Die cene Well
Illustrirtes Unterhaltungsblatt für das Volk.
№ 49.
Erscheint wöchentlich.
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In Heften à 30 Pfennig.
Preis vierteljärlich 1 Mark 20 Pfennig. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postämter.
Ein kleiner, äußerst dürrer Herr, mit auffallend kurzen und gebogenen Beinen, start orientalischer Nase, schwarzen, gierigen Augen, aber einem süßen, vergnüglichen Lächeln, das inmitten eines lückenhaften Bartes einen windschiefen Mund zeigte, öffnete die Ladentür, grüßte in sehr bedeutsamer Weye gegen Friz und bat ihn, in seinen Laden zu treten.
Friz folgte der Einladung.
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,, Signor Berger," redete ihn der Kunsthändler im schmeichelndsten Tone an, indem er, ihn bekomplimentirend, vor ihm mit seinen frummen Beinen hin und her tänzelte ,,, Sie sehen, ich habe die Ehre, Sie zu kennen, würde mich sehr freuen, si, si, Ihnen in etwas dienlich sein zu können. Sie finden Ihre Kollegin gelungen? Sie ist es auch. Ihre Bilder gehen reißend ab. Hatte hundertfünfzig sage hundertfünfzig Exemplare aus Mailand verschrieben, und hier, Signor, habe ich, außer dem in der Auslage, das lezte. Wie, bin ich ein Sterl? Sono diavolo?!" Er suchtelte mit der Photographie, die er vorgewiesen, in äußerster Lebhaftigkeit hin und her, zog die Augenbrauen empor und die fleinen, stechenden Augen blizten darunter wie in Selbstbewunderung hervor. Sie wird mir hoch überzalt werden, zweifle nicht daran; wenn Sie sie indes wünschen sollten si, si-, Ihnen geb' ich sie ganz umsonst." Er hielt ihm die Photographie dicht vor die Nase.
Ich danke," sagte Friz ablehnend.
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" O Signor carissimo," fur der andre in noch zudringlicherer Liebenswürdigkeit fort, sollten Sie nicht wissen, wie sehr wir Künstlern verpflichtet sind, die uns gestatten, das große, öffentliche Interesse, das sie erregen, ein wenig für uns auszunuzen, und auch ein wenig für sie, oh, auch ein wenig für Sie, si, si. Signor werden in dieser Hinsicht wol schon angegangen worden sein, wie denn nicht, aber ich flehe Sie an, geben Sie mir den Vorzug."
In was denn? Sagen Sie mir doch nur einmal, was Sie eigentlich von mir wünschen," bemerkte Friz, von der Zudringlichkeit dieses Menschen geärgert, und doch von der burlesken Art dieses Gnomen wider Willen belustigt.
Ich bitte, sizen Sie mir zu einer photographischen Aufname." " Ah! So!"
Was wollen Sie, ich werde Sie popularisiren, bin ganz der Kerl dazu, sono diavolo! Aber jedenfalls im Kostüm, und natürlich ganze Figur; si, si, das ist unumgänglich. Ihr schöner Wuchs tut sich in der ägyptischen Gewandung sehr vorteilhaft
1881.
( 22. Fortsezung.)
hervor; wir machen Sie als Radamès, si, si, alle unsere Damen werden nach dem ägyptischen generale mit dem breiten Brustlaz wie toll sein." ,, Glauben Sie?"
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Ich verbürge es; kann Ihnen übrigens vertrauen, daß heute bereits eine Anzal Damen- si, si meist sehr hübsche Damen, sich bei mir eingefunden, von denen einige sehr ungenirt, si, si, einige ganz schüchtern sich erkundigt haben, ob Radamès-Berger nicht bei mir zu haben wäre. Ich versicherte, daß in meinem Kunsthandel alles zu haben sei, und daß ich schon demnächst in der angenemen Lage sein werde, ihnen denselben zu verschaffen. Was sagen Sie, bin ich ein Kerl? Sono diavolo? Es sind sogleich Bestellungen gemacht worden. Die schüchternste unter ihnen hat gleich vier Radamès bestellt, sage vier Radamès," der Mann lachte, wobei sein Mund sich auf der einen Seite bis zur Nase hinaufzog, ,,, aber', flüsterte mir die Schöne mit einem allerliebsten Erröten zu ,, nur ja die ganze Figur. Ich habe Sie ihr versprochen, teurer Signor, vom Kopf bis zu den Füßen, sono diavolo!"
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Sie halten mich also für einen gangbaren Artikel?" fragte Friz mit einem Lächeln, hinter dem ein zorniger Grimm lauerte.
,, Was gangbar, Sie werden bei unsern Damen auf Ja und Nein vergriffen sein. Es wäre das beste, wir machten Sie gleich zweimal." Er beutelte vergnügt seine schön geschwungene Nase, und seine Miene wurde ganz zuckersüß. Was sagen Sie zu Manrico? Auch ein schönes Kostüm und viel Trikots, das ists, was wir brauchen, diavolo! Also ich kann darauf rechnen, mein teurer Signor, si, si. Das Atelier ist hier nahebei, schicken Sie die Gewandung nur zu mir, und-"
,, Auch die Trikots, natürlich, das ist's, was Sie brauchen; und ich möchte weder Ihnen den saubern Handel, noch den den Damen den saubern Spaß verderben, Sie können meine Gewandung und meine Trikots ganz nach Belieben vervielfältigen lassen, aber stecken Sie Sich selber hinein, diavolo!"
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Friz drehte ihm hierauf brüst den Rücken und verließ den Laden. Er sah nicht mehr die verblüfften, sich rundenden Augen des kleinen Mannes, er hörte nicht mehr den Zornesruf: Maledetto tedesco!", der hinter ihm drein fiel, womit der Italiener alle Schwerfälligkeit, Unliebenswürdigkeit und Ungehobeltheit zu bezeichnen beliebt; er hörte auch nicht mehr das hönische Lachen, das darauf folgte, mit dem Zusaze:„ Und der will beim Teater sein Glück machen? Dime!"
VI Leinaia 3. Gentbr. 1881.