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Bürgerzusammenkunft als verläumderisch, revolutionär, gegen das Ansehen aller bestehenden Staats- und kirchlichen Gewalt gerichtet und daher für null und nichtig erklären, erklären, daß die Petition in der Kanzlei des Gerichtes niederzulegen sei. Er verbot, kraft seiner unbeschränkten Vollmacht, irgendwelche änliche Versamlung wiederzuberufen und bedrote jeden Uebertreter mit einer Strafe von mindestens 20 000 Livres. Wer ihn der Ungerechtigkeit zeihe, solle sich nur an ihn wenden, Richter und Verklagter in einer Person wollte er selbst sein. Ganz vergeblich waren auch die lezten Proteste Grandiers aus dem Gefängnisse, am 10. August 1634 erklärte der Bischof von Poitiers , die Nonnen des Ursulinerklosters von Loudun seien wirklich und warhaftig Besessene, Urban Grandier ein Herenmeister und mit dem Teufel Verbündeter. Kraft dieses Urteils wurde der Verklagte verurteilt, vor der Haupttür der Kirche zum heiligen Petrus du Marche und der Kirche der heiligen Ursula öffentlich, entblößten Hauptes, einen Strid um den Hals, eine zweipfündige Wachskerze in der Hand, Buße zu tun und nach dieser Buße auf dem Richtplaze der Stadt zum heiligen Kreuze mit jener Schrift gegen das Cölibat, den Teufelsverträgen und anderen Zauberkarakteren verbrant zu werden.
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Grandier hörte standhaft das Urteil an, keine Augenbraue bewegte sich, nur nach Verlesung desselben beteuerte und beschwor er nochmals seine Unschuld und bat zulezt unter Tränen, die Strenge des Urteils zu mildern.
Man fragte ihn nach den Mitschuldigen und als er keine angeben fonte, weil er selbst unschuldig sei, brachte man ihn auf eine furchtbar grausame Folter, die troz der wildesten Schmerzen dem Unglücklichen kein Wort, keine Klage, nur ein inständiges Gebet entlockte. Er fiel mehrmals in Onmacht. Später trug man den Schwerverlezten auf das Ratszimmer, wo man ihn auf eine Streu legte. Seine Bitten nach einem Beichtvater aus dem Orden der Augustiner oder der Franziskaner wurden nicht erhört, man ordnete ihm zwei seiner erbittertsten Feinde, die Kapuzinermönche Claudius und Tranquill, zu. Des Abends zwischen vier und fünf holte man ihn aus seiner Kammer zum Richtplaz. Vor der Kirche des heiligen Petrus auf dem Markt
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plaz tat er die erste Abbitte, stürzte aber vor Erregung platt auf den Bauch hin, dann verzieh er allen seinen Feinden und Widersachern und betrat dann standhaft den Scheiterhaufen. Man hatte ihm versprochen, er solle zuerst eine Rede an das Volk halten, und man würde ihn, bevor der Scheiterhaufen angezündet würde, erdrosseln. Als er seine Ansprache aber beginnen wollte, gossen ihm die Mönche eine Flut von Weihwasser ins Gesicht, um dieselbe zu ersticken, als er zum zweitenmale ansezen wollte, trat einer derselben auf ihn zu und füßte ihn.„ Das war der Judasfuß", sagte Grandier. Die Raserei der Feinde ließ jezt nicht einmal nach. Man wollte das Opfer alle Qualen fosten lassen. Um jede Erdrosselung zu verhindern, hatten sie Knoten in den Strick geknüpft, welcher ihm um den Hals gelegt war. Grandier beklagte sich vor den Umstehenden darüber, one seine Sanftmut zu verlieren, als aber der Pater Lätantius voll wilder Rachsucht heranlief und one den Befel des Richters zu erwarten, den Haufen anzündete, warf er ihm einen durchbohrenden Blick zu und lud ihn vor den Richterstul Gottes, einen Monat nach diesem Tage. Der Scheiterhaufe loderte auf, das Volk schrie vergebens, den Unglücklichen vorher zu erdrosseln, die Knoten verhinderten diesen lezten Akt der Milde, und so ward Urban Grandier lebendig verbrant, ein Opfer seiner Feinde und des Aberglaubens seiner Zeit. Die lezten Worte erstarben ihm auf den Lippen: ,, Deus meus ad Te vigilo; miserere mei Deus"," Auf dich harre ich, mein Gott erbarme dich meiner." Gott ,
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Bald nach seinem Tode verloren sich die Teufel und Dämonen in Loudun und dem Ursulinerkloster. Der Zweck dieser Komödie war erreicht, der Tod des verhaßten Urban Grandier, die Beschwörer und alle, welche an diesem Untergange teil genommen, aber hatten die Verachtung ganz Frankreichs auf sich geladen, denn der Glaube an die Besessenheit verschwand bald und die Triebfedern dieses Justizmordes wurden jedermann klar. Pater Lätantius jedoch starb, wie die Chronik vermeldet, an dem ihm von Urban bestimten Tage eines gräßlichen Todes, unter schrecklichen Wutanfällen, und eines nicht minder gräßlichen Todes die übrigen Exorcisten, welche an dem Verbrechen teil genommen.
