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Elvira, die mehrmals im Tage kam, um nach dem Befinden| der ein edles, hochherziges Weib besessen und sich dabei den der Schwester zu sehen, erhielt von Alfred darüber die minutiösesten Anschein eines Märtyrers gegeben, der sie, die Abhängige, ver­Details, aber sie wurde nicht zu ihr gelassen. antwortlich machen wollte für sein eignes Unvermögen und seine geringe Energie, die ihm nicht erlaubte, so glücklich zu werden, als er es in seiner Anmaßung zu verdienen glaubte. So nam sie Partei für seine Frau, die durch ihr Unglück ihr ganzes Mitleid herausgefordert hatte, gegen ihn, der ihr so inter­essant erschienen und nun mit einemmale all' seines Zaubers entkleidet war. Ein Weib wie Juanna vergibt dem Manne Mangel an Karakter niemals, vergibt ihm niemals sein halt­loses, schwankendes Wesen, und sie vergibt es sich selbst nicht, daß sie, mehr ihrer Phantasie als ihrem Verstande gehorchend, sich darüber hat täuschen lassen.

Auch die de Vitas hatten, voll Teilname für Marie, sich zum öftern nach ihrem Befinden erkundigen lassen. Juanna, im Begriff Venedig zu verlassen, um, nun mit Einwilligung ihres Bruders, nach Rom zu gehen, hätte, wie gerne, Marie vor ihrer Abreise noch einmal sehen wollen; sie hätte ihre Hand an ihre Lippen drücken und sie anflehen mögen, ihr all' das Leid, das sie ihr unwissentlich zugefügt hatte, zu vergeben, aber als sie von den Vorsichtsmaßregeln erfur, die man für die Kranke getroffen, und die eine schwere Erkrankung voraussezen ließen, gab sie selbst­verständlich diesen Gedanken auf. Alfred hätte sie gewiß nicht vorgelassen; er selbst wollte sie nicht mehr sehen.

Auch Juanna dachte nurmehr mit Bitterkeit an den Mann,

Sie reiste ab, abermals um eine Illusion ärmer, ganz auf sich selbst gestellt. ( Schluß folgt.)

Bilder aus dem Privatleben der Griechen und Römer.

Von Dr. Max Vogler.

( Hierzu die Illustration auf Seite 616.)

Wenden wir uns jezt der Erziehung des weiblichen Geschlechts zu, so geschah dieselbe, abgesehen von der bereits berürten Er­ziehungsweise in Sparta , durchaus im Hause. Hier war so recht eigentlich das Reich der griechischen Frau. Von Wärterin und Mutter unterrichtet, wuchs das Mädchen auf, ängstlich wurde es vor jedem Umgang mit dem mänlichen Geschlecht gehütet. Die geistige Bildung, zu der es gelangte, war daher keineswegs eine bedeutende; hingegen sorgten die fleißig geübten Künste der Musit, insbesondere des Gesangs, das Spiel der Flöte und der Kithara , eines Saiteninstruments, des Tanzes und allerhand Spiele dafür, ihm frühzeitig jenes hohes Schönheitsgefül mitzu­teilen, durch das sich die griechische Frau vor allem auszeichnete. Was insbesondere die geselligen Spiele anget,- wir reden hier natürlich nur von diesen, nicht von den öffentlichen und Nationalspielen, über die im vorigen Jargange der ,, Neuen Welt", Seite 444 geschrieben wurde so waren in Griechenland deren eine große Menge in Gebrauch. Es werden ihrer wol ein halbes Hundert aufgezält, unter denen sich zum Teil die noch heute ganz gewönlichen befinden. So dienten schon aus Ton geformte und bemalte Puppen und Figuren aller Art, darunter auch myto­logische, selbst Steckenpferde 2c., als Sielzeug für das früheste Kindes­alter; auch der Reifen und der Kreisel wurden fleißig geworfen und getrieben, und selbst unser Blindekuhspiel gehörte zu den beliebtesten Belustigungen der Jugend. Als häufigste Spiele seien weiter die folgenden genant. Zunächst das Würfelspiel, das mit Knöcheln und Steinchen gespielt wurde. Die lezteren hatten vier ebene Flächen, auf welchen in Punkten oder Strichen die Balen 1 und 6, 3 und 4 ausgedrückt waren, wärend 2 und 5 gänzlich felten. Man nam vier solche Würfel, schüttelte sie in einem Becher und warf sie dann auf eine Tafel. Wenn alle vier Würfel ver­schiedene Balen zeigten, so war das der beste Wurf, den man " Venus" nante; als der schlechteste ,, Canis" genante Wurf galt es, wenn alle vier Würfel oben die 1 herauskehrten. Auch gab es ein Spiel mit Würfeln, in welchem es darauf ankam, fünf der lezteren, in die innere Fläche der Hand gelegt, in die Höhe zu werfen und mit der äußeren Fläche wieder aufzufangen. Eine zweite Art von Würfeln hatte gleich den unseren sechs mit 1 bis 6 bezeichnete Seiten. Man spielte mit ihnen meist um Geld, auch Hazardspiele, welche indessen streng verboten waren, und brauchte sie zur Vorname von Walen.

