niemals gekränkt, niemals dich darin geschmälert, und ich werde es nie tun, du kanst es mir glauben." Sein Ton wurde schärfer, seine Blicke strafender, wie die eines unschuldig Angeklagten.
Aber Wort und Blick des Mannes, der dies arme, gute Geschöpf so oft einzuschüchtern vermocht, hatte seine Macht verloren. Marie schlug die Augen nicht vor ihm nieder, und in ihrem schönen, blassen Gesicht malte sich ein Schmerz, der sie mit einemmale aus ihrer Unbedeutendheit emporhob, ihr Adel und Würde verlieh.
,, Das Recht, das du meinst," entgegnete sie in edler Entrüstung, es ist nicht das heiligste Recht der Gattin, das ihr nicht geschmälert werden darf; die ware Untreue, die nichts mehr sühnt, vollziet sich hier und hier, im Sinn, im Herzen. Von da hast du mich ausgeschieden seit langem, von jeder seelischen Gemeinschaft mit dir, von jedem Denken und Empfinden; die lezte Rücksicht, die du mir noch bewarst und ihr einen Schein von Tugend geben möchtest, sie ist ein leeres, ein bedeutungsloses, sie ist mir nichts. Wenn die Seelen sich nicht mehr berüren, ist jede körperliche Berürung eine Schmach."
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Das hochaufflackernde Licht des Herdes erleuchtete mit einem roten, magischen Schein diese hellen, jugendlich- schlanken Gestalten, die, sich an den Händen haltend, langsam herabstiegen.
Ernesto war vor ihnen zurückgeprallt. Mit einer Frau!" rief er und fur nach Augen und Stirn, als könne er den eignen Sinnen nicht trauen.
Auch de Vita sah mit unbegrenztem Erstaunen auf die beiden. Frau Depauli," murmelte er fassungslos.
Die Frauen standen nun auf dem Boden der Halle. ,, Was fürt euch hierher, meine Herren?" sagte Juanna kalt, ihr seid doch nicht meinethalben gekommen, wir, dächte ich, hätten uns über alles auseinandergesezt, und meine Abreise hatte ich in Aussicht gestellt."
,, Du hast heimlich mein Haus verlassen, und ich finde dich seltsamerweise auf Murano zu dieser Stunde"
In guter Gesellschaft,- wie du siehst," versezte Juanna trozig.
In Gesellschaft einer Freundin," fügte Marie rasch und angstvoll hinzu.
,, Einer Freundin!" rief Ernesto in hönisch exaltirtem Grimm, dann tief forschend, blickte er in das nun stark gerötete Gesicht von Frau Depauli, als wolle er das innerste dieser Seele ergründen, Ihrer Freundin, Signora?"
Marie durchschauerte es, ihr Atem stockte, ihre Lippen preßten sich zusammen, als verschlössen sie sich einer Lüge, aber sie bezwang den Widerwillen und streckte der Verhaßten ihre Hand entgegen:
Sie wante sich von ihm ab, wie in Verachtung. Er stand versteinert, aufs tiefste betroffen, wärend Juanna, die, wenn sie auch die deutschen Worte nicht ganz verstanden, sie doch erraten, alles aus dem beseelten, erregten Antlig Mariens herausgelesen hatte, nun halb in Reue, halb in Bewunderung, Auge in Auge ihr zu begegnen suchte. Sie fülte eine innige Sympatie in ihrem Herzen für diese Frau entstehen, der sie so vieles abzubitten hatte. Sie hatte sie, als auf einer niedern Stufe der Intelligenz stehend ,,, So ist es, meiner Freundin." sich vorgestellt, gänzlich unbedeutend, auch leer im Herzen; nur so hatte sie sich den Kummer, das Unbefriedigtsein des Gatten ausgelegt und ihn darob bedauert; und nun erschien ihr diese Frau so edel, so groß in ihrem berechtigten Schmerz, auf einer sitlichen Höhe stehend, zu der ihr Mann nicht hinanreichte. Und so drängte es sie zu dem Wunsche, nicht hinter ihr zurückzustehen und, wenn es möglich, die Gatten zu versönen.
" Frau Depauli," sagte sie, und sie suchte all' die herzliche Sympatie, die sie empfand, in ihren Ton zu legen,„ Sie müssen auch mich hören, und wenn Sie hierher gekommen sind, um Ihren Mann zurückzunemen, so"
Sie kam nicht weiter. Marie hatte mit einem Ausruf und einer Geberde des Schreckens beide Hände vor ihren Kopf geschlagen; die Gefar, in welcher Alfred schwebte, kam ihr jezt erst wieder zum Bewußtsein.
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Ich bin gekommen, um ihn zu retten!" rief sie. Dann in hastiger Erregung gegen Alfred gewendet, doch one ihn anzusehen: ,, Komm, fort von hier, ihr Bruder ihr Bruder ihr Bräutigam, sie suchen dich, sie werden hier sein im nächsten Augenblick, sie sind bewaffnet, sie wollen sich mit dir schlagen!"
