-
605
Bilder aus dem Privatleben der Griechen und Römer.
Von Dr. Max Vogler.
Vielleicht fragt sich der Leser, wenn wir ihm hier Bilder aus dem Privatleben der in kultureller Hinsicht höchstentwickelten Völker des Altertums vorfüren wollen, wie es uns möglich ist, genaue Kentnis der Daseinsweise der lezteren zu besizen, über all' die Formen, Regeln und Gewonheiten unterrichtet zu sein, die von ihnen sowol im alltäglichen Gange, wie unter den verschiedenen Umständen
und Wechselfällen des Lebens beobachtet wurden. Der Leser würde damit die Frage nach den Quellen und Hülfs
mitteln ge= schichtlicher Kentnis überhaupt ausgespro= chen haben, und im vor liegenden Falle wäre ihm darauf zu antwor ten, daß wir bereits in den Werken des alten Homer eine Fülle von Mitteilun= gen finden, die uns tiefe und flare Einblicke in das Privat leben des Volkes, dem er angehörte, lassen;
tun
noch
mehr
aber ist dies
bei
dem
verdanken wir dann Julius Pollux , dem Lexikographen und Rhetor, ferner dem geistvollen Biographen Plutarch ( erstes Jarhundert n. Chr. Geb.), dem im dritten Jarhundert nach Christi Geburt lebenden Sophisten Alkiphron, der in seinen 118 Brifen
zwischen 490-480 v. Chr.) der Fall. Dann sind es die Lyriker, und von diesen namentlich Pindar , die uns in dieser Hinsicht belehren, ferner vor allem der große Satiriker Aristophanes , der Komödiendichter Menander( zu Alexanders des Großen Zeit), ganz besonders aber der sophistische Philosoph Athenäus ( um 228), der in seinem fünfzehn Bücher umfassenden Werke:" Die gelehrte Tischgesellschaft" sich in Gesprächsform über Gegenstände des gesellschaftlichen und häuslichen Lebens verbreitet und dabei unschäzbare Beiträge zur Geschichte der Wissenschaften und Künste, Sitten und Gewerbe gibt, wodurch uns übrigens, nebenbei bemerkt, zugleich eine Menge wichtiger Bruchstücke aus zum Teil verloren gegangenen Werken griechischer Schriftsteller( es werden deren Sarin 1500 aufgefürt), aufbewart worden ist. Weitere Aufschlüsse
in gefälliger Schreibweise eine Schilderung der Sitten und Kulturzustände, vornemlich
Athens , durch Vorfürung verschiedener Stände( Fi scher, Bauern, Parafiten und Hetären) entwirft, dem Verfasser des kleinen Epos„ Hero und Lean der ", Mufäus, dem Roman= schriftsteller Heliodor
um 400 n. Chr. und dem in glei cher Richtung schaffenden, ein Jarhundert lebenden
später
Achilles Ta tius , ferner Chariton, gleichfalls Roman schriftsteller, einer
und Anzal anderer Autoren. Dazu kommen als wefentlichste Hülfsmittel die Werke der bildenden Kunst, vor allem die Vasen und Reliefs. Von dem Privat
leben der Römer empfangen wir aus den Werken fast aller Schriftſteller dieses Volkes, sowie aus den uns sonst überbliebenen Denkmalen des römischen Altertums weitgehende und sichere Kentnis.
Um nun zu zeigen, wie die Griechen und Römer in ihrem privaten Leben sich gaben und gehabten, muß zunächst darauf hingewiesen werden, daß bei beiden Völkern die Scheidelinie zwischen diesem und dem öffentlichen Leben überhaupt sehr schwer zu ziehen ist; denn alle persönliche Betätigung lief auf den Staat, die Deffentlichkeit hinaus, der einzelne lebte nur für den Staat, jede Seite des Lebens erschien als ein Teil des Gesamtlebens der Nation. Unter den Griechen war dies hauptsächlich bei den Spartanern der Fall, bei denen von Geburt an die ganze Existenz