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vervollständigen diese Zimmereinrichtung. Wie bei dem bethmann'schen Schlafzimmer Blau, so ist hier Grün die dominirende Farbe geworden. Die Wände oberhalb des Paneels sind mit einer stilvoll gemusterten Plüschtapete bekleidet; eine maskirte Tür ist mit einer in schweren Falten herabhängenden und mit schöner Posamentrie geschmückten Portière von dickem, grünem Plüsch halb verhängt; sämtliche Polstermöbel sind mit einem änlichen grünen Plüschstoff überzogen; der Ofen ist olivengrün. Das Graubraun der Möbel fügt sich in diese Tönung vortrefflich ein. Ein sich an diese Wonungseinrichtungen anschließendes Badezimmer, auf welches näher einzugehen es uns leider an Maum gebricht, erregt infolge seines heitern graziösen Karakters ebenfalls mit Recht allgemeine Bewunderung.
Was die Tonindustrie anget, so ragt insbesondere auch die Töpferei zu Bürgel bei Jena mit ihren ausgestellten Gegenständen hervor. Es ist hier der Beweis geliefert worden, daß es möglich ist, auch für die Heimstätte des sogenanten gemeinen Mannes und des Arbeiters wirklich tünstlerisch geformte Sachen, die um billigen Preis verkauft werden können, herzustellen.
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Wer die Preise auf jenen olivengrünen, blauen, roten und gelben Kannen u. s. w. nicht gelesen hat- 70 Pfg., 75 Pfg., 1 Mt. u. s. w. der hat diese Waren vielleicht auf das drei- und vierfache im Preise geschäzt, denn sie übertreffen in der Farbe sogar manche teueren Produkte anderer Fabriken. Wie ein Deus ex machina ist diese bürgeler Kunst plözlich auf dem Plan erschienen, vollendet in ihrer Arbeit und zur Nachahmung anreizend. Ende September 1879 fing die großherzogliche Regierung zu Weimar an, sich für die bürgeler Töpferei lebhafter zu interessiren; am 20. November wurde in Bürgel bereits eine Ausstellung von Tonwaren inszenirt, welche die Beachtung aller derer erregte, die sich für geschmackvollere Form der Gefäße, bessere und gleichmäßigere Glasur, bessere Farbengebung und passendere Nuanzirung der selben, geschmackvollere Ornamentation und glücklichere Nachahmung guter Muster interessiren; und heute bietet die hallesche Ausstellung ein kleines, aber um so glänzenderes Bild dieser Tonkunst, das nicht verfelen wird, besonders auf diejenigen Eindruck zu machen, die Luxusund Kunstindustrie für identisch erachten. Der Ton wird in Gruben von 3 bis 5 Meter Tiefe auf der Flur zu Mertendorf , 12 Stunden von Bürgel, gegraben. Die Ausbeute ist nicht geregelt und geschiet nach Lust und Bedürfnis von Privaten auf ihren Grundstücken. Der Ton, welcher weiß, grau, gelb, blaßrot und braun gefunden wird, läßt sich nicht schlemmen, weil er dadurch die Kieselerde, welche er bei der Bearbeitung behalten muß, als feinen Sand abgibt; er wird daher in jeder Werkstatt von einer besonderen Person zerstoßen, in einer Tongrube vermengt, mit Wasser eingequellt, dann gehackt, geschnitten, ge= treten und gefnetet und dabei von den Kalksteinchen gereinigt. Das Formen der Tongefäße geschiet durch Drehen auf der Töpferscheibe; es sind auf diese Weise erstaunlich große Gefäße geliefert worden. Das Modelliren und Drücken in einer Form war bisher wenig in Gebrauch, einerseits weil die Kentnis hierzu felte, anderseits weil die geringen Mittel der Töpfer eine Anschaffung der Formen nicht gestatteten. Die äußerliche Verschönerung der Waren geschiet durch Glasiren und durch Beguß von allen möglichen Farben, von welchen die grauen, braunen und blauen am häufigsten vorkommen. Nicht unschön erscheinen die roh und unglafirten gebranten Gegenstände, welche braun aussehen und beim Verbrennen von selbst einen matten Glanz bekommen. Das Auftragen der Farben geschiet mit dem sogenanten ,, Malhorn"( einem kleinen tönernen Behälter mit Federspule, einem höchst primitiven Werkzeuge) und wird meistens von Frauen und von Kindern besorgt. ( Fortsezung folgt.)
