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" Mein Name ist August Leubelfing, Page Ihrer Majestät der Königin. Wie gern wäre ich in Eurer Lage, mein Herr Obrist! Ich höre, Ihr seid erst 23 Jare alt und habt es schon durch Eure Tapferkeit bis zum Obristen gebracht; ich selbst bin nichts nur zwei Jare jünger und bin nichts, als ein Page!" " Seid darüber nicht böse, mein Freund," erwiderte Hoyer tröstend; Ihr sehet heute, was so ein Soldat ist: heute rot- morgen tot!"
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Aber der Ruhm, Herr Obrist, und die Weiber!"
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Hier zuckte es im Gesichte des jungen Offiziers rot auf: " Ich muß Euch gestehen, Herr Page," entgegnete er mit Zurückhaltung, daß ich davon wenig weiß; habe noch keine Zeit dazu gefunden, Minnedienst zu üben. Bin rauh wie ein alter Kriegsknecht, ungelenk wie ein polnischer Bär!"
Leubelfing ficherte vor sich hin, dann meinte er: " Wie, Ihr hättet es nicht bemerkt, daß die schöne Gräfin Swenson nur noch Augen für Euch hat?"
"
Wol bemerkt, Herr Page, aber doch nicht erwidert!"
Der junge Mann biß sich auf die Lippen. Warum mußte er seinen Nebenbuler auch noch aufmerksam auf sie machen? Konte der Obrist nicht für die Reize der Schönen empfänglich werden? Aber nein, der war grade und ehrlich, und so behandelte ihn der kluge, junge Mann auch.
Der Page war eine Schönheit ersten Ranges, aber brünett, wärend Mansfeld blond war, und Gräfin Erna Swenson hatte sich nun einmal grade auf blond kaprizirt.
Erna stamte aus Schlesien . Graf Swenson hatte sie gelegentlich der Hochzeitsreise des Königs in Berlin kennen gelernt, und der schon alternde Mann hatte von der neunzehnjärigen koketten Erna das Jawort bekommen. So blieb sie in Maria Eleonorens Gesellschaft als deren erste Hofdame, in welchem Verhältnisse sich auch nichts änderte, als schon ein par Monate nach der Hochzeit Gräfin Erna ihren Gatten verlor. Nur die dringendste Trauerzeit blieb sie daheim, dann sah man sie wieder am Hofe, eine üppige, eben aufgeblüte Rose. Dazu kam, daß Erna reich, sehr reich war und begehrt von allen Kavalieren des Hofes. Aber dann folgten die dummen Kriege; zuerst der dänische, dann der nicht enden wollende polnische, welche die jungen Ritter dem Hofe entfürten. Aus purer Langerweile fing darauf die schöne Erna mit dem Pagen ein Liebesverhältnis an, bis Hoyer am Hofe als neuer Stern auftauchte und die kokette Erna ihre Neze auswarf, um auch ihn an ihren Triumphwagen zu spannen.
So lagen die Sachen, als über weiche Teppiche hinweg der Fuß Hoyers durch die Korridore schritt, bis der Page die Türen eines hohen Gemaches öffnete mit den Worten:
" Obrist Graf von Mansfeld!"
" Ach, Ihr machet Euch rar, Graf!" lachte die Königin auf stehend, wärend Gräfin Erna Swenson sich das Ansehen gab, als sei sie vollständig verwirt.
Der junge Obrist küßte die Hand der Königin galant, gegen Erna machte er eine selbst für einen Soldaten fast zu steife Verbeugung, denn noch immer flangen ihm die Worte des Pagen in den Ohren:„ Sie gewärte mir schon mehr als eine Zusammen kunft." Worte, die unterwegs in den Vorzimmern gesprochen wurden und von denen Hoyer unklar blieb, ob der Ton auf eine oder Zusammenkunft zu legen sei.
" Majestät scherzen," erwiderte er." Ich bin, wie Hochdieselben wissen, sehr stark Rekonvaleszent, und daher nicht immer im stande, dahin zu gehen, wohin mich sonst mein Herz ziehen würde."