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Von B. Sincerus.
Teater zur Zeit der großen Revolution?" fragt vielleicht mancher unserer Leser.„ Gab es denn wärend dieser stürmischen Beit überhaupt Teater?"- Gewiß gab es deren und ihre Geschichte ist überaus lehrreich, wenn auch der literarische Wert der vom 14. Juli bis zum 18. Brumaire VIII. aufgefürten 1000 bis 1200 Stücke fast gleich null ist. Die Sprache, die Sitten, die Leidenschaften der Zeit spiegeln sich nirgends getreuer, warhafter, packender, als in jenen längstvergessenen Stücken. Ein furioses Tier ist der Mensch," bemerkt ein französischer Kritiker; aber das kurioseste der Franzose, ob der Leichtigkeit, mit welcher er sich den Verhältnissen, oder vielmehr die Verhältnisse, so traurig jie auch sein mögen, sich selbst und seiner ewigen Lust zum Amusement anzupassen weiß. Wir konstruiren uns aus weiter Perspektive sozusagen eine ideale Geschichte der Revolutionszeit; und da gewaltige Ereignisse im Vordergrunde der Szene stehen, da schauerliche Dramen und Tragödien in den politischen Versamlungen und auf öffentlichen Pläzen sich abspielen; da die Emeute in den Straßen der großen Stadt ihr Wesen treibt, da Bürgerkrieg in den Provinzen und Krieg wider äußere Feinde fast an allen Grenzen tobt, erheben wir unwillkürlich unsre Stimme und schreiben im Tone jenes alten Römers: Ein Werk unterneme ich zu schildern, das reich an furchtbaren Zufällen, furchtbar durch Schlachten, zwieträchtig durch Aufstände, ja selbst im Frieden schrecklich ist. Und sollte man nicht auch warlich glauben, daß durch die fortwärende Bedrohung, welche gestern von der Volks wut, heut von der offiziellen Guillotine, morgen von feindlicher Invasion ausget, sollte man nicht glauben, daß das Leben unterbrochen, ja gleichsam erſtart sein müsse? Dem ist aber keineswegs so: das Leben get ruhig seinen gewönlichen Gang weiter, ja man hat sich vielleicht niemals so ausgelassen und toll den Vergnügungen ergeben, als in einigen Jaren dieser schrecklichen Zeit." Was der französische Kritiker wunderlich und abnorm
findet, dünkt uns Deutschen aus etischen und psychologischen Gründen vollständig begreiflich, ja natürlich zu sein: in Zeiten, in welchen das Morgen unsicher und todbringend, genießt der natürliche Mensch das Heute und freut sich in ungebändigter Lust des Lebens. Werfen wir einen Blick auf das Teater jener Zeit.
Welschinger, der uns nach bisher unbekanten Dokumenten das Teater der Revolution von 1789 bis 1799 in einem zu Paris 1881 bei Gebr. Charavay erschienenen Buche geschildert hat, verzeichnet uns für das Jar 1790 einige zwanzig neue Stücke, für das Jar 1793 schon über 40, für 1794 sogar über 50, wärend im Jare 1799 die Zal auf 12 herabsinkt. Und zwar sind dies feineswegs blos Spektakelstücke, welche dem Toben und Treiben des Tages entsprechen, wie" Der König von Calvados" von Buzot , oder„ Der Tod Robespierres"; nein, Tragödien nach altem Stil, wie„ Mutius Scävola" von Luce de Lancival, „ Cincinnatus " von Arnault ,,, Epicharis und Nero " von Gabriel Legouvé . Ja sogar Harlekinaden und Farcen felen nicht, wie die Titel ,, Der Schneiderharletin" ,,, der Bildhauerharlekin",„ der Harlekin Berrückenmacher", oder das heitere Stück ,, Die Dragoner und die Benediktinerinnen " von Pigault- Lebrun beweisen. Und damit auch das Ballet und die Idylle ihren Plaz haben, werden Stücke, wie„ Der anakreontische Tanz" und" Die Süßigkeit der Liebe" aufgefürt. In den lezten Tagen des Jares 1791 und zu Anfang des Jares 1792 wurden nicht weniger als sechs neue Stücke gegeben, deren Helden die berüchtigten Schweizer vom Regiment Chateauvieux waren. Das von Tallien festgesezte Programm für den Triumphzug dieser befreiten Galeerensklaven schließt mit folgendem charakteristischen Saze:„ Dann werden sich die Soldaten von Chateauvieux in bürgerlichen Festgelagen vereinigen, bei welchen sich die Bürger beeilen werden, ihr Familienmal mit den Lebensmitteln zu vereinigen, welche der Handel im Ueberfluß dahin bringen wird; Tänze werden die öffentliche Lustigkeit erhöhen, und das Fest wird solange dauern, als es der Tag,