige Wenn Hälften geteilt sind, welche unter einander verglichen werden. also z. B. die erste Zal seit 1854 für Westdeutschland als 1,15 ver­zeichnet sind, so heißt das, daß von 1858-1861 fünfzehnhundertstel mal mehr Gewitter niedergegangen sind, als von 1854-1857; in den­selben Jaren aber in Ostdeutschland , Bal 0,97, dreihundertstel mal weniger.)

Gebiet

Bu- und Abname der Blizgefar nach dem ersten und lezten 4 järigen Mittel: seit 1854 seit 1862 seit 1870 berechnet nach 1,05 11 Ländern. 1,45 5" 1,26 8 0,99

Westdeutschland Ostdeutschland Norddeutschland Süddeutschland Deutschland überhaupt Desterreich Schweiz

2,51

2,69

"

1117

2,64

2,86

2,67

2,85

2,75

1,75 2,07

2,84 2,11 2,57 1,24 1,83

8

1,12 16 1,06 2 1,12 4

"

Die Zu- und Abname für Gesamtdeutschland wird seit 1870 für 25 Länder berechnet. Aus seinem gesamten Material schließt nun Holz: Vergleichen wir nun beide Tabellen, so stellt sich die Zuname der Ge­witter äußerst gering und schlägt häufig sogar in eine Abname um, wärend sich die Zuname der Blizgefar überraschend groß stellt und sich in feinem einzigen Falle in eine Abname verwandelt. Schon hieraus dürfen wir schließen, daß die Zuname der Blizgefar nur zum geringsten Teil meteorologischen Einflüssen zuzuschreiben ist. Noch deutlicher aber erkennen wir das aus dem Umstand, daß die Zuname der Blizgefar in dem Maße größer wird, als die verglichnen Jare sich von einander entfernen, wärend das durchaus nicht für die Zuname der Gewitter gilt, welche sich umgekehrt seit 1854 im ganzen geringer stellt, als seit 1862.