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,, Gehen Sie," rief auch Juanna, nun ebenfalls drängend, Ihre Frau hat recht; Giuliano ist ein Wahnsinniger, er darf Sie hier nicht finden."
Alfred rürte sich nicht, sein Gesicht war finster, trozig blickten seine Augen, und als wäre ihm nach dieser moralischen Demütigung die Betätigung mänlichen Mutes ein Bedürfnis, sagte er fest: Ich werde ihn hier erwarten."
In dem Augenblick vernam man die Stimme de Vitas in der Halle.
Der Patron hatte die Castalda nicht eben sanft geweckt. Sie war indes schlau genug, die Verwirrung, die ihr die unvermutete Ankunft des Herrn brachte, hinter ihrer Verschlafenheit zu verbergen. Sie wußte von nichts, konte über nichts Auskunft geben. Sie tat, als wäre ihr Schlaf so lang und fest gewesen, daß indes die Welt hätte aus ihren Fugen gehen können, one daß sie etwas davon gemerkt hätte.
Der kleine Giuso war ängstlich hinter den Herd gekrochen und hatte auf die brennenden Scheite eine Menge ausgedroschener Maiskolben geworfen, sodaß das Feuer hoch aufflackerte. Er wollte wol die Herren, die so drohend auftraten, besser in Augenschein
nemen.
Ernesto hatte indes rasche Umschau gehalten, er hatte die Treppe entdeckt, die nach aufwärts fürte, und sein eifersüchtiger Instinkt hatte sofort erraten, daß er die, die er suchte, da oben finden würde. Er wartete nicht die Verfügungen des Hausherrn ab, er ergriff die Lampe - sie zitterte in seiner Hand- und stürzte der Treppe zu.
Schon hatte er einige Stufen erstiegen, da teilte sich oben der blaue Vorhang und Marie und Juanna traten daraus hervor.
Juanna hatte in unverstellter, leidenschaftlicher Zärtlichkeit das junge Weib an sich gezogen, und sie schlang den Arm um ihren Hals: Die dich liebt, Marie, aufrichtig und war, die dich bewundert."
Ernesto biß die Lippen aufeinander, er wußte im Augenblick nicht, wie er das zu deuten habe, aber er ahnte, daß dahinter etwas stecken müsse, daß dies alles eine Komödie sein könne, um ihn zu täuschen, um den Schuldigen der Verantwortung zu entziehen. Der Gedanke machte ihm das Blut sieden, er erhöte nur seine wahnsinnige Erregung und seinen Grimm.
,, Und der Grund Ihres Hierseins, meine Damen?" fragte er, und dann nach oben deutend:„ Vielleicht finden wir da oben die Aufklärung, die wir begehren."
Er sprang gegen die Treppe. In dem Augenblick erschien Alfred am obersten Absaz derselben.
Ernesto stieß ein wütendes Lachen aus. Der Anblick dieses Mannes, den er allein verantwortlich machte für sein zerstörtes Liebesglück, und den er nun wirklich hier traf, wo seine Eifersucht ihn vermutete, entfesselte seine ganze Leidenschaftlichkeit und brachte ihn außer sich.
,, Ah, da ist er, ich wußte es ja, der Mann, der glückliche Mann zweier Freundinnen, haha! Wie er dies Glück erreicht, durch welche Mittel, darüber soll er uns Rede stehen!"
Alfred war rasch die Treppe herabgestiegen, und er wante sich an den auf ihn zugehenden de Vita, Ernesto in beleidigender Absichtlichkeit ignorirend.
Ich werde Ihnen alle und jede Aufklärung und Genugtuung geben, die Sie zu fordern berechtigt sind," sagte Alfred mit möglichster Ruhe und Bestimtheit; hierauf dem sich vor ihm aufpflanzenden Ernesto mit einem Blick vornemer Geringschäzung begegnend: Für Ihre Anmaßungen aber könte ich eine andere Antwort in Bereitschaft haben."
Ernesto riß die Pistolen aus der Tasche seines Rockes und hielt sie ihm hin.
,, Sie werden sich mit mir schlagen," ruft er, am ganzen Leibe bebend. Ich werde
Alfreds Blick trifft ihn wie ein Peitschenschlag. Sie ins Tollhaus sperren lassen."
Ernesto stößt das Gebrüll eines verwundeten Löwen aus, sein dunkles, schönes Gesicht erscheint in diesem Augenblick bis zur Unkentlichkeit entstellt, er schleudert die eine Pistole von sich, die andre erhebt er gegen Alfred.
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Marie hat sich in bligartiger Bewegung an den Hals ihres die Kugel wird sie treffen. Mannes geworfen, Aber Juanna war ebenso rasch in kühner Entschlossenheit herbeigesprungen, und sie fürt von oben nach unten einen Schlag gegen den Arm des Rasenden.
Der Schuß fällt, aber die Kugel schlägt am Boden der Halle auf, und von da abprallend, fliegt sie empor und gräbt sich tief in das Holzgebälk der Decke.