der leider zu schnell entfliet, gestatten wird." Ja am Hinrichtungstage der Girondisten , an den Tagen, an welchen auf der unersättlichen Guillotine die Köpfe von Danton , Robespierre und St. Just fielen, spielten die Teater und gaben sogar sogenante Premières, Erstlingsvorstellungen.
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Mit ,, Karl IX. oder die Schule der Könige" von Marie Joseph Chenier begint am 4. November 1789 das Teater der Revolution und diesem Stücke folgen zunächst viele andre, die wie jenes von der königlichen Censur bisher beanstandet waren, wie ,, Der Graf von Comminges" von d'Arnault,„ Der tugendhafte Verbrecher von Fenouillot" u. s. w. Ueberhaupt lebte das Teater der Jare 1789 bis 1792 zum Teil von den Stücken, welche die Censur des absoluten Königtums bisher unterdrückt hatte: noch der ,, Marius" von d'Arnault aus dem Jare 1791 und die ersten Komödien von Collin d'Harleville lehnen sich ganz an die französischen klassischen Stücke an. Auch der höchst mittelmäßige, außerordentlich fleißig besuchte ,, Wilhelm Tell " von Lemierre aus dem Jare 1793 ist ein der neuen Zeit angepaßtes und mit dem neuen Titel ,, Die Schweizer Sanskulotten" ausstaffirtes Spektakelstück aus dem Jare 1766.
Ein weiterer karakteristischer Zug der Geschichte des Teaters jener Zeit ist die Trennung, und bald darauf die Auflösung der Comédie française . Chenier trente mit seinem Kar! IX. die Schauspieler in zwei feindliche Herlager. In den Kulissen und auf der Szene zankte, beleidigte, orfeigte man sich. Naudet wider Talma , Dugazon wider Fleury. In die durch diese widerlichen Szenen geöffnete Bresche drängten sich nun die kleinen Schauspieler, die Unternemer und die unbedeutenden Dichter, und die Konstituante votirte am 13. Januar 1791 die Teaterfreiheit mit dem ausgesprochenen Zwecke, die alte zu aristokratische Institution zu vernichten. Talma verließ, von einigen seiner Kollegen begleitet, traurig seine alte Büne und spielte im Teater der Rue Richelieu ; der Rest der alten Truppe spielte in einem Sale des Faubourg St. Germain weiter, bis infolge der Auffürung des Freundes der Geseze" von Laya am 2. Januar 1793 und des noch unschuldigeren Stückes" Pamela" von Franz Neufchâteau das Konventsmitglied Barrère einschritt und mit despotischer Willkür in der Nacht vom 2. zum 3. September 1793 die gesamte Comédie française„ Mänlein wie Fräulein", in Summa 28 Personen, verhaften und einsperren ließ.„ Nicht die Tugend, sondern der Adel wird belobt und belont; Adel, Aristokraten und Gemäßigte vereinigen sich, um die durch englische Lords vorgeschlagenen Maßregeln zu beklatschen; die englischen Regierungsmaɣimen werden zum Schaden der Republik als Muster hingestellt,"- so dekretirte Barrère und die Comédie française wurde aufgehoben. Daß diese Vernichtung der altberühmten Comédie wesentlich die literarische Unbedeutendheit des Teaters der Revolutionszeit befördert hat, liegt klar zutage und bedarf keines Beweises.
Weiter ist wol zu beachten die Stellung des Publikums in der revolutionären Zeit, welches grundsäzlich und in brutalster Form sich selbst an die Stelle der alten Censur stellte. Das Parterre diftirt dem Teater das Gesez, das Parterre weigert sich, das Tagesstück zu hören und schreibt den Schauspielern vor, was sie am nächsten Tage zu spielen haben. Die Direktoren müssen sich fügen: Der Direktor des Vaudeville muß persönlich auf die Büne kommen, das liebe Publikum um Verzeihung bitten und öffentlich ein Stück verbrennen, dessen Verfasser sich erlaubt hat, den liberalen Dichter Chenier ob seiner armseligen Poesie zu verspotten. Auch die Freiheit der Schauspieler wird im Namen der Freiheit aufgehoben: am Teater Français zwingt man Talma und Naudet sich zu umarmen und an der komischen Oper veran laßt man Madame St. Aubin, ein Journal zu zerreißen, welches über einen durch seine patriotischen Gefüle bekanten Schriftsteller gewizelt hatte. Die Freiheit der Zuschauer wird ebensowenig geachtet: wenn einige wirkliche oder verwante Aristokraten bei einem Stücke zu laut applaudirt haben, welches einigen Duzend anderen, sich als das souveräne Volk" aufspielenden Leuten mis
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fällt, so sammeln sich Bürger und Bürgerinnen am Ausgange, bilden Spalier und zwingen jeden aus dem Teater Eilenden zu rufen:„ Es lebe die Nation!" Das Groteske mischt sich mit dem Gehässigen. Der Konventsmann Genissieux siet zufällig das Stück Merope. Er findet darin eine trauernde Königin, welche ihren Mann beweint. Das muß eine Anspielung auf Marie Antoinette sein, welche über den Tod Ludwigs XVI. flagt: das Stück wird untersagt. Die Schauspieler der Comédie française spielen den Cid; man macht ihnen begreiflich:„ es darf kein König auf der Szene erscheinen," Don Fernando wird also ein republikanischer General. Das republikanische Teater kündigt ein Stück an, betitelt Johann one Land". Die Klubs denken, man will ihren Bierbrauer Johann lächerlich machen, das Stück wird verboten. Ja man hindert die Auffürung der Oper„ Hadrian , Kaiser von Rom", von Mehul , weil Hadrian auf einem Triumphwagen erscheint, der von zwei weißen Pferden, die aus den Ställen der Königin stammen, gezogen wird.
