des einzelnen an den Staat geknüpft, das Kind bereits der Familie entfremdet und als Ziel seiner ganzen Ausbildung lediglich Tüchtigkeit und Brauchbarkeit für den Staat angesehen wurde, wärend bei den Athenern eine freiere Ansicht von dem Verhältnis des einzelnen zur Gesamtheit herschte, derzufolge auch eine vom Staate nicht unmittelbar abhängige, ihm nicht unmittelbar die nende Bildung ihre Berücksichtigung fand und überhaupt die Ausbildung zu einem geistig und körperlich gesunden, sitlich freien und starken, für jede Art von Schönheit one weiteres empfänglichen Menschen als das Ziel der Erziehung erscheint. Diese Gesichtspunkte dürfen also bei einer Betrachtung des Lebens der Griechen und Römer nicht aus den Augen gelassen werden. Wir gedenken die leztere in der Weise stattfinden zu lassen, daß wir die Blicke des Lesers immer zuerst auf Griechenland , dann auf die entsprechenden römischen Verhältnisse richten.
Hatte das Kind die Augen zum Leben aufgeschlagen, so wurde zuerst die Frage erörtert, ob dasselbe am Leben erhalten werden solle oder nicht. Bei den Spartanern verfur man, wie bekant, in dieser Hinsicht mit besonderer Strenge. Unmittelbar nach der Geburt trafen die Aeltesten die Entscheidung über das Leben des Kindes. Fiel dieselbe günstig aus, so blieb es bis zum siebenten Jare in der Familie. Im anderen Falle wurde das Kind in eine Bergkluft am Taygetos geschleudert. Das neugeborene Kind wurde in eine Schale Wein getaucht, jedes krüppelhafte oder gebrechliche sofort getötet. Als Wasser zum Bad wurde zuerst kaltes, dann lauwarmes benüzt. Nach dem ersten Bade bettete man das Kind in Windeln, erst am vierten oder fünften Tage wurde es feierlich in die Familie aufgenommen, und der Vater erklärte damit gewissermaßen, ob er es auferziehen oder aussezen wolle.
Die wolhabenden Mütter ernärten die Kinder nicht selbst, sondern übergaben sie den Ammen, die entweder Sklavinnen- und das war zumeist der Fall- oder arme Bürgerinnen waren. Besonders waren die Lakominerinnen gesucht. Sodann kam das Kind in die Hände der Wärterin, die es pflegte, es herumtrug und durch Klappern und das Darreichen von Puppen die kleinen Schreihälse zur Ruhe brachte. Auch derbe Schläge wurden nicht gescheut, und außerdem suchten die Wärterinnen ihre Anbefolenen, wenn sie verständiger zu werden begannen, durch allerlei Schreck bilder und Fabeln von Unarten abzuhalten. Als Ammenmärchen dienten schon einzelne, leicht zu erfassende Züge aus den Heldensagen, neben denen man den Kindern gern Tierfabeln erzälte, deren schon Herodot erwänt. One Zweifel spielten dabei schon in der ältesten Zeit auch manche von den Fabeln, die wir bei dem Zeitgenossen Solons und der sieben Weisen, Aesop , wieder finden, eine Rolle.
Mit dem siebenten Jare nam in Sparta bereits der Staat die Erziehung des Knaben in die Hand; übrigens wurden hier die Mädchen ganz in derselben Weise wie diese erzogen. Sie hatten auch ihre eigenen gymnastischen Uebungen, was zur Folge hatte, daß sich in ihnen ein fast mänlicher Karakter entwickelte. Die Knaben sollten vor allem tüchtige Krieger werden; zu diesem Zwecke wurden die Altersgenossen zusammengetan, in Ober- und Unterabteilungen verteilt, deren jede unter der Fürung des tüchtigsten Knaben aus ihrer Mitte, das ganze unter Leitung des Paidonomos, des Vorstehers der Jugenderziehung, stand. Es waltete eine eiserne und erbarmungslose Zucht. Vom zwölften Jare an mußte ein kurzer Mantel unverändert als Kleidung für Sommer und Winter genügen, die Füße blieben unbeschuht, das Lager war hart und kalt, meist aus dem vom Knaben one Hülfe eines Wessers selbst zusammengerafften Schilf des Eurotas gebildet.
Durch eine äußerst einfache und knapp zugemessene Narung wurde das Kind früh an Entbehrung gewönt, dem Hungernden aber so seltsam uns das scheint Diebstal von Narungsmitteln erlaubt. Man sah es sogar gern, wenn der leztere mit kühner List und Erfolg ausgefürt wurde, wärend Hunger und Geißelhiebe denjenigen trafen, der sich ergreifen ließ. Die Schärfung des Geistes erwartete man vorzüglich von dem stetigen Ümgange der Knaben untereinander, wenn auch keineswegs jeder geistige Unterricht ausgeschlossen war. Neckereien und Spöttereien forderten den Wiz heraus, spornten zu schneller, schlagfertiger Antwort, und wer es hinsichtlich der„ lakonischen Kürze" am weitesten brachte, erfreute sich des meisten Beifalls. Nach strenger Regel wurden die gymnastischen Uebungen getrieben, die nicht blos den Knaben und Jüngling, sondern den jungen Mann bis zum dreißigsten Lebensjare in Anspruch namen.
