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Domes. Zwei lebensgroße bemalte und vergoldete Holzfiguren, die heilige Barbara und einen Bischof mit Stab und Inful darstellend, sind Arbeiten des 15. Jarhunderts, welche vom Altar der Andreaskirche herstammen. Endlich ist noch eine in Holz geschnigte Statue des Königs David, der, mit Krone und Harnisch angetan, die Harfe spielt, hervorzuheben, ein Werk aus der 2. Hälfte des 17. Jarhunderts, welches Eigentum der Halleschen St. Ulrichskirche ist. Daß der berühmte Kelch der St. Ulrichskirche mit der prachtvollen Emailmalerei vorhanden ist und den Hauptanziehungspunkt bildet, ist natürlich. Das kostbare Werk Hallescher Goldschmiede- und Emailkunst des 16. Jarhunderts stet auf einer Tafel; neben ihm liegen zwei alte, reich beschlagene Bibeln aus den Jaren 1683 und 1700. Ueber dem Tisch hängt von der Decke des Raumes die bekante, aus dem 12. Jarhundert stammende BronzeHängelampe des erfurter Domes, welche aufs schönste dartut, wie die Tradition der alten römischen Lampenform sich durch das ganze Mittelalter ziemlich rein erhalten hat. Schließlich ist noch der vier Eckausfüllungen des Raumes zu gedenken. Hier sind deutsche Steingutgefäße aus dem 14., 15. und 16. Jarhundert, antike Gefäße aus dem 4. Jarhundert vor Christo, die Marmorkopie eines in Pompeji gefundenen Homertopfes, getriebene Silberarbeiten aus der Barockzeit, bunte Gläser, den Halloren gehörend, die Gerichtsschwerter des heiligen Talamtes, dessen wir noch näher erwänen werden, 2c. ausgestellt. Dann sei besonders auf einige französische Fächer aufmerksam gemacht, von denen einer bemalt und am vergoldeten Griff reich mit Edelsteinen und Email verziert ist, ferner auf ein zweites Exemplar, eine japanische Arbeit, deren einzelne Teile aus Fischgräten in der kunstvollsten Weise ausgeschnitten sind. Daß noch eine unendliche Menge kleiner Kunstsachen, zierlicher Uhren, mit Email dekorirt, Riechfläschchen, wie sie die Kunst des Barock und Rococco schuf, venetianischer Flügelgläser, berliner Porzellane des vorigen Jarhunderts, Spizen, Stoffe, Wachsfiguren, Holzschnizereien u. s. w. anzutreffen ist, mag hier nur noch kurz erwänt werden. Die in dem Eckkästchen zur Linken ausgestellten Gegenstände erinnern uns vor allem an den Einfluß Frankreichs auf das gesellschaftliche Leben im vorigen Jarhundert. Finden wir doch hier selbst eine niedliche goldene Schnupftabatsdose französischer Arbeit mit inliegendem noch niedlicherem Löffel, mit dem die Frauen der vornemen Stände damals das wolriechende Pulver an ihre zarten Nasen fürten. Die weiter an den Wänden placirten, mit Gold ausgelegten Schmuckschränke, Uhren, großen Spiegel mit Perlmutterrahmen, mit Stickereien( Schäfer- und Gartenszenen) versehenen Tische und Stüle, Wachsfiguren, Medaillons mit Bildern im Wertherkostüm( worunter in dem vorhin erwänten Eckkasten sich besonders ein hervorragend schönes Porträt in Email auszeichnet), allerhand verschiedenen Schmucksachen und schließlich eine prachtvoll gestickte Bettdecke in dem rechten Seitenraum lassen uns der behaglichen Einrichtung reicher deutscher Bürgerhäuser, in denen man diese Gegenstände im vorigen Jarhundert finden konte, gedenken, und wir würden gern bei einzelnen derselben länger verweilen, wenn wir uns nicht in die Notwendigkeit versezt sähen, jezt vom Pavillon für tunstgewerbliche Altertümer Abschied zu nemen.( Fortsetzung folgt.)
