diese Stürme war dieselbe so verwüstet worden, daß außerordent liche Summen zu ihrem Aufbau nötig gewesen wären. Man besaß aber damals diese Summen im Braunschweigischen ebensowenig, wie man Neigung hatte, sich der schwierigen Aufgabe einer Erneuerung der Burg zu unterziehen, und gab vielmehr im Jare 1650 den Befel, die fast 500 järigen Mauern der einst so majestätischen Feste vollends zu stürzen, um aus dem dadurch gewonnenen Material die benachbart gelegenen, im Kriege niedergebranten Wirtschaftsgebäude des Amtes von Bündheim wieder herzustellen. Nun sind nur noch wenige Ueberbleibsel der Um
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fassungsmauern, färgliche Trümmer des Hauptturms und der allerdings wolerhaltene Brunnen als stumme Zeugen einer vielbewegten Vergangenheit vorhanden, einer Vergangenheit, die auf die mancherlei welterschütternden Fragen, die sie beschäftigt haben, gerade im gegenwärtigen Augenblicke die endgültige Beantwortung noch keineswegs durch die majestätische im Jare 1877 errichtete Säule erhalten zu haben scheint, deren stolze Inschrift: " Nach Canossa gehn wir nicht!" gegenwärtig von der vorsprin genden Spize desselben Bergs, den die Harzburg einst gekrönt, | in die weiten Gauen des deutschen Landes hinausleuchtet.
Hoyer war in sein Quartier zurückgekehrt.
Historische Novelle von Cart Cassau.
Die untergehende Sonne vergoldete eben die Spizen zweier majestätischen Tannen im Garten seines Wirtes, auf welchen die Aussicht von seinen Fenstern fürte. Laut jubelte, sumte und klang es im Herzen des Jünglings. Ihm fiel die Stelle wieder ein, die er im Lager hatte von den Reitern singen hören:
,, Denn Lieb' ist Feu'r,
Das brennet ja so heiß,
Weil's niemand ahnt und weiß,
Daß du mir teu'r."
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Wie war das doch so wunderbar schnell gekommen? Er, der nie gewußt hatte, was Liebe war, wurde heute von dem Anblick einer Dame, die er noch nicht ein halb duzend male gesehen, zur Liebe hingerissen! Ob das auch die rechte Liebe war? Merkwürdig, als ziemlich verständiger Knabe schon hatte er sich immer eingebildet, die kleine Jutta solle einmal seine Frau werden. Jutta, Jutta? Wie kam er denn auch jezt auf sie, die er seit neun Jaren nicht gesehen? Wie ein Weh schnitt es ihm bei dem Gedanken an sie durch sein Herz. Ja, was ging ihn aber auch dieses Kind an? Hier war es ganz etwas andres! Er war ein Mann geworden, die Kindereien mußten vergessen werden; wer wußte auch, ob die Raueks noch an ihn dachten? In Erna hielt er warmpulsirendes Leben, die Verkörperung des Schönen, in seinen Armen; er fülte ihren Atem, sog in Gedanken den Duft ihres Hares ein; sein ganzes sinliches Fülen war erregt. Ja, one Zweifel, das war die Liebe, die ja allmächtig sein sollte! Und durfte er sie denn nicht lieben, die Verkörperung der Schönheit? Wenn man Venus, die Göttin der Anmut, darstellen wollte, wie sie die alten griechischen Meister sich gedacht, konte man wol eine andre als Erna dazu erwälen? Und ihr Herz? Ihr Herz? Wie konten diese Augen lügen? Wie sanft war sie, wie hingebend, bescheiden, gehorsam? Ja, ja, sie war das Weib seiner Liebe. Aber der Page? Ach was, Kindergeschwäz, eingegeben von Eifersucht und Pralerei.
Und der Abend kam und legte sich mit Frülingswärme über die nordische Welt; der Glanz der Sonne war erloschen hinter den hohen Kjölen, und im Mondenglanz tauchten phantastische Nebelgestalten auf der weiten Fläche des Mälarsees auf. Da klopfte es bei ihm, und eine gewante Zofe drückte ihm eilig ein rosarotes, duftendes Briefchen in die Hand, dann entfloh sie.
Hoyer las errötend beim hocharmigen Leuchter: ,, Diejenige, welche Dir dieses Brischen bringt, wird Dich sogleich füren zu ihr, die Dich liebt; folge one Mistrauen!" Wie ihm seine Pulse klopften, wie jede Fiber sich dehnte, sein Atem stockte! Mochte es sein Verderben sein: er ginge zu ihr, beschloß er. Und sorgfältiger ordnete der Kranke mit seinem gesunden Arme seine Kleidung, seine Waffen, den Hutschmuck und den breiten, weiten Spizenfragen auf dem blauen Waffenrock. Ungeduldig wartete er dann. Jezt ein leichter Schritt, beide waren in der Dunkelheit verschivunden.