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Wir dürfen uns nach all' diesen Vorkomnissen nicht wundern, wenn am 2. August 1793 das Konventsmitglied Couthon die Tribüne besteigt und sich folgendermaßen vernemen läßt:„ Bürger, der Tag des 10. August nähert sich. Republikaner sind vom Volke abgesant, um in den Nationalarchiven die Verhandlungen über die Anname der Verfassung niederzulegen. Ihr würdet diese Republikaner beleidigen und beschimpfen, wenn ihr fürder leiden wolltet, daß man in ihrer Gegenwart Stücke auffürt, welche mit einer Unmasse die Freiheit beleidigender Worte und Anspielungen angefüllt sind; ja wenn ihr nicht anordnen wolltet, daß künftig nur Stücke aufgefürt werden, welche würdig sind, von Republikanern gehört und applaudirt zu werden. Das speziell mit der Aufklärung und der Bildung der öffentlichen Meinung betraute Comité hat erwogen, daß die Teater die gegenwärtigen Umstände nicht übersehen dürfen. Zu lange haben sie der Tyrannei gedient, es ist Zeit, daß sie endlich der Freiheit dienen." Und man dekretirt, daß wenigstens dreimal in der Woche Stücke, wie Wilhelm Tell , Brutus, Cajus Gracchus und änliche patriotische Dramen aufgefürt werden. Am 20. April 1794 schreibt BillaudVarennes den dramatischen Dichtern folgendes Programm zur Anfertigung patriotischer Stücke vor:" Nemt den Menschen von seiner Geburt an, um ihn schließlich zur Tugend zu füren durch die Bewunderung der großen Ereignisse und durch den Entusias mus, welchen sie einhauchen... Das sind lebendige und ergreifende Bilder, welche tiefe Eindrücke hinterlassen, welche die Seele erheben, welche das Gemeine vertiefen, welche den Bürgersinn und das Menschengefül elektrisiren: den Bürgersinn, dieses höchste Prinzip der Selbstverleugnung, welche selbst wieder die unversiegliche Quelle aller großen bürgerlichen und gesellschaftlichen Tugenden ist." Und am 4. August begibt sich ein Konventsmitglied, Maignet, der berüchtigte Prokonsul von Avignon , nach Marseille , um auf diesen hochpoetischen und künstlerischen Grundlagen die dortigen Teater zu reorganisiren und zu republi kanisiren.„ Es ist Zeit, sie endlich an einen vernünftigen Zweck zu erinnern, sie zu einer nationalen Institution zu erheben, sie zu republikanisiren und eine nationale Schule daraus zu bilden, welche durch ihre eigenartigen Sitten die Bürgertugenden lehrt und befördert.." Er unterzeichnet dies famose Programm und nach ihm zwei Kommissare des Wolfartsausschusses für die Reor ganisation der Teater. Wir werden in der Folge sehen, welch' herliche poetische Erzeugnisse dieses neue republikanisch- dramatische Programm zu Tage gefördert hat; daß die Kunst, auch die dramatische, ihre eigenen Geseze habe, davon hatten die törichten Staatsmänner jener Zeit keine Ahnung. Doch es ist glücklicher weise durch die Natur der Dinge und Menschen dafür gesorgt, daß die Bäume nicht in den Himmel wachsen: die Kunst, die ächte, ware dramatische Kunst ist geblieben; die Ungeheuerlichkeiten einer Kunst, welche nur die Magd der Politik sein sollte, sind vergessen und verachtet ihre Stätte fent man nicht mehr." ( Schluß folgt.)
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Historische Novelle von Cart Cassau.