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Bei den Athenern wurden die Knaben vom sechsten Jare an der Aufsicht eines" Pädagogen" anvertraut, der freilich nicht immer, wie man wol erwarten sollte, vorzüglich gebildet, sondern meist ein Sklave war. Ihm lag es in der Hauptsache ob, die Knaben, wenn sie zeitig aufgestanden waren, sich gewaschen und ihre aus Brot und Obst bestehende Morgenmalzeit zu sich genommen hatten, überallhin zu begleiten, namentlich in die Schule, deren Besuch sehr regelmäßig sein mußte; er erscheint demnach nicht eigentlich als Lehrer, sondern vielmehr als Erzieher der ihm anvertrauten Knaben. Der erste Unterricht bestand int Schreiben und Lesen, wobei besonders auf deutliche und bestimte Aussprache Gewicht gelegt wurde. Die Schulen waren Privatanstalten, eine Aufsicht des Staates über den Unterricht finden wir garnicht, oder doch in sehr beschränktem Maße, weshalb die Aermeren häufig schon früh zu einem Handwerk übergingen; ja, es kam in seltenen Fällen wol gar vor, daß Kinder ganz unbemittelter one allen Unterricht aufwuchsen. Die Elementarlehrer erfreuten sich nicht besonderen Ansehens, weil viele, one selbst die erforderliche Bildung zum Lehrberuf zu besizen, sich diesem nur mit Rücksicht auf den dadurch gewonnenen geringen Erwerb zuwanten. Natürlich aber waren unter ihnen auch sehr gebildete und darum allgemein geachtete Männer. Die Einname der Lehrer bestand ausschließlich in Honorar, welches wol nach dem Rufe und der Tüchtigkeit derselben ein verschiedenes war. Der Unterricht nam schon am frühen Morgen seinen Anfang und sezte sich auch am Nachmittage fort.
Nachdem der Elementarunterricht, in welchem sich zum Lesen und Schreiben noch die Anfangsgründe im Rechnen gesellten, beendet, begann die Ausbildung durch den Grammatikus, der besonders das Lesen, Auswendiglernen und Vortragen poetischer Stücke leitete. Als Grundlage dieses ganzen Unterrichts dienten neben etischen Gedichten und Fabeln vor allem die Gesänge des Homer, der die Quelle und der Mittelpunkt hellenischer Bildung blieb, obschon ihn einige Philosophen wegen, ihrer Meinung nach, leichtfertiger Ansichten über die Götter aus der Schule verbant wissen wollten. Seine Gesänge lernten die Knaben, die sich Bücher nicht leicht anschaffen konten, durch Hören auswendig und zwar ganze große Stücke derselben. Daneben wurde Hesiod gelesen, dessen Lektüre sich diejenige der Lyriker und der drei großen Dramendichter Euripides , Sophokles und Aeschylos anschloß. Auch legte man besonderen Wert auf das Auswendiglernen von Sentenzen, Sprüchwörtern, karakteristischen und lebhaften Stellen aus den Schriftstellern, und in späterer Zeit wurde den Geschichtschreibern Herodot , Xenophon und Thukydides lebendige Aufmerksamkeit zugewendet. Die historischen Kentnisse suchte man durch das Anschauen von Bildern zu befestigen, besonders auch durch Darstellungen aus der Ilias und Odyssee, wovon uns einige interessante erhalten sind.
Zu dieser Art von Unterricht trat dann etwa mit dem dreizehnten Jare die Musik, deren große etische Bedeutung die Hellenen vor allem erkanten, und mit der in den Mußestunden sich zu beschäftigen, man für das edelste Vergnügen ansah. Vor allem wurde der Gesang und das Flötenspiel gepflegt. Das Zeichnen wurde merkwürdigerweise erst im vierten Jarhundert v. Chr. ein allgemeiner Lehrgegenstand in den Schulen. Besser stand es um den Unterricht in den matematischen Wissenschaften, die ja durch die Philosophen bedeutende Förderung erfuren. Als ein sehr wesentlicher Teil der Erziehung wurden die Turnübungen angesehen, die in verschiedenen Stufen, vom einfachen Ballspiel, Laufen, Springen, Spießwerfen bis zum Ring- und Faustkampf einander folgten. Daneben schwamm man fleißig und badete häufig; selbst das kälteste Wasser wurde nicht gescheut. Sokrates ging sogar barfuß auf dem Eis. Auch gab es ausgezeichnete Taucher. Als Vorbereitung für den Kriegsdienst traten noch Uebungen in den Waffen und in der Reitkunst hinzu. Allenthalben wurde streng auf Anstand, edle Haltung und Sitte geachtet.
Wie bekant, fanden diese körperlichen Uebungen in dem Gymnasium statt, das in keiner griechischen Stadt felte; größere Städte besaßen deren sogar mehrere. Ursprünglich nur einfache von Säulen umgebene Höfe, namen diese Gymnasien einen immer grö Beren Umfang und höhere Pracht an. Namentlich wurde auf würdige Ausschmückung derselben durch plastische Kunstwerke gesehen. Die Gymnasien bildeten in der Regel ein großes Quadrat, von schattigen Baumpflanzungen umgeben und einen großen freien Plaz in sich schließend, der vorzugsweise zu Leibesübungen und Spielen benuzt wurde. Das Gebäude enthielt Ringsal, Auskleidungszimmer, Ballspielsal, Gänge, zum Wettrennen bestimt;