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Gelächter ausbrachen. Sofort ergriff der Herr Minister die Feder und schrieb an das Centralbureau der Polizei: Ich fordere Sie auf, streng darüber zu wachen, daß änliche Misstände niemals wieder vorkommen." Leider war das Teater Feydeau nach den Berichten der Polizei stark aristokratisch gesint und der Minister mußte zu Gewaltmaßregeln greifen, wie folgender Brif vom 21. Februar an den General Buonaparte beweist: Bürgergeneral, ich fordere Sie auf, jeden Abend gegen sechs oder sieben Uhr ein Picket Dragoner in die Zugänge dieses Teaters stellen zu lassen. Ich bezweifle nicht, daß der bloße Anblick dieser Verteidiger der Freiheit den Royalismus zum Schweigen bringen wird." Dazu verbot man allen Frauen one Nationalkokarde den Eintritt in die Teater; man schloß das Teater der Straße Louvois , weil die Direktrice Fräulein Raucourt königlich gesint sei; man dekretirte die Unterdrückung der Worte Monsieur und Madame in allen Stücken, die nicht vor dem Jare 1792 geschrieben waren; und was dergleichen törichte Anordnungen weiter waren.

Auch die Censur fürte ihr willkürliches Regiment weiter fort. Das Stück ,, Mitternacht" wird verboten, weil man sich in dem­selben um Mitternacht zum neuen Jare beglückwünschen und weil ,, es mindestens unpassend ist, anf der Szene einen durch den revo­lutionären Kalender abgeschafften Gebrauch wiederherzustellen." Bei einem Stücke von Hoffmann Léon oder das Schloß Monte­nero" macht der Censor folgende weise Bemerkung: Warum heißt der Liebhaber Laura's Louis? Dieser Name darf in unsern Teatern schlechterdings keiner tugendhaften Person beigelegt wer­den." Die Oper ,, Heinrich von Bayern" wird dem Censor ein­gereicht; er läßt sie passiren, weil der darin auftretende Kaiser Friedrich II. one jeden demonstrativen Pomp als ein gemütlicher bürgerlicher Papa erscheint, der zuerst seinen ungehorsamen Son abstraft und ihm schließlich ob seiner Reue Verzeihung angedeihen läßt." Allein der Minister ist anderer Meinung, die milde Kritik des Censors gefällt ihm durchaus nicht. Die Oper Heinrich von Bayern" wird vom Minister verboten, weil der Vater dem Sone verzeit und viele Bürger denken könten, es sei das eine Anspielung darauf, wie man mit Rücksicht auf die Emigranten handeln müsse." Man siet, daß auch das Direktorium jenes terroristische Prinzip, das Teater und durch das Teater die öffentliche Meinung zu republikanisiren keineswegs aufgegeben hatte. Allein die Autoren

suchten sich mehr und mehr davon zu emanzipiren. Darob viel­fache Klagen der Polizeispione. Die Direktionen sind gern be­reit, den Intentionen der Regierung zu folgen und ihren Dar­stellungen republikanischen Karakter zu verleihen; allein die Au­toren folgen leider nicht denselben Brinzipien und tun garnichts zur Hebung und Besserung des republikanischen Sinnes. Das Departement hat ein Dekret beschlossen, welches sie um ihres eigenen Interesses willen zwingen wird, in republikanischem Sinne zu arbeiten." Ein anderer Polizeibericht klagt über die Todesstille in den Teatern, die garnichts täten, um den republi­kanischen Geist zu entflammen. Das heilige Feuer sei erloschen." Ja, das republikanische Feuer war allerdings erloschen. Zwar gab man noch hin und wieder patriotische Stücke vor leeren Bänken und gelangweilten Zuschauern. Die Farce und die Tra­gödie verdrängten im Verein mit dem neuerfundenen Melodrama, dessen König Pirerecourt wurde, die langweiligen und lang­weilenden republikanischen Musterstücke in Drama und Oper troz aller Dekrete und Verordnungen des republikanischen Departe­ments. Der 18. Brumaire war nahe, der mit der Republik auch das republikanische Teater wegfegte.