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Gestörte Sontagsmusik. Daß es in diesem irdischen Jammertale keine ungetrübte Freude gibt, das zeigt uns wieder einmal so recht der Vorgang, welcher sich in der durch unser Bild auf Seite 604 dargestellten nordischen Bauernstube abspielt. So gar betrübend ist die hier verübte Störung nun freilich nicht, wie die vergnügten Gesichter zeigen. es hat nur die zum Hausstande gehörende Familie der bebefanten vierfüßigen Haustiere ihrem musikalischen Drange nachgegeben und akkompagnirt nach Herzenluft den ob ihrer Schönheit etwas zweifelhaften Tönen, die Merten seiner Harmonika entlockt. Wir brauchen wol nicht besonders nachzuweisen, daß die im Vordergrunde links befindlichen Glieder des zarten Geschlechts" beim ,, ästhetischen Thee" versammelt sind, um über dieses oder jenes, was im Laufe der verflossenen Woche wichtiges oder auch unwichtiges passirt ist, weisen Rates zu pflegen und den oder jenen aus dem Dorfe tüchtig durchzuhecheln. Zur würdigen Gestaltung dieses nicht selten wiederkehrenden Festes hat es nun Merten, der erste und einzige Son und spätere Erbe des Hauses und was dazu gehört, unternommen, die den Redestrom hier und da unterbrechenden Pausen mit seinen künstlerischen Leistungen entsprechend auszufüllen und somit den edlen Gemütern der am Theekränz chen teilnehmenden die nötige Muße zur Samlung zu geben sowie sie in die zur Weiterfürung der Unterhaltung nötige Stimmung zu versezen. Und seine Musik vermittelt diese Stimmung, das bezeugt schon die Wirkung, welche sein Spiel der dort ebenso wie bei uns beliebten Melodie des weltbekanten Liedes: Lott' ist tot", ferner sein musikalischer Vortrag des Heil dir im Siegerkranz " ,,, Mädle rud', rud', rud'
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an meiner grünen Seite" u. s. f. auf scine Zuhörer ausübte. Nur die alte graue Miez, ein sonst sehr friedliebendes Tier, das inmitten ihrer drei jüngsten Sprossen andächtig den Tönen gelauscht, hat mitunter darob recht zweiflerisch das Haupt geschüttelt, one jedoch vorläufig über ihren stummen Protest hinauszugehen. Als aber jezt die Töne eines neuen Liedes erklingen und zwar in jener herzzerreißenden Weise, die selbst den nervenstärksten Menschen zur Verzweiflung bringt, da wird es unserer musikalisch weniger grob fülenden Kazenmutter zu bunt und ein Gefül, jenem, das nach allzueifrigem Kultus des Bachus oder Gambrinus sich gar zu gern in den Eingeweiden der Menschen zeitweilig einstellt und seinen vielsagenden Namen den Kazen nicht gerade zur Ehre trägt nicht unänlich, nur ergreifender, bemächtigt sich ihrer. Und sie läßt diesem ihrem Gefül auch freien Lauf und gibt ihm durch entsprechende, ihrem überquellenden Herzen entströmende Weisen lauten Ausdruck. Ihre Kleinen, wolerzogen wie sie sind, fülen nicht nur mit ihr, sie begleiten sie sogar pflichtschuldigst; ja, die jüngste hat sogar mit einigen Säzen den breiten Buckel des werten Sontagsmusikanten erflommen und findet in ihrer gestörten Gemütsstimmung noch die nötige Zeit, bedächtig auf das unheilvolle Instrument herabzuschauen, gleichsam als wolle sie die Naturgeschichte dieser musikalischen Reproduktion ergründen. Daß dem Konzert der fünf nicht jedermann one starke Belästigung seines Trommelfells zuhören kann, wird niemand bezweifeln wollen. Besagtes Organ scheint jedoch bei dem Zuhörerkreis auf unserer Illustration in sehr solidem Zustande zu sein, denn Mienen und Haltung desselben zeugen durchaus von keiner Störung der Gemütsstimmung, und wol mancher, den die Malirätirung eines Pianofortes jeitens eines musikalischen Backfisches zur Verzweiflung bringt, hat Grund, diese nordischen Leute mit ihrer robusten Körperkonstitution zu beneiden.
