,, Mach mir jezt auf!" rief er dann.
,, Da, da, da, damit du mich umbringst? O no!"
,, A, la poltrona, jezt fürchtet sie sich; aber warum bist du auch so na, du wirst es schon büßen!" Er drote ihr mit der Faust. Deine Zwiebel sollst du zurückhaben."
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Sie nam eine demütig ängstliche Miene an.„ Di, Cencio, lieber Cencio, verzeihe es mir, und ich will sie nicht zurückhaben, bringe mir lieber eine frische."
,, Vor allem machst du mir auf." ,, Wenn ich mich aber fürchte."
,, Das get mich nichts an; ich habe eine Kommission an den Patrone, und wenn ich sie nicht rechtzeitig ausfüre, wirst du die Verantwortung zu tragen haben."
Ich versichere dich, mein teurer Cencio, die Zwiebel ist mir ganz unversehens aus der Hand gefallen, ich kann nicht begreifen, wie ,, Wie sie mir mit solcher Wucht gegen die Nase plazen konte? Ich werde dir's schon erklären."
,, Cencio!" flete Domenika in einem plözlich ganz untertänigen und jämmerlichen Tone.
Er lachte laut auf. Aber das gab ihr sogleich all' ihren Mut wieder und all' ihre Keckheit. Er hatte es nicht allzu übel genommen, sie merkte es mit Entzücken, und mit einer verheißungsvollen Geberde und einem verheißungsvolleren Blick rief sie: ,, Ich komme!" Und sie stürzte hinweg und sprang die Treppe hinab. Es dauerte eine Weile, ehe Cencio herauffam und ehe die oftgeküßte Domenika, um einige Küsse reicher, hinter ihm dreintänzelnd, nur ungern sich in die Küche zurückbegab.
Da Alfred schon in seinem Atelier arbeitete, trat Cencio sogleich in dieses und übergab ihm einen Brif, den Tonio, der alte Diener de Vitas, ihm an der Ecke für Herrn Depauli eingehändigt hatte.
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Alfred erkante die Schriftzüge Juannas. Er hatte ihr gestern geschrieben, hier war die Antwort. Er öffnete hastig und las: „ Mein Freund! Es ist fünf Uhr morgens, ich bin im Ballanzuge, ich komme von der Soirée des Gesanten, ich füle mich ungestüm erregt, voll Mut und Energie,- dann scheint es mir wieder, ich sei tief erschöpft; ach ja, ich fiebere. Aber seit gestern auch, welche Stürme, und Sie wissen von nichts! Mein Bruder hatte Ihre Besuche verbeten; Sie machen mir Vorwürfe darüber und tadeln mein Stillschweigen. Was konte ich tun? Ich wartete. Es mußte doch bald zu einer Entscheidung kommen, und es drängte auch alles dazu. Gestern verlangte Tomaso, ich solle mich mit Ernesto Giuliano aussönen, er befal es mir. Ich schrieb an Ernesto und bat ihn zu mir. Er fam. Ich war aufrichtig, ich sagte ihm alles. Ich sagte ihm, daß ich ihn achte, daß ich ihn nicht liebe, und ich bat ihn, mir zu verzeihen. Nie war ich ihm so herzlich gut gewesen, als in diesem Augenblick, wo ich mit einer Träne im Auge ihn anflehte, mich zu vergessen. Aber er, der anfänglich ruhig und gelassen geschienen, tobte nun in einem Anfall wilden Zornes und er ließ sich zu ungerechten Anschuldigungen hinreißen, zu maßlosen Drohungen selbst. Welche Szene! Und Tomaso und meine Mutter standen an seiner Seite, sie namen gegen mich Partei, sie wollten nicht erkennen, daß mein früheres Verhalten, das ich selbst am bittersten verurteile, eine Lüge war, daß meine jezige Handlungsweise das einzige ehrliche Mittel ist, uns vor später Reue, mich vor einem Verbrechen zu bewaren. Sie überhäuften mich mit Schmähungen. Aber wenn man sich von allen verlassen siet, dann erwacht in dem Gefüle seines Rechts eine unglaubliche Kraft. Sie wollten mich einschüchtern, sie erbitterten mich nur, und auch ich fante keine Rücksicht mehr und keine Schranken, und ich sagte mich losvon allem. Ich bin ausgestoßen ich habe mich selbst erpatriirt. Was liegt mir daran! Was liegt mir an dieser ganzen Welt voll Erbärmlichkeit!! Und doch Genie, Kraft, Wille, Glück, Genie, Kraft, Wille, Glück, ich will dran glauben! Nein, ich bin nicht lebensmüde, nicht kampfesmüde; ich liebe noch die Menschen, ich habe noch Vertrauen zu mir selbst, aber ich bin verwirt, verstört, exaltirt!- Ich war beim Gesanten. Ich mußte hin, troz meiner Erregung, troz des Widerwillens, unter fremden Menschen mich zu finden und lächeln zu müssen. Aber der Gesante reist morgen nach Rom zurück, und er wollte mich sprechen, er will mir Arbeit geben; ich muß jezt erwerben, und so geboten die Verhältnisse, dieser Einladung Folge zu leisten. Man war sehr liebenswürdig gegen mich. Die Bianca war nicht erschienen, und all' die das durch freigewordene Ueberschwenglichkeit ergoß sich über mich. Der Graf weshalb fürchte ich denn nur, ich sei ihm zu meinem
