Das Auge des Beschauers ist bei der Betrachtung der einzelnen Gegen­stände entzückt infolge der schönen Modellirung, der reizenden Malereien und der Vortrefflichkeit der gesamten technischen und künstlerischen Aus­fürung. Die weithin leuchtende Aufschrift ,, goldene Medaille" läßt er­kennen, welche günstige Beurteilung sie durch das Preisgericht er­faren haben.

II. Der Pavillon für kunstgewerbliche Altertümer.

Der Grundriß des schon im Eingange dieses Berichtes besonders hervorgehobenen Pavillons ist etwa folgender. Man denke sich zwei ca. 16 Schritte lange und 6 Schritte breite Hallen, welche sich recht­winklich in der Mitte kreuzen und in jeden der vier Außenwinkel dieses Kreuzes wiederum eine viereckige Halle eingefügt, denke sich ferner an dem Anfang der einen Kreuzhalle den Eingang und an dem entgegen­gesezten Ende einen halbkreisförmigen Raum als Abschluß, so wird die Grundrißdisposition dem Leser ziemlich klar werden. Breite Granit­stufen füren zu dem Rundbogeneingange hinan. Ueber der Vierung der sich kreuzenden Hallen rut ein mit Oberlicht versehenes Kuppelge­wölbe. Das Licht fällt, außer durch das Oberlicht in der Vierung, durch kleine gekuppelte Rundbogenfenster herein. Der Fußboden ist mit dunklen Fliesen belegt. Die Dekoration hat sich auf einen pompejanisch­roten Farbenanstrich der Wände mit einigen Deckenmalereien beschränkt, da die Farbenpracht der ausgestellten Kirchengewänder, Teppiche und Bilder eine solche unnötig erscheinen ließ. Hervorzuheben sind jedoch die trefflichen Verse des Altmeisters Goethe, welche, die Wände zierend, auf den Inhalt dieser Stätte Bezug haben. Ueber dem Eingang stehen jene goldenen Worte:

Wer Wissenschaft und Kunst besizt, Der hat auch Religion, Wer jene beiden nicht besizt, Der habe Religion.

Und an der rechten Wand:

Wer ist Meister? Der was ersann, Wer ist Geselle? Der was kann, Wer ist Lehrling? Jedermann.

An der linken Wand:

Was ist denn Kunst und Altertum, Was Altertum und Kunst? Genug, das eine hat den Ruhm, Das andere die Gunst.

Und an den Wänden des hinteren halbkreisförmigen Raums:

Nicht verwende

Finger und Hände;

Hier nur taugen Offne Augen.

Und nun zu den kunstgewerblichen Altertümern, welche diesen Raum zieren und ihm jene höhere Weihe verleihen, die von den feinsten und edelsten Erzeugnissen des sinnenden Menschengeistes auszugehen pflegt. Sowol Staats- wie Kommunal- Institute, kirchliche Behörden und Private haben beigesteuert, so daß alles dasjenige, was das Ausstellungsgebiet an kunstgewerblichen Altertümern birgt, in der größten Mehrzal bei­sammen ist. Die Mitte des Raumes, also unter der Kuppel, wird von einem hufeisenförmigen, großen Kasten eingenommen, dessen schrank­artiger Aufsaz auf der First des schräg geneigten Daches eine moderne, schön gearbeitete Schmiedearbeit als Dachreiter trägt. Hinter den blizenden Scheiben dieses Kastens sind alte meißener Porzellane, in Blau oder mit bunten, gemalten und plastischen Blümchen dekorirt, aus der zweiten Hälfte des vorigen Jarhunderts stammend, ferner blau dekorirte fürstberger Porzellane aus derselben Zeit, sogenantes Schaperglas aus dem siebzehnten Jarhundert, venetianische Gläser, geschliffene Krystalle aus dem Ende des achtzehnten Jarhunderts, Elfenbeinpokale derselben Zeit, geäzte Kassetten, der bekante hallesche Schüzenkranz, gefertigt um 1601, getriebene Silberhumpen aus der Zeit des Barock, der Kelch der Fischerinnung zu Klein- Wittenberg   aus dem Jare 1805, ein präch­tiges, silberbeschlagenes Trinkhorn aus dem naumburger Rathause, ein chinesisches Tafelservice, in der bekanten Blaumalerei ausgefürt, aus dem siebzehnten Jarhundert, ein reizendes meißener Service, in Weiß und Gelb, mit Blümchen dekorirt, aus dem achtzehnten Jarhundert, ein großblumiges, auf dem Grunde weißes Tafelservice für zwölf Personen, das in Meißen   um 1750 gefertigt wurde, altdeutsche Steingutfrüge, eine Wedgewood- Kanne( spr. Néddschwuhd, englisches Steingut), deren weißes, fein ausgearbeitetes Ornament sich vom blauen Grunde wunderbar abhebt, und endlich die kostbaren Schäze der Schloßkirche zu Quedlin­ burg  , der St. Andreaskirche zu Eisleben   und der Kirchengemeinde Divi Blajii zu Mühlhausen   in Türingen ausgelegt. Von Quedlinburg   ziet besonders der angebliche Reliquicnkasten Ottos I. die Aufmerksamkeit auf sich: Wände und Deckel sind ganz aus Elfenbein gearbeitet, mit mannigfachen Goldzierraten und zum Teil sehr kostbaren Steinen( unter denen in der Mitte des oberen Randes ein großer ovaler Karfunkel) besezt, der Boden aus einer Silberplatte bestehend. Die Seitenwan­dungen zeigen in Rundbogen- Nischen die lebhaft bewegten Gestalten der 12 Apostel in trefflicher Schnizerei. Diese Figuren gehören zu den vorzüglichsten Zeugnissen des Aufschwunges, welchen die Kunst in Deutsch­ land   um den Schluß des 12. Jarhunderts genommen hat. Neben diesem Reliquarium rut eine Krystallflasche in Gestalt einer Tiara