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Der Früling war da! Mit aller Macht hatte er in den lezten Maitagen den Winter vertrieben; die Vögel sangen in dem sich mit Grün bekleidenden Gebüsch, und die ganze Natur atmete Wonne.
Hoyer hatte August von Leubelfing nicht wiedergesehen; derselbe begleitete seine Gebieterin ins Feldlager, woselbst sie ihrem königlichen Gemal einen kurzen Besuch abstattete; stündlich aber
( 3. Fortsezung.)
erwartete man die Gebieterin im Reichsrat zurück, stündlich auch blickte Hoyer von Mansfeld aus nach den Fenstern jenes hohen Schlosses, das den Namen der Swensons fürte. Aber kein Lebenszeichen nam er dort an den bekanten Fenstern war, so oft seine Augen sehnsüchtig die lange Front absuchten. Jezt war er vor Langerweile hinausgeritten in den dunklen Fichtenwald vor dem Tore und die Höhe hinauf. Von dort flog sein Blick weit, weit über die Fläche des Baltischen Meeres hinaus, dessen Spiegel sich majestätisch vor ihm ausdehnte. Silbern schimmerten die Spizen der Wellen; weiße Segel tauchten hier und dort auf; welches war das rechte, unter dessen Schuz Erna heimwärts kehrte? Sie begleitete natürlich die Königin, obwol widerwillig und trozend. Hoyer hatte sie beruhigt, aber mit Ungelduld ertrug er ihre Abwesenheit. Zum hundertsten male nam er ein Rosenblatt aus seiner Ledertasche und las die Zeilen, in denen sie, eine Meisterin in der Dichtkunst, Abschied von ihm nam:
,, Längst dacht' ich mich für alle Lieb' erstorben, Da sah ich eines Tags durchs Fenster Dich, Und ach, der Liebe Allgewalt traf mich, Es brach mir an ein neuer Lebensmorgen. Nicht braucht die Liebe fremden Glanz zu borgen: Mein töricht Herz hat längst entschieden sich, Nur einen einz'gen liebt es ewiglich; Ob er's erwidert, macht allein mir Sorgen. O, sieh mich an, Du heißgeliebter Mann, Von dem ich nun und nimmer lassen kann, Mein Herz liegt klar Dir, wie ein offen Buch; Wenn ich nur dich für alle Zeit gewann, Daß immer Du in meiner Liebe Bann, So bist auch Du allein mir stets genug!"
Er betrachtete dann die Schleifen, einen Handschuh, Liebespfänder, deren er sich in wonnevollen Stunden bemächtigt, ein trockenes Tannenreis, und gedachte der Stunden, die er abends dort im Schlosse zugebracht, wenn heimlich ihn die Zofe die geheime Treppe hinauffürte. Indes trottete sein Roß leicht durch den Wald, und er näherte sich der Stadt.
Da saß gleich den Schicksalsgöttinnen der alten heidnischen Nordlandsvölker ein eisgraues altes Weib am Wege und hielt die Hand dar, eine milde Gabe begehrend. Diese fiel bei Hoyer reichlich aus, so reichlich, daß die Alte sich nicht des Wunsches entbrechen fonte:
" Gott segne den jungen reichen Herrn!"
" Get es Euch schon lange so schlecht, Mütterchen?"
" O nein, junger Herr; als ich noch im Palast Swenson lebte, da hatte ichs gut; hernach kam die junge Gräfin ins Haus; die fonte mich kaum leiden, weil ich offene Augen hatte und dem alten seligen Grafen manches sagte."
,, Adieu!" rief nun Hoyer, seinem Rosse die Sporen gebend'; er fürchtete, etwas unangenemes von Erna zu hören und wollte lieber nichts wissen. Liebe ist blind!
Jezt bemerkte Hoyer auch, daß auf dem königlichen Schlosse die Fahne aufgezogen war. Freudig bebte sein Herz, denn sie waren zurück, waren heimgekehrt, die Königin und ihre Begleitung. Eiligst galoppirte er heim.
Leubelfing hatte den Dienst im Vorzimmer der Königin und neigte sich vor dem Nebenbuler:
" Ich grüße Euch, Herr Obrist!" " Desgleichen; alles wol zurück?"