Wilderersepps Ende.( Siehe Bild S. 592-93.) Die Liebe zur Jagd ist sehr alt. Nicht allein die weltlichen Herren, sondern auch die Geistlichkeit, ja sogar Aebtissinnen sind dem edlen Weidwerke nachge= gangen. Freilich waren es nur die Glieder der herschenden Stände, welche sich diesem Vergnügen hingeben konten, die unteren Schichten der großen Gesellschaftspyramide haben sich lange mit der Forderung nach der Berechtigung zur Jagd begnügen müssen. Und das Recht zur Ausübung derselben für jedermann ist in allen revolutionären Bewegungen als eines der ersten und wichtigsten bezeichnet worden. Hatte doch namentlich der Landmann große Ursache, sich vor dem gleich einer wilden Jagd über seine Felder dahinjagenden Wilde zu schüzen, das ihm seine Saten und Ernten zertrat, one daß er auch nur bei der hohen Obrigkeit Gehör auf seine dagegen gerichteten Klagen gefunden hätte. Aber wie alles Verbotene einen ganz besonderen Reiz und vor allem im Menschen den Wunsch es zu besizen erweckt, so auch die verbotene Jagd. Und dieses Verlangen steigerte sich bedeutend durch die Erfindung des Schießgewehres, wodurch die Erlegung des Wildes ja überhaupt bedeutend erleichtert wurde. Die Wilderer vermehrten sich daher
troz der hohen Strafen, von denen sie betroffen wurden. Herzog Ulrich von Würtemberg ließ allein 1517 Wilddieben beide Augen ausstechen; sonst band man sie auch auf einen Hirsch fest und jagte sie durch Feld und Wald in den Tod. Auch folgende Sage beweist die Leidenschaft, mit der das Weidwerk betrieben wurde. Es kam zu einem Gemsjäger, als er oben im Gebirge jagte, ein Zwerg und verbot ihm, die Gemsen, welche sein Eigentum seien, zu schießen. Er versprach dem Jäger auch für jeden siebenten Tag eine geschlachtete Gemse, wenn er sich nicht mehr im Gebirge sehen lasse. Eine zeitlang folgte der Weidmann dem Gebot, dann erwuchs aber die Jagdbegier stärker als früher, er ging dem verbotenen Vergnügen nach, aber als er hoch oben auf einer Klippe auf einen Gemsbock anlegte, riß ihn der Zwerg am Fuße nieder, daß er zerschmettert in den Abgrund sant. Wie dem Jäger in der Sage, so erging es auch dem Sepp, der, wie viele seiner Landsleute, das in den herlichen Bergen seines Heimatslandes grasende Wild auch als sein Eigentum betrachtete und sich deshalb heimlich manch feistes Stück wegschoß. Er hätte das nun freilich als einziger Son eines der reichsten Bauern im Orte nicht nötig gehabt und sein Schazert, die schöne Rosi vom Klosterhof, hat ihn auch oft gebeten, er möge doch das Wildern lassen, da sie immer in Angst lebe, daß er eines Tages zerschossen nach Haus gebracht würde. Noch gestern Abend hat sie mit Tränen in den Augen ihn beschworen, ihr das Versprechen zu geben, nie mehr auf die Jagd zu gehen, und er hat denn auch gelobt: morgen. Heute, dachte er für sich, mußt du dir erst den kräftigen Zehnender oben von der Schwarzeck wegknallen, und dies soll das lezte Stück sein, welches du dir holst. Er war denn auch gegangen, sein weinendes Mädchen zurücklassend, aber er kam nicht wieder. Und als man ausging und ihn suchte, da fand man ihn tot der prächtige Hirsch auf ihm liegend, sein Geweih in die Brust des Burschen gebohrt genau so wie die Szene auf unserer Illustration dargestellt ist. Es war das ,, lezte Stück", das er geschossen, aber es hat auch ihn im Todeskampfe mit sich in den Tod gezogen, indem es ihn, in dem Momente, als er ihm mit dem Hirschfänger den Garaus machen wollte, mit sich den Abhang herunterriß.
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Redaktionskorrespondenz.