Eine Eisenbahnniederfahrt von dem Berg Washington in Neuhampshire.( S. 605.) Angesichts der gigantischen Leistungen der Technik auf dem Gebiete des Verkehrswesens ist der Gedanke nicht unberechtigt, welcher für die moderne Technik gar keine unüberwindlichen Schwierigkeiten mehr gelten lassen will. Der Durchstich des Mont Cenis und des Gotthardt, des Tunnels von Calais nach Dover u. dgl. vollendete und noch der Ausfürung harrende Riesenprojekte, deren Unternehmung vor noch nicht allzulanger Zeit für Wahnsinn gegolten hätte, bestätigen dies. Wer hätte es wol früher für möglich gehalten, daß sowol die Reisenden wie die Waren des Kaufmanns auf den eisernen Schienenwegen, die Eingeweide jener Felsenberge durchschneidend, auf denen die Raubritter in ihren Burgen früher ungehindert hausten, ihre Fahrt friedlich und ungestört unternehmen könten, und wer hätte dabei gedacht, daß das eiserne Pferd hohe, nur mühsam zu ersteigende Berge erklettern und von ihnen pustend herabsteigen würde! Und mit welcher Sicherheit das alles geschiet! Man könte versucht werden, sogar die Idee Jules Verne's , eine Reise nach dem Mond in einem großen, von einem Monstrum von Kanone abgeschossenen Projektil zu unternehmen, nicht mehr für eine Münchhauseniade, sondern für ein wirkliches auszufürendes Vorhaben zu halten. Denn, wenn einmal alle technischen Hindernisse überwunden sein werden, die Kühnheit, es zu tun, ist, wenigstens bei den Amerikanern, vorhanden. Eben gerade darin unterscheidet sich der Amerikaner wesentlich vom Europäer, daß er ein Waghals ist. So haben wir z. B. Bergbahnen, deren Anlage nicht minder schwierig ist und die ebenso und noch höher steigen als die, welche unsere Illustration zeigt, aber die Bauart keiner dürfte einen so leichten Karakter aufweisen, wie diese. Ein schmales, hohes Holzgerüst, nur die Schienen sind aus Eisen würden uns unsere Nerven nicht im Stich lassen, wenn wir die steile und gefärliche Fart mitmachten! Und ist der Berg, den sie erklimmt, auch nicht so hoch wie der Rigi , so sind seine 2097 Meter über dem Meeresspiegel doch schon eine ganz respektable Größe. Die 1866 begonnene und 1870 im Bau vollendete Bahn ist ca. drei englische Meilen lang, beginnt bei einem 890 Meter über dem Meeresspiegel liegenden Punkte und steigt 1207 Meter aufwärts. Ihre durchschnittliche Steigerung beträgt fast einen Meter auf vier Meter Länge. In eine entsprechend geformte, zwischen den beiden gewönlichen Eiſenbanschienen liegende Schiene greift ein Kamrad, wodurch eine größere Sicherheit der Fahrt herbeigefürt wird; wesentlich trägt hierzu noch eine Hemvorrichtung bei, die nach irgendwelcher Unordnung am Zeuge dieses sofort zum Stillstehen bringt. Aber die Reise durch die romantische Landschaft mit ihren riesigen Massen der Weißen Berge", ihren finsteren Abgründen und herrlichen Tälern, wie den von den Felsen kaskadenartig herabstürzenden Bächen und Flüssen soll sich verlonen und die eventuellen Gefaren schon aufwiegen, das wußten jedenfalls auch die Unternemer dieses Werkes.
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Inhalt. Herschen oder dienen? Roman von M. Kautsky( Fortsezung). Bilder aus dem Privatleben der Griechen und Römer, von Dr. Max Vogler. Aus Deutschlands schlimster Blut- und Eisenzeit. Historische Novelle von Cart Cassau( Fortsezung). Tendenzkritik und Tendenzdramatik. Eine Entgegnung wider die Arbeit ,, Das Teater zur Zeit der französischen Revolution" von V. Sincerus in der ,, N. W." Nr. 47, 48. Von Bruno Geiser. Blicke in die Gewerbe- und Industrieausstellung zu Halle a/ S.( Fortsezung.) Gestörte Sontagsmusik ( mit Illustration). Eine Eisenbahnniederfahrt von dem Berge Washington in Neuhampshire( mit Jülustration).
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