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ferner fand man in den Gymnasien einen Teich und Bassins zum Baden, sowie einen amphiteatralisch geformten Sizraum für eine große Zuschauermenge. Andere, mit steinernen Bänken an den Wänden versehene Hallen dienten den Philosophen, Rhetoren u. a. zu Unterhaltungen und Belehrungen. Vor allem hatte in dem hervorragendsten Gymnasium von Athen , der sogenanten ,, Aka demie ", das sich schon durch seine äußerst vorteilhafte Lage auszeichnete, alles einen geheimnisvoll feierlichen Anstrich. Rings um dasselbe waren liebliche Anlagen von Platanen und Delbaumpflanzungen hergerichtet, und außer diesen und den sich daran anschließenden Spaziergängen befanden sich daselbst noch ein Altar der Musen, mit Statuen geschmückt, Altäre der Eros, des Herakles, des Prometheus , ein Heiligtum der Athene u. s. w. Wenn man sich das alles in lebendiger Gestaltung zurückdenkt, so mag einen allerdings das Gefül jener Sehnsucht nach dieser heiter schönen hellenischen Welt überkommen, wie sie dem unglücklichen Hölderlin die Verse eingegeben hat, in denen er von Athen sagt:
Wo durch Blunten der Jlissus rann, Wo die Jünglinge sich Ruhm ersannen, Wo die Herzen Sokrates gewann"
Ihren Abschluß erreichte die geistige Ausbildung durch den Unterricht bei den Philosophen und Rhetoren, der sich insbesondere auf Rhetorik, Philosophie und Staatskunst erstreckte. Freilich konten sich diese Ausbildung nur Reichere teilhaftig machen, da für diesen Unterricht ganz bedeutende Honorare bezalt werden mußten. Isokrates und Aristippos ließen sich z. B. 1000 Drachmen ( ein Drachme ungefär 80 Pfennige) für ihren Unterricht bezalen. Es braucht wol nicht besonders hervorgehoben zu werden, daß diese Art von Unterricht erst wärend der Blütezeit des Hellenentums eintreten konte, und daß das Bedürfnis nach einem solchen sich in desto höherem Grade geltend machte, je mehr die geistige Tätigkeit sich ausbreitete, verzweigte und die mannigfachen Interessen des öffentlichen Lebens und der gesteigerte allgemeine Bildungsgrad eine höhere teoretische Ausbildung des einzelnen erheischten. ( Fortsezung folgt.)
IV.
Historische Novelle von Carl Caffan.
Einst wird kommen der Tag, da das heilige Jlion hinsinkt, Priamos selbst und das Volk des lanzenkundigen Königs."
( Iliade.)
In einem Zimmer des Erdgeschosses eines behäbigen Bürgerhauses, nahe am Ulrichstore auf dem Breiten Wege zu Magde burg saßen in der Mitte des Monats April im Jare 1631 drei Personen beisammen. In dem hohen Manne mit der schmalpelzverbrämten Ratsherrnrobe erkennen wir leicht einen alten Bekanten wieder, Professor Rauet, jezo vom Stadtschreiber bis zum Stadtfynditus emporgestiegen. Es ist früh morgens und ein wundervoller Frülingstag schaut durch das offene Fenster aus dem Garten herein, in dem schon Tulipanen, Schlüsselblumen und Krokus auf den Beetchen blühen. In einem Lehnstul, ihrem Gatten gegenüber, sizt die Frau Syndikus, jezt schon fünf Jare an der leidigen Gicht krankend. Zwischen beiden sizt die Wonne des Hauses, eine echt deutsche, hochgewachsene Jungfrau mit köstlich blondem Har und großen, dunkelblauen Augen, einst die kleine Jutta.
In der Ferne hört man von Zeit zu Zeit ein dumpfes Dröhnen.
" Hörst du, Vater," begint Jutta das Gespräch, sie schießen wieder aus der großen Batterie!"
" Ja, und die unsrigen antworten aus dem, Heideck ' und vom , 8winger aus."
" Ist auch keine Gefar?" fragt die kranke Mutter mit einem Winte ihrer Augen nach dem offenen Fenster.
Nicht die geringste," versicherte der Gatte, die Holzblende ist hoch und did genug."
Und er erhob sich, gleichsam seine Worte zu kontroliren, und siehe da, im kleinen Garten ist eine Art von Zaun von dicken Brettern aufgerichtet, der die Gartenseite des Hauses vollkommen vor feindlichen Kugeln schüzt.
Werden wir uns halten können, Vater?" fragte Jutta angstvoll.