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Schaden wieder begegnet?- gab sich so ehrlich, zeigte sich mir treu ergeben. Er will mir alle Beachtung angedeihen lassen und alle Förderung,- kurz, es ist entschieden, ich gehe nach Rom . Es soll mir eine bedeutende Arbeit zugeteilt werden; ich freue mich darauf. Sie schreiben mir, auch bei Ihnen seien Bestellungen gemacht worden, auch Sie wollen nach Rom ; ist's möglich? Sie wären also entschlossen, meinem Rate zu folgen, und bald? Sie bitten mich dringend um eine Unterredung. Kann ich sie Ihnen gewären? Aber Sie sind mein Freund, der einzige, den ich besize, nun denn, ich will Sie sprechen, noch ehe ich gehe, und ich gehe heute noch. Ich werde in aller Stille und heimlich das Haus verlassen; ich will keine neuen Auftritte herbeifüren. Ich werde heute Abend in Murano sein, von dort fare ich nach Mestre . Ich will, Ihrer Bitte nachgebend, Sie an dem Orte finden, wo wir uns das leztemal getroffen: auf unsrer Vigna; Sie wissen ja, mein Campo santo! Die Sonne get auf, für mich begint mit diesem neuen Tage eine neue Zeit, meinen Ideen, ernsten Studien- der Kunst geweit. Wie mich's durchströmt! Welch' ein Tätigkeitstrieb erwacht in mir, welch' ein Schaffensdrang! Das ist wares Leben! Aber es ist wol auch der Anbeginn von neuen Kämpfen, von schlimmeren Erfarungen noch?! So isolirt zu stehen, verlassen, nicht allein von der Familie, nein, auch vom Staat, auch von der Gesellschaft, es ist nichts kleines, aber, ich hab's gewagt! Ich erwarte von Ihnen ein Wort der Ermutigung; Sie verstehen mich, Sie werden mich nicht wankend machen wollen, Sie nicht. Ich habe alles wissend auf mich genommen. Ich glaube an mich, allem Auf zum Troz, und dieser Glaube ist etwas allgewaltiges! Wiedersehen also! Ah, mich fröstelt!"
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Alfred hatte schon lange zu Ende gelesen, und immer noch sahen seine Augen mit einer Art Verzückung auf diese Zeilen, die ihm den reichen Geist, die pikante Eigenart, die starke Seele dieser Frau vergegenwärtigten, die er, er verhelte sich's nicht länger, die er anbetete, zu der er bereits alles, was ihn selbst berürte, in Beziehung brachte, sowie hinwieder alles, was sie betraf, tief in sein Gemütsleben eingriff. Und so hatte sie denn dies verhaßte, auch ihm verhaßte Band gelöst, und sie wurde nicht die Gattin dieses Italieners. Es war eine triumphirende Freude, die ihn darob erfüllte. O, es tut so gut, zu wissen, daß auch einem andern nicht gegönt ist, was einem selbst, leider, versagt bleiben muß. Und diese Aussicht, mit ihr nach Rom zu gehen, an ihrer Seite zu arbeiten, von ihr erfrischt, angeregt, begeistert, war es nicht ebenfalls ein großes Glück, mußte er sich nicht damit zufrieden geben? Ein vorläufiger Abschluß seines Wünschers und Strebens dünkte es ihm, eine Erfüllung von all' dem, was ihn in der lezten Zeit gepeinigt hatte.
Herannahende Tritte störten ihn in seinen Betrachtungen, brachten ihn wieder zu sich selbst und zum Bewußtsein seiner häuslichen Verhältnisse. Aber es war kein Gedanke der Schuld, der seine freudige Erregung dämpfte, es war nur der Gedanke, zu verbergen, was die Veranlassung dazu gegeben. Rasch wollte er den Brif in seine Brusttasche schieben, aber er besann sich eines bessern. Er legte ihn zu einem Fidibus zusammen und zündete ein Licht an.
Die Schritte waren über den Korridor näher gekommen, es mußte Friz sein. Er nam eine Cigarre, und mit einer gewissen überlegenen Ruhe entzündete er sie mit dem hell aufflammenden Fidibus. Die Tür ward in diesem Augenblick geöffnet und Friz trat ein.
Alfred wante sich ihm lächelnd entgegen, die Cigarre im Munde, das noch immer brennende Papier in der Hand; er ließ es bis gegen die Finger herab verkolen, dann warf er das winzige Restchen auf den Boden.
,, Salute," rief er laut und in fast übermütiger Frölichkeit dem Freunde entgegen ,,, du Löwe des Tages, du Held von gestern Abend, ich habe dir zu deinem großartigen Erfolg noch garnicht gratuliren können. Meinen aufrichtigsten Glückwunsch, Herzensbruder." Er ging auf den Freund zu und drückte ihm kräftig die Hand.
Als in diesem Augenbick die beiden jungen Männer einander gegenüberstanden, schien es, als hätte jeder das Wesen und Naturell des andern gegen das seine umgetauscht.
Alfred war heiter und aufgeweckt, voll Frische und glücklicher Zuversicht; Friz blaß und ernst, die Stirn leicht gefurcht, das Auge düster, halb geschlossen, wie in Ermüdung. Er antwortete mit einem gezwungenen Lächeln, er tat einige Fragen, nam dann ebenfalls eine Cigarre und stellte sich an das geöffnete Fenster.