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Hannover . N. D. Die Freizügigkeit ist in Preußen nicht erst ,, vor kurzem eingefürt", sondern durch das Gesez des Norddeutschen Bundes von 1867 und das Reichsgesez von 1870 eher beschränkt als erweitert worden. Das preußische Freizügigkeitsgesez stamt aus dem Jare 1842, und schon nach diesem konte einem Neuanziehenden die Niederlassung polizeilich nicht untersagt werden auf Grund der Anname, daß er sich nicht würde ernären können; jedoch mußte er sich ein Unterkommen zu verschaffen im stande sein. Ferner erwarben nach dem Gesez von 1842 die Neuanziehenden nach einjärigem Wonen an einem Ort den Unterſtüzungswonsiz, freilich mit Ausname von Dienstboten, Gesellen und Arbeitern, welche dieses Rechtes erst nach dreijärigem Wonsiz teilhaftig wurden. Das Reichsgesez von 1870 hat gleiches Maß geschaffen durch Einfürung der allgemeingiltigen Bedingung des zweijärigen Wonsizes, wärend man auch nach ihm durch zweijärige Abwesenheit von der Heimat den Unterstützungswonsiz verliert. Nimt jemand an einem Orte, an dem er noch nicht zwei Jare wonhaft ist, die öffentliche Mildtätigkeit in Anspruch, so kann er in seine Heimatsgemeinde verwiesen werden, indessen müssen im Falle der Erkrankung Dienstboten, Gesellen und Gewerbsgehülfen, wenn es nötig ist, sechs Wochen von der Gemeinde ihres Aufenthalts verpflegt werden. Ein Unterstüzungsbedürftiger, der nirgend Unterstützungswonsiz hat, wird als ,, Landarmer" von dem Bezirk unterstüzt, in dem er sich aufhält.
Königswinter . Handlungsreisender F. 1 ) Stopzen heißt eine geheime Religionssekte in Rußland , die aus dem vorigen Jarhundert stamt und troz eifriger Polizeiverfolgungen ziemlich zalreich sein soll. Ihre Anhänger verstümmeln sich in der Absicht, die Sinlichkeit zu ertöten. 2) Die Umlaufszeit der Kometen toute nur bei einigen derselben, nicht bei allen, bis jezt mit ziemlicher Sicherheit bestimt werden. Nach dem uns augenblicklich zur Hand liegenden Material sind diesbezüglich hauptsächlich folgende zu erwänen: a. der Komet Halley's mit einer Umlaufszeit von 76 Jaren, b. der Olbers ' mit 74 J., c. der Ente's mit 3,29 J., d. der Biela's mit 6,74 J., e. der Faye's mit 7,46 J., f. der de Bico's mit 5,46 J., g. der Colla's mit 249 3., h. der Brorsens mit 5,5 J., i. ein zweiter Komet de Vico's mit 73,25 J., k. der d'Arrests mit 6,44 3., 1. der Westphals mit 60 J., m. der Tuttle's mit 13,75 J., n. der Winnecke's mit 5,5 3., o. der Oppolzers mit 33,18 J. Wenn aller bisher gesehenen Kometen Umlaufszeit bereits berechnet wäre, so würden Sie hoffentlich nicht grausam genug sein, von uns zu ver= langen, daß wir im Korrespondenzwinkel darüber Bericht erstatteten, denn es dürfte deren so ungefär 900 geben, von denen etwa nahe an 300 astronomisch beobachtet worden find. Uebrigens hat der vorerwänte Komet de Colla's troz seiner 249 Jare noch lange nicht die längste Umlaufszeit, vielmehr gibt es Kometen, wie z. B. der von 1680, der von 1811, sowie auch der große donatische von 1858, deren elliptische Bahnen so exzentrisch, d. h. so langgestreckt sind, daß sie erst nach tausenden von Jaren in den Sehfreis der Erdbewoner wiederkehren können.
Mainz . Frau P. Schnitte für Damenbekleidungsstücke kann die ,, N. W. " leider nicht bringen und hat sie nie gebracht. Dagegen werden wir höchst warscheinlich in der Lage sein, demnächst interessante kulturhistorische Arbeiten über leider= trachten vergangener Zeiten zu bringen, aus denen sich auch zur Beurteilung der gegenwärtigen Bekleidungsweise und Moden viel wird lernen lassen. Baffau. Pensionirter Offizier. Strengwissenschaftliche Arbeiten in Knittelversen"? Wir danken! Der Stoff soll der Form, die Form dem Stoffe angemessen sein.
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Bamberg . Frau E. Ihr Wundsein ist offenbar gar keine Erscheinung, welche gegründete Ursache zur Besorgnis gäbe, umsoweniger als Sie ,, ziemlich( wol sehr ziemlich") zur Korpulenz neigen". Früh und abends Waschungen mit taltem Waffer und Aufstreuen von Semen Lycopodii( Bärlappsamen) werden die Wundheit bald beseitigen.
Kreuznach. Frl. M. 8. M. Ihre Novelle ,, Treu geblieben" ist zu unserm Bedauern für uns nicht verwendbar.
Inhalt. Herschen oder dienen? Roman von M. Kautsky( Fortsezung). Die Sachsenkämpfe wider die Harzburg . Historische Stizze. von Sigismund Thalens. Aus Deutschlands schlimster Blut- und Eisenzeit. Historische Novelle von Cart Cassau( Fortsezung). Blicke in die Gewerbe- und Kunstausstellung zu Halle a/ S.( Fortsetzung.) Wilderersepps Ende( mit Illustration). Redaktionskorrespondenz.
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