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( dreifache Krone der Geistlichen), welche aus dem Ende des 10. Jar­hunderts herstamt. Quedlinburg   besizt drei solcher Krystallflaschen, welche, verschieden in Fassung und Ornamentation, sehr interessante Ueberreste aus der Zeit Ottos III. sind und als wichtige Zeugnisse für den ornamentalen Stil in den Skulpturen dieser Periode erscheinen. Das bekante Evangelienbuch, geschrieben vom Presbyter Samuhel gegen Mitte des 10. Jarhunderts, mit dem kostbaren, im 12. Jarhundert in Filigran( feiner Dratarbeit), edlen Steinen und byzantinischem Email ausgefürten Deckel liegt ebenfalls aus. Von den übrigen Gegen­ständen sei noch auf einen schönen, aus dem vierzehnten Jarhundert stam­menden Kelch der St. Andreaskirche zu Eisleben   aufmerksam gemacht, ferner auf eine goldene Denkmünze vom 25. Juni 1630, die zur Feier des 100 järigen Gedächtnistages der augsburger Konfession geschlagen wurde, auf den silbernen Reiselöffel des Kaspar Aquila  , welchen ihm angeblich Luther   geschenkt haben soll, und auf einen aus der Gemeinde Divi Blasii   zu Mülhausen   in Türingen herrürenden, reich gearbeiteten, teilweise getriebenen Kelch mit schönem Mittelknoten, aus dem Jare 1612 stammend, der als ein Beweis gelten darf, wie auch die deutsche Spätrenaissance noch schöne stilgerechte Gold- und Silberarbeiten ge= liefert hat. Weiter schließt sich das silberne Reisebesteck Aug. Herm. Frankes, des Stifters des Halleschen Waisenhauses, an. Ferner ein aus der Barockzeit stammendes, in Silber getriebenes Taufbecken der schon genanten Gemeinde Divi Blasii   zu Mülhausen   in Türingen und ein silbervergoldetes, prächtig getriebenes Taufbecken, von 1682 herstam­mend, aus der Halleschen St. Ulrichskirche. Die figürlichen Darstellungen dieses Werkes, bon denen die im Boden der Schale die Taufe Christi im Jordan vorstellt, sind von vorzüglichster Vollendung. Auf den reichen Schmuck der Wände, der in Altardecken  , Rücklaken, Teppichen, Kirchen­gerätschaften u. s. w. bestet, näher einzugehen, ist in Kürze unmöglich. Genug, daß an der rechten Wand ein aus dem 14. Jarhundert her­rürendes und aus dem Ursulinerinnenkloster zu Erfurt   stammendes gewirktes Rücklaken mit figürlichen Darstellungen, unter denselben das bekante, aus der krannach'schen Schule stammende Gemälde: Die zehn Gebote, oder die zehn Todsünden, rechts und links daneben zwei aus dem Waisenhause stammende prächtige Holzschnitte, die unter reicher Renaissance- Bogenarchitektur die lebensgroßen Figuren Luthers   und Melanchtons zeigen, und darunter eine Bekleidung der Luther  - Kanzel der St. Andreaskirche zu Eisleben  , welche um 1500 angefertigt sein dürfte, und Figuren in Hochrelief, alle in Stoff und Stickerei her­gestellt, unter baldachinartigen Bogenstellungen, ferner Wappen u. s. w. vor Augen fürt, aufgehängt sind. Rechts und links von dieser Wand­dekoration ist an den Pfeilern des Raumes ein Terracotta- Relief ( Terracotta gebranter Ton), den Kurfürsten Moriz