Ebenfalls mit Steinchen wurde das Brettspiel gespielt, welches schon bedeutendere Aufmerksamkeit und Verstandes anstrengung er­forderte. Eine Art desselben, das sogenante, Polis", hatte wol mit unserem Schach- und Damenspiel große Aenlichkeit. Das Brett zeigte einzelne Felder, auf denen die Steine hin und her verschoben wurden, und zwar handelte es sich, ganz wie bei den zulezt genanten Spielen, darum, die Steine des Gegners festzu­sezen oder abzusperren. Der Stein, der zwischen zwei feindliche zu stehen kam, wurde geschlagen. Auch kante man ein Hazard­spiel, wo man den Gegner raten ließ, ob man eine gerade oder ungerade Bal Geldstücke oder anderer Gegenstände in der Hand halte.

Zu den ältesten Spielen gehört das Ballspiel, das schon bei Homer Erwänung findet. Die griechischen Aerzte empfalen

( 1. Fortsezung.)

es als für die gesunde Entwickelung des Körpers besonders för­derlich, und es wurde auch von Jung und Alt fleißig geübt. In den Gymnasien hatte man, wie schon bemerkt, ein eigenes Zimmer dafür, in welchem ein Lehrer darin unterrichtete. Der Ball bestand aus Leder, mit leichtem Stoff gefüllt. Wir finden verschiedene Arten dieses Spiels mit Bällen. Bei dem einen, wo zwei beteiligt waren, schleuderte man einen kleinen Ball in schräger Richtung gegen den Boden, daß er mehrere Sprünge machte, je mehr, desto erfreulicher, und der Mitspieler mußte ihn dann an seinem Plaze mit der flachen Hand auffangen und auf diese Weise zurückwerfen. Bei einer anderen Art des Spiels wurde der Ball so weit wie möglich in die Höhe geschleudert, um dann von dem Mitspieler aufgefangen zu werden, wärend sich bei einer dritten, hauptsächlich in Sparta üblichen, eine ganze Gesellschaft durch einen Strich in zwei gleiche Parteien trente und hinter jeder Reihe der Mitspielenden ebenfalls ein Strich die Grenze bezeich­nete, bis zu welcher ihr beim Auffangen des Balls zurückzuweichen gestattet war. Das Spiel ging nun in der Weise vor sich, daß der Ball, auf den die beiden Parteien trennenden Strich gelegt, von einem der Spielenden ergriffen und der Gegenpartei zuge= worfen wurde, welche denselben innerhalb der vorgeschriebenen Grenze aufzufangen und zurückzuschleudern hatte. Sobald eine Partei hinter die Grenzlinie zurückgetrieben war, hatte das Spiel sein Ende erreicht. In einem anderen Falle, in dem, wie es scheint, mit holen Bällen gespielt wurde, schleuderte der Werfende den Ball scheinbar dem Mitspieler zu, gab ihm aber in Wirk­lichkeit eine andere Richtung, nach der sich dann der leztere rasch wenden mußte. Endlich hatte man noch eine Art des Spiels, wo von der Decke des Zimmers ein mit leichten Stoffen gefüllter Ballon bis zur Bauchhöhe der Spielenden herabhing und mit der Brust oder den Händen in immer schnellere Bewegung gesezt werden sollte.

Außer diesen und anderen Spielen vergnügte man sich, und vorzugsweise die Mädchen, auch gern auf der Schaukel, die auf unserem heutigen, dem in dieser Zeitschrift schon erwänten Pracht­werke Hellas und Nom"( Stuttgart , Verlag von W. Spemann) entnommenen Bilde in den Vordergrund tritt.

Neben solchen Spielen und der auf die Ausbildung des Schön­heitssins berechneten Beschäftigung mit den oben genanten Künsten lernten die griechischen Mädchen in der Abgeschlossenheit des elter­lichen Hauses aber auch die Fertigkeiten des Spinnens und We­bens und vor allem der Stickerei, hinsichtlich deren namentlich die athenischen Frauen großen Ruf genossen. Mit den für den Haushalt nötigen Verrichtungen wurden sie indeß erst vertraut, wenn sie in den Ehestand traten. Ehe wir sie jedoch in diesen geleiten, dürfte es angemessen sein, vorerst eine Schilderung des griechischen Hauses, wie gesagt, ihrer eigentlichen Heimat, zu ver­suchen. Wir sehen dabei von der ältesten, homerischen Zeit ab, son­dern lassen vielmehr das spätere griechische Haus, wie wir es etwa in der Zeit vom peloponesischen Krieg( 431 bis 404 v. Chr.) bis zu Alexander dem großen in Athen finden, als Modell gelten. Damals nämlich hatte sich die altgriechische Bauart noch inver­mischt erhalten, und auch die Privatwonungen der Reicheren hatten im Gegensaz zu der Pracht und Großartigkeit der öffentlichen