570
Das Opfer einer geistlichen Intrigue.
Eine Historie aus der Zeit der Hexenprozesse, von J. H.
Johann Mignon gab noch nicht alle Hoffnung auf. Er sah, daß er politische Leidenschaften in das Getriebe hinein ziehen mußte, und nur zu bekant war ihm, wie sehr der damals allmächtige Minister Frankreichs , der Kardinal Richelieu jeden, der nur irgendwie seiner Person zu nahe getreten war, mit Erbitterung verfolgte. Darauf baute er seinen neuen Plan, als eine Kreatur dieses Mannes, der Requettenmeister von Laubardemont in Loudun erschien, als Haupt einer Kommission in Diensten des Ministers. Das Schicksal schien Mignon auf alle Weise begünstigen zu wollen. Denn dieser Laubardemont war ein Mann, gerade, wie ihn Mignon gebrauchen mußte. Roh, gewalttätig, gemein in seinen Gesinnungen, one jede Gewissensstrupel und nur auf seinen Vorteil bedacht, war er ein Streber von der gefärlichsten Art, der kein Mittel scheute, vorwärts zu gelangen und seinem Herrn und Meister Richelieu zu beweisen, wie sehr er in seinem Dienste arbeite, mochte das auch zehnmal auf Kosten der Warheit geschehen. Mignon wußte Laubardemont davon zu überzeugen oder auch nicht zu überzeugen, genug, Laubardemont nam die dargebotene Gelegenheit mit Freuden war, der verhaßte Urban Grandier, dessen wiziger Geist bekant war, sei der Verfasser der berüchtigten Satire von der schönen Schusterin Hamon von Loudun, welche mit dem Kardinal im Liebesverhältnis gestanden haben sollte. Diese Hamon war eine gute Bekante Urban Grandiers aus seinem Kirchensprengel, und sie sollte mit ihm in regem Brifwechsel stehen.
-
Laubardemont erhielt von dem erbitterten Kardinal jegliche Vollmacht und unumschränkte Gewalt in dieser Angelegenheit, die er denn auch sofort dazu benuzte, Grandier gefangen zu sezen. Als diefer zur Kirche in die Frühmesse gehen wollte, wurde er, wärend all seine Feinde sich versammelt hatten, um das kostbare Schauspiel sich nicht entgehen zu lassen, verhaftet und in das Schloß von Angers gefürt, wo er länger als vier Monate blieb. Zugleich tauchten von allen Seiten die Besessenen wieder auf; durfte doch auch das Kloster nicht zu kurz kommen. Aus den zwei Nonnen waren ihrer fünf geworden, acht weltliche Frauen zimmer und dazu noch zwei Bezauberte trieben ihr Unwesen in Loudun , zwei Beichttöchter Barrés, durch ihre Frömmigkeit mehr berüchtigt, als berühmt, ließen sich aus dem benachbarten Chinon vernemen, wo dieser berühmte Beschwörer seinen Wonsiz hatte. Bei einer Hausuntersuchung in Grandiers Wonung fand man von der Hand des lezteren einige Seiten frivoler französischer Verse und eine geistvoll geschriebene Abhandlung gegen das Cölibat, wodurch er sein Gewissen offenbar hatte beruhigen wollen, da er neben vorübergehenden Liebesverhältnissen ein dauerndes zur Magdalena von Bron gehalten haben soll.
Am 2. Dezember 1633 wurde er vor Gericht gezogen, am am 19. Dezember zum zweitenmale. Der Advokat Fournier, der fönigliche Prokurator legte gleich am ersten Tage seine Stellung nieder; wirklich soll man nicht nur falsche Zeugen verhört haben, sondern es war von Laubardemont alles unterlassen, was irgend wie hätte zu Gunsten Grandiers ausfallen können; als höchster Richter in dieser Sache, durch einen besonderen Erlaß selbst gegen das Parlament geschüzt, schaltete und waltete er mit unglaublicher Willfür.
Um für die Zukunft der Niederlage ein für allemal vorzubeugen und das arme Opfer unentrinbar in das Nez dieser Kabale zu verstricken, erließ Laubardemont einige Zeit später ein Edikt, nach welchem jeder, der von den Besessenen oder ihren Beschwörern irgend etwas Böses spräche, mit einer Strafe von wenigsten 10 000 Livres belegt werden sollte. Damit war das Urteil Grandiers so gut wie unterzeichnet. Einer der Beschwörer fand den Pakt Grandiers mit den Teufeln, von einem Höllenarchivar entwendet, in welchem die Schriftzüge des unglücklichen Pfarrers wirklich täuschend nachgeahmt waren. Das wahnsinnige Schriftstück war lateinisch abgefaßt und lautete:
Herr und Meister Lucifer, ich bekenne Dich als meinen Gott und Oberherrn, ich gelobe Dir zu dienen und zu gehorchen mein lebelang. Ich entsage einem anderen Gott, Jesus Christus und den Heiligen, der apostolisch- römischen Kirche, ihren Sakramenten und allen Gebeten der Gläubigen für mich. Ich gelobe Dir, soviel böses zu tun, wie ich eben kann. Ich verzichte auf die heilige Delung und die heilige Taufe, sowie auf alle Verdienste
( Schluß.)