von Sachsen darstellend, und eine aus dem Barfüßler- Kloster herrürende, 1587 ge= schnizte Holztafel mit bunt bemaltem Blattornament angebracht. An der linken Wand des Raumes hängt ein aus dem 15. Jarhundert herstammender Teppich des naumburger Domes eine prachtvolle Arbeit, die sich von dunkelgrünem Grunde abhebende Nelken, deren Stengel und Blätter hellgrün und deren Blüten rot sind, aufweist. Von dem Teppich hebt sich ein alter Venetianer- Spiegel ab, wärend auf dem Fußboden eine prächtige Bank mit reicher Elfenbein- Intarsia und mehrere zugehörige Stüle sich befinden. Kostbare Uhren, diverse Delgemälde der oberdeutschen Schule 2c., geäzte Arbeiten u. dgl. ver­vollständigen auf dieser Wandseite die Dekoration. Die kostbarsten Teppichschäze birgt der hintere Raum. Hier ist ein Teil jener gewirkten Decke aufgehängt, welche die Aebtissin Agnes II.( 1184-1204) nach der Chronik der Stiftsbibliotek angefertigt haben soll., Diese Aebtissin  ," sagt der Chronist, hat bei ihren Zeiten schöne Bücher mit ihren eigenen Händen geschrieben und hat sie mit Figuren schön illuminirt: ingleichen föstliche Teppiche mit ihren Jungfrauen gewürkt, so einen von 24 Schuh lang und 20 breit, darauf die ganze Philosophie gewürft und genähet war, welche sollten dem Papst nach Rom   geschickt werden, aber ist nach dem verblieben. Und sind noch jezo zu finden in der Stiftskirche, und waren ausgebreitet auf dem hohen Chor." Nach dem Ausdrucke des Chronisten ist die ganze Philosophie ,, eingewirft", anschei­nend liegt aber eine kleine Verwechselung zugrunde, denn auf der blauen, mit goldfarbenen Sternen durchwirkten Decke ist dargestellt die von Marcianus- Capella so eigenartig beschriebene Vermälung des Mercurius mit der Philologia( Personifizirung der Sprachwissenschaft). Es sind ferner bildliche Darstellungen byzantinischen Stils eingewirkt, die eine Würde und Anmut der Hauptformen, vornemlich eine Durchbildung im Faltenwurfe zeigen, welche bei einem Werke so früher Zeit unser Er­staunen hervorrufen muß. Die Bilder bestehen aus scharfen Umriß­zeichnungen mit einfacher Farbenausfüllung, doch mit einer gewissen Schattenangabe, so daß ihnen das silhouettenartige genommen ist. Noch sei auf die eingewirkten lateinischen Sprüche und zu Häupten der Figuren angebrachten Namen, von denen man Pietas( Frömmigkeit), Justitia  ( Gerechtigkeit), Temperantia( Geduld) entziffern kann, auf­merksam gemacht. Neben diesem Schaz dr quedlinburger Schloßkirche ist ein kostbarer Teppich mit der Figur des Bischofs Peter v. Schleiniz ( 1463) aus dem naumburger Dom   und ein in Kreuzstich stilgerecht ausgefürter Teppich aus dem jenaschen Fräuleinſtift ausgebreitet. Außer dem hier geschilderten kostbaren Wandschmuck birgt dieser Raum noch ein prächtiges, goldbrokatenes Meßgewand des Thilo von Trotha, welches um 1500 angefertigt wurde und im Eigentum des merseburger Domes ist, ferner eine aus dem 16. Jarhundert herrürende, in Seidenstickerei auf Leinen hergestellte Casula( Meßgewand) des erfurter