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Die Kunst, auch die dramatische Kunst, hat ihre eigenen selb­ständigen Geseze. Tritt sie in den Dienst irgend welcher poli­tischen, kirchlichen, sozialen Tendenzen, so erniedrigt sie sich selbst und wird der Mätresse gleich, die wol eine zeitlang mit erborgtem fremdem Flitterstaat ein lustiges Leben füren kann, aber schließ­lich an ihrer eigenen Unnatur elend zugrunde gehen muß. Uebri­gens verstehe ich angesichts der trivialen Tollheiten, welche die dramatische Muse der Revolutionszeit aufgefürt hat, recht wol jenen originellen Badeunternemer, welcher wenige Jare später außer seinen gewönlichen Bädern auch medizinische Bäder au­kündigte, um die Geistesverrücktheit zu furiren, von welcher eine Anzal Individuen beider Geschlechter wärend der Revolution be­fallen seien." Und jener geistvolle Humorist hat wirklich nicht so ganz Unrecht, wenn er schreibt:" Ich kann zur Stunde noch nicht begreifen, warum die Alten statt des pedantischen geistlosen Pferdes nicht lieber den Esel zum Symbol der dichterischen Begeisterung genommen und zum Pegasus gewält haben, was um so treffender erscheinen müßte, wenn man auch noch die übrigen Eigenschaften vieler Dichter in Betracht zöge."

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Aus Deutschlands schlimster Blut- und Eisenzeit.

III.

Historische Novelle von Carl Cassau.

Das war ein blutig Schlagen wol auf dem blachen Feld, Man wollt' Quartier nicht geben und nam fein Lösegeld." ( Altes Lied.)

Zwei Monate später sehen wir unsere Freunde sämtlich in das Feldlager Gustav Adolfs , Königs von Schweden , in Kurland einreiten, wo damals, wärend des Krieges mit Sigismund , König von Polen und Kurfürst von Sachsen , sich das schwedische Haupt­quartier befand. Schon in Holstein hatten die Reisenden diesen Umstand erfaren, und waren dann an der Küste der Baltischen See entlang gezogen, unbehelligt von allen kriegerischen Scharen, die damals unter Waffen standen, bis sie das Heer des Schweden­königs fanden.

Von einer Streifwache gefürt, betraten unsre Bekanten das schwedische Lager und wurden direkt bis zum Zelt des Königs, zu welch' lezterem Hoyer begehrte, gefürt.

Gustav Adolf war ein noch junger Herr und schlank ge­wachsen; blaue Augen, blondes Har und blonder Spizbart, wie man ihn damals trug, gaben ihm das Zeugnis seiner nordischen Abstammung. Ein blanker Panzer bedeckte die Brust des Königs über dem Üniformrock von schwarzem Sammet, denn es stand ein heißes Gefecht bevor.

Gustav Adolf musterte die Herankommenden mit seinen etwas furzsichtigen Augen forschend und begegnete den Augen Hoyers. Auf die leutselige Anrede des Königs:

,, Was wünschet ihr, Freunde?" entgegnete Hoyer, leicht das Knie beugend:

" Haben Majestät die Gnade, uns unter Ihre Soldaten auf­zunemen. Mein Name ist Graf Hoyer von Mansfeld; ich bin des Mansfelders Son und bitte, von meinem Herrn Vater

( 2. Fortsezung.)

dieses Schreiben huldreichst entgegenzunemen." Dabei zog er das Schreiben aus dem Wams und überreichte es dem Könige. Gustav Adolf überflog es schnell: Obrist Staelhandske!" Majestät!" Ein straffer, schwedischer Obrist trat vor. " Ich empfele Euch hier den Herrn Lieutenant, Graf Hoyer von Mansfeld, der gewiß mit Auszeichnung unter Eurer Fürung dienen wird."

,, So Gott will, mein König!"

Er hieß Hoyer willkommen und reichte ihm die Hand.

Werbener ward als Wachtmeister in das steenbocksche, v. Hilten als Freikorporal in das zenkersche Regiment, Tauscher aber als Korporal bei den Arquebusiern eingestellt. Noch war Fuchsner übrig; schnell trat er hervor:

" Gestatten Majestät allergnädigst, daß ich bei meinem Herrn Grafen verbleiben fann und als Gemeiner in das staelhandskesche Regiment eintrete."

" Wie ist's, Obrist?" Er kann, Majestät!"

Die Freiwilligen wurden in Eid und Pflicht genommen lernten den schwedischen Dienst.

Vier Wochen darauf fand ein Treffen statt. Hoyer kämpfte an der Seite und unter den Augen des Königs wie ein Löwe. Da drangen polnische Söldlinge auf das königliche Gefolge ein; ein sächsischer Wachtmeister legte schon das lange Feuerror auf den König selbst an, als Hoyer ihn, heransprengend, mit seinem Pallasch zu Boden streckte. Noch auf dem Schlachtfelde ernante Gustav Adolf den jungen Helden zum Rittmeister, von Hilten aber, der ebenfalls mit Bravour gekämpft, zum Lieutenant.

Es war im Frühjare 1625, als die Wachen ins schwedische Lager einen alten, grauen Reitersmann mit verbundenen Augen