Jesu Christi und der Heiligen, und sollte ich es felen lassen, Dir zu dienen, Dich anzubeten und Dir dreimal am Tage zu huldigen, so gebe ich Dir mein Leben, welches Dir gehört. Urban Grandier. Geschehen in diesem Jar und Tag.
Einen grotesken Eindruck übt das Facsimile des Teufelspaktes aus, mit den wunderlich- verschrobenen Unterschriften der höllischen Dämonen, wie sie nur in den verzerrenden Phantasien der damaligen Zeit entstehen konten. Dasselbe hat folgenden Inhalt nach einer gegebenen Uebersezung:
-
" Wir, der allmächtige Lucifer, haben heute unter dem Beistande Satans, Beelzebubs , Leviathans , Elimis, Astaroths u. a., das Bündnis, welches Urban Grandier mit uns geschlossen, angenommen, wofür wir ihm Unwiderstehlichkeit bei den Frauen, die Blüte der Jungfrauen, die Ehre der Nonnen, alle ordentlichen Würden, Auszeichnungen, Vergnügungen und Reichtümer verH sprechen. Er wird alle drei Tage treiben, die Trunkenheit wird er nicht lassen, alljärlich wird er uns einmal seine Huldigung, mit seinem eigenen Blute versiegelt, darbringen, die Saframente der Kirche wird er mit Füßen treten und seine Gebete an uns richten. Kraft dieses Vertrages wird er zwanzig Jare aller irdischen Freuden genießen und sodann in unser Reich eingehen, um mit uns gemeinschaftlich Gott zu lästern. So geschehen in der Hölle im Rate der Dämonen.
Gez.: Lucifer . Beelzebub. Satan. Elimis. Leviathan . Astaroth.
Visa für die Signaten und das Siegel des teuflischen Meisters und aller Oberhäupter der Dämonen.
-
Kontrafignirt: Baalbarith, Sekretär. Das Nez wurde über dem Haupte des Angeklagten immer es schien ein Entrinnen unmöglich. fester zugezogen, Eines Tages in strömendem Regen fand Laubardemont die Superiorin bis auf das Hemd ausgekleidet, barhäuptig, den Strick um den Hals und eine Wachskerze in der Hand, wie es den Büßern vorgeschrieben ist, in einem Hofe des Klosters. Sie bat mit flehenden, herzzerreißenden Ausdrücken um Vergebung für ihre Sünde, da sie den Grandier fälschlich angeklagt und ins Unglück gestürzt habe. Später wollte sie sich an einem Baum im Garten erhängen und wurde nur von den herzulaufenden Nonnen an der Ausübung mit Mühe gehindert. Ebenso bekante die Schwester Klara ihre Verläumdung und verriet den ganzen Plan, wie ihr von den Beschwörern die Antwort vorher in den Mund gelegt sei. Sie entfloh, wurde jedoch auf der Flucht wieder eingeholt. Diese beiden Aussagen mußten das ganze Gewebe des Truges zerreißen, doch nein, die Richter, welche alle Kreaturen Laubardemonts und Feinde Urbans waren, er.lärten das ganze für eine neue Hererei des Angeklagten, dessen Teufel mächtiger sei, als der der Besessenen. Dasselbe geschah, als eine weltliche Besessene, die la Nogeret ihr Unrecht bekante, man ging mit Lachen über ihre Aussagen hinweg.
-
-
Der Amtmann, welcher fortwärend mit Ernst die Sache untersuchte und die harte Ungerechtigkeit, die ganze Lüge erkant hatte, wurde von einer der Zeuginnen der Hererei selber beschuldigt, die Sache freilich nicht weiter getrieben, indem die Beschwörer sich mit dieser Verläumdung begnügen ließen.
Die Einwoner der Stadt, die Bessergesinten, fülten inzwischen mit verzweifelndem Ingrimm das Unwürdige und Gemeine der ganzen Richterschaft. Es gährte unruhig in diesen Köpfen, revolutionäre Worte und Reden wurden laut. Endlich durfte und wollte man sich nicht mehr knechten lassen. Eines Tages dröhnte die Glocke durch die Straßen der Stadt, welche alle Bürger zur wichtigen Beratung zum Rathause der Stadt berief. Es kam der Fall Urban Grandier zur Beratung. Flüche und leidenschaftliche Worte fielen gegen die Tyrannei und offenbare Ungerechtigkeit Laubardemonts und des bestochenen Gerichtes. Man sah endlich einen Ausweg nur in einer Petition an den König selbst, in welcher man sich hart beklagte, daß die unschuldigsten und vornemsten Familien der Stadt wie Verbrecher behandelt würden, daß man mit der Leichtgläubigkeit des Volkes seinen Spott triebe, daß jedes religiöse Gefül mit Füßen getreten worden sei. Man appellirte an das Urteil der Sorbonne.
Laubardemont geriet in unbeschreibliche Wut. Auf sein Begehren mußten die versammelten Richter die Aften über jene