Mit Gottes Hülfe ja, mein Kind; sonst sei uns auch Gott gnädig!" fezte er dumpf hinzu.
" Sind die Kaiserlichen so schlimm und so gefärlich, lieber Mann?" warf hier die Kranke ein.
„ Es sind die entmenschten Banden der Kroaten und Slavonen, die pappenheim 'schen und isolanischen Regimenter, nebst den Wallonen, durch den Krieg ganz vertiert, die uns eingeschlossen halten; wo außerdem Schramhans, so nent man Pappenheim wegen seiner vielen Wunden, kommandirt, da ist Raub, Mord und Plünderung die Parole!"
"
Aber hört man denn garnichts von Gustav Adolf ? Es ist doch nunmehr fast Jaresfrist, daß er in Deutschland gelandet ist, und mehr als Monatsfrist, daß wir mit ihm das Bündnis eingegangen?" warf Jutta besorgt ein.
Der Syndikus seufzte schwer auf; seit zwei Wochen erwartete man schon mit Sehnsucht schwedische Hülfe. Zwar hatte Magde
( 4. Fortsezung.)
burg einst Kaiser Karl V. siegreich getrozt, und man hatte damals, als der starke Kaiser auch Meh vergeblich belagerte, spottweise gesungen: ,, Die Mez und die Magd
Haben dem Kaiser den Tanz versagt,"
zwar hatte die Festung auch anno 1629 dem Waldsteiner wiederstanden, aber so ernstlich war auch die starke, jedoch nicht regelrecht verproviantirte Festung noch nicht belagert worden, wie von dem 30 000 Mann starken Heere des alten Korporals, der die einzig durch ihre Bürger verteidigte Stadt zu ermüden hoffte. Zwar zweifelte der ergraute Feldherr der Liga von vornherein an einem ernstlichen Erfolg seit dem Abend auf dem„ Neuen Hause" zu Hameln , wo er mit den Grafen von Gransfeld und Pappenheim die Belagerung Magdeburgs verabredete, und eine Windsbraut die Verhandlungen unversehens störte, sodaß der abergläubische Tilly sich bekreuzt hatte, aber dafür war Pappenheim die Seele des ganzen Unternemens, denn er trieb die Belagerer zu immer neuen Anstrengungen und brachte die Laufgräben den Werken der Stadt jezt so nahe, daß ein Sturm bald gewagt werden konte.
Jezt ertönten Trompetenfanfaren in der Stadt. Der Syndikus und Jutta eilten nach der Haustür; und da ritten denn unter Begleitung eines Trompeters, der schmetternde Signale der langen schwedischen Trompete entlockte, sechs Offiziere in blau und gelb, die schwedischen Farben, gekleidet, mit Schärpen und Federn den Breiten Weg entlang.
„ Gott sei Dank," rief der Syndikus bewegt aus,„ es sind Gustav Adolfs Boten, die seine baldige Ankunft anmelden!" ,, Aber wie kommen sie in die Stadt, durch die Reihen unsrer Feinde?" warf Jutta ein.
" Kriegslisten, Kind! Weißt du nicht, daß unsere Spione täglich die feindlichen Ketten passiren?"
Und er sah dem Zuge bewegt nach, der sich dem Domplaz zu bewegte, wo der Administrator wonte.
Eben saß die Familie wieder beisammen, das gestörte Frühmal fortzusezen, als Roffesstampfen vor der Tür ertönte. Dann betrat ein stattlicher schwedischer Lieutenant die Hausflur und rief nach dem Hausherrn, der aufsprang und den Gast eintreten hieß, wärend ein herbeigerufener Bürger das Pferd draußen hielt.
„ Ich bin", begann der Fremde in ziemlich geläufigem Deutsch, „ der schwedische Lieutenant Very und in Euer Haus zur Herberge gewiesen; sorgt für mein Tier und zeigt mir meine Behausung!" Der Syndikus sah den Sprecher befremdet an.
" Komt Ihr als Freund oder Feind, Herr? In jedem Falle sollt Ihr wissen, daß ein Syndikus der Stadt Magdeburg sich nicht in einem solchem Tone gebieten läßt!" Er schellte.
"
" Fürt das Pferd des Herrn in den Stall und verpflegt es!" gebot er dem Diener. Und du, Jutta, zeige dem Gaste sein Zimmer im oberen Stock, besorge auch Azung und Trunk in Fülle! Mich überhebt Ihr wol der weiteren Erfüllung gastlicher Pflichten für heute, da mein Amt ruft!"