Die Königin lächelte über den jungen Deutschen , der die Hofsprache mit soviel Talent und so schnell erlernte, und dabei doch ein echt soldatisch eckiges Benemen behielt. Sie sezte sich und winkte Hoyer zu, ebenfalls Plaz zu nemen, und begann dann, heiter Erna vorstellend:
" Hier, Herr Obrist, stelle ich Euch zugleich meine Gesellschaftsdame und beste Freundin, die Gräfin Erna Swenson vor. Wir beiden," sezte sie hinzu,„ werden Euch zu unserm Ritter erwälen!" Gräfin Erna ſchien vor Scham in die Erde sinken zu sollen, und Hoyer, dem die Künste der Koketterie noch neu waren, glaubte faſt, daß ihn der geschwäzige Page aus Eifersucht belogen. Er verneigte sich diesmal etwas respektvoller und meinte:
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Wenn Majestät und die Dame, welche Hochdieselbe Ihre Freundin zu nennen geruhen, mit den Diensten eines invaliden Ritters von der traurigen Gestalt fürlieb nemen wollen, so lege ich Euch meine schwache Kraft ganz ergebenst zu Füßen." Dabei sah er Erna an, als wolle er ihr bis in die Seele
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dringen. Aber Erna schlug die Augen scheu zu Boden und erglüte wie eine Mohnblume. Daran mußte Hoyer unmittelbar denken; er, in der blauen Uniform die Kornblume, Erna die Mohnblume und die Königin in der gelben Seidenrobe das Kornfeld; Mohnblume und Kornblume aber gehören naturgemäß zu einander. Dabei lächelte er leicht. Das machte der jungen Witwe Mut, und ihre Befangenheit wich schnell, und ebenso schnell wußte sie durch ihr geistvolles Geplauder die Königin wie den jungen Obristen zu bestricken. Mit Geschicklichkeit verstand sie das Gespräch auf den König zu leiten, um ihrer hohen Freundin zu schmeicheln, indem sie fragte:
"
Es get wol sehr fromm im Lager zu, Herr Obrist? Seine Majestät sind darin, ich weiß das aus eigener Erfarung, sehr strenge."
" Jawol; jeden Morgen findet Frühgottesdienst, jeden Abend gemeinschaftliches Gebet statt. Man hört kein Fluchen und kein Geschrei; unter Gustav Adolfs Augen muß selbst der roheste Troßknecht sittsam werden und sich fügen lernen. Kein Heer, so versichern die Gefangenen, soll solche Disziplin besizen, wie das unsrige." " Das freut mich!" warf die Königin ein.
fort.
„ Aber wo wurdet Ihr eigentlich verwundet, Graf?" fur Erna
Hoyer errötete leicht und zauderte mit der Antwort; als aber die Königin sich auf Seite der schönen Fragerin schlug, mußte er wol Farbe bekennen:
Es war bei Jaroslaw , Gräfin ," begann er;„ die Polen hatten einen Hügel dicht mit Geschüz befaren, das Tod und Verderben in unsre Reihen spie; da ward ich beim Stürmen dieses Hügels verwundet."
" Ja," bemerkte hier die Königin, mein Gemal hat es mir zufällig mitgeteilt, welch' einen Helden wir hier unter uns haben; Obrist Graf Mansfeld war es, der mit seinem Dragonerregiment Hügel und Geschüz nam und bei dieser Gelegenheit durch eine Kanonenkugel vom Pferde gerissen ward."
Hoyer lehnte alle Lobeserhebungen bescheiden ab und erzälte weiter. Nach und nach ward der Ton ruhiger, vertraulicher. Der Page Leubelfing brachte auf Befel der Majestät Wein, warf aber eben nicht liebenswürdige Blicke auf Hoyer, der davon jedoch nichts ahnte. Dann mußte der Obrist mit Maria Eleonore eine Partie Schach spielen, von der sie endlich in den Staatsrat abgerufen ward, nicht one jedoch Erna als Stellvertreterin bei ihrem Gegner zu belassen.
Hoyer war zum erstenmale so dicht in der berauschenden Nähe eines jungen, schönen, üppigen Weibes, dessen Augen ihn liebeglühend anblickten, dessen Hauch fast sein Har berürt, und gab sich unter dem Einflusse dieses Eindrucks süßen Empfindungen hin. Der Page, der geschwäzige, hatte entschieden gelogen: dieses Weib war ein Engel! Er spielte dabei herzlich schlecht. " Schach!"
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Schnell rochirt und die Gefar beseitigt! Was sie doch für köstlich blondes Har hatte, und dieser schelmische Mund! Küssen? Um Gott nicht! Süssen, nein, nein! Aber bewundern durfte er sie, die Liebliche! „ Schach! Matt!" Besiegt, und von einer Frau!- Der junge Obrist sprang auf; Erna lehnte, ihr Opfer triumphirend ansehend, nachlässig im Fauteuil, wobei der schlanke, weiße Arm über die Lehne herabhing.
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Obrist Mansfeld konte nicht länger widerstehen. Wie die Fliege an den Honig get, gehen muß, so zog es ihn zu dieser schmalen, weißen, hübschen Hand hin. Er nam sie, one Widerspruch zu finden, zwischen seine eignen Hände, er füßte sie leidenschaftlich.
Erna sah ihn liebeglühend an." Ich liebe dich!" hauchten ihre Lippen, wie selbstvergessen träumend. Und geschehen wars: über sie beugte sich der junge Obrist und brennende Küſſe bedeckten ihren Mund, ihre Wangen, ihren Schwanenhals, sodaß sie sich ihm vergebens zu entziehen versuchte, was auch wol kaum ihr Ernst war. Dann fniete er vor ihr, der stolze Mann, und tat ein Geständnis seiner heißen, tiefen, ersten Liebe!
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Erna, schämtest du dich nicht vor der Natürlichkeit dieſes Mannes, den du fingest, wie die Spinne eine Mücke? Und sie? Sie hörte ihn wolgefällig an, streichelte sein ſeidenweiches Lockenhar, tüßte ihn wild und schmeichelte ihm, dem schönen Manne.