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gesammelt wurde; daneben war häufig ein Springbrunnen an­gebracht. An der hintern Seite des Atriums, gegenüber dem Ein­gange, sah man einen offenen Sal, das Tablinum, welches als Geschäftszimmer des Hausherrn und zur Aufbewarung des Fa­milienarchivs diente, und neben welchem ein oder zwei Korridore nach dem inneren Hofe( Peristylium oder Kavädium) fürten. Dieser innere Hof felte in keinem Hause und war von größerem Umfang als das Atrium. Der offene Mittelraum, in welchem der Blick auf eine Cisterne und einen fließenden Brunnen fiel, wurde durch bedeckte Gänge eingeschlossen; um das Bassin herum waren Rasenpläge und Blumenanlagen gruppirt. Alle anderen, dem täglichen Gebrauch oder dem Luxus dienenden Räume reihten sich, je nach der Größe des Hauses und dem Vermögen und dem Belieben des Besizers, um das Atrium und die Höfe herum; wir meinen damit die kleineren Won- und Schlafzimmer, Speisezimmer, Prachtsäle, Gesellschafts- und Konversations­lokale, Hauskapelle, Bildergallerie, Bibliotek  , Bad, Sklaven zimmer, die sich zuweilen auch in einem zweiten Stockwerk be­fanden, in der Regel besaß aber das römische Bürgerhaus gleich dem griechischen nur ein solches- Küche, Vorratskammern, Bäckerei 2c. Das Dach war auch bei den Römern meist flach und mit Weinreben, Blumen und Sträuchern besezt. Häufig hatten die Häuser söllerartige Vorbaue oder Balkone; enthielten einzelne Teile derselben ein oberes Stockwerk, so fürten zu diesen schmale und steile Treppen hinauf. Fenster fand man nach der Straße zu, wenn überhaupt, nur sehr wenige; vielmehr empfingen die Zimmer ihr Licht durch die weiten Türöffnungen des Atriums und Kavädiums. Dagegen hatten obere Stockwerke immer und auch häufig nach der Straße zu gelegene, freilich ziemlich kleine Fenster, die in der ältesten Zeit durch Läden und Vorhänge, später auch durch Marienglas und, wie wir durch neuerliche Funde bestimt wissen, selbst durch unser Fensterglas verschlossen wurden.

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Fragen wir nach der inneren Einrichtung des römischen Bürger­hauses, so ist zu bemerken, daß der Fußboden niemals gedielt war, sondern aus Estrich oder aus Estrich mit Backsteinstücken gemischt oder aus Steingetäfel von viereckigen Marmorplatten

bestand. In den Behausungen der Reicheren zeigte er kostbare Mosaikarbeit, teils aus Ton, Glas, Marmor, teils aus anderen Steinarten buntfarbig zusammengesezt und zuweilen kunstreiche Gemälde darstellend. Auch die Wände, vor Alters nur geweißt, wurden später mit Marmor belegt, weit häufiger jedoch durch meist auf nassem Kalt hergestellte Malereien geschmückt. Man liebte es, des größeren Effekts halber, dabei die hellsten Farben neben den dunkelsten aufzutragen. Die Bilder stellten sehr ver­schiedenartige, architektonische, historische, mytologische, landschaft­liche und andere Gegenstände dar; ja, man konte sogar den mo­dernen änliche Genrebilder und Stillleben sehen. Die Decken zeigten ein nezartiges Balkenwerk, dessen vertiefte Felder prächtig gemalt und sowol mit Stuckaturarbeit als mit Gold verziert wurden. Zur Heizung dienten, wie bei den Griechen, Kamine, eherne Kolenbecken und tragbare zierliche Defen, deren man mehrere in Pompeji   gefunden hat. In den ältesten Zeiten waren wol Essen nicht zu finden, der Rauch verzog durch die Türen und durch die Dachöffnung des Atriums; später kamen auch Schornsteine auf, deren man jedoch in Unteritalien, wo überhaupt selten geheizt wurde, wenig bedurfte.

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War, wie wol aus der vorstehenden Schilderung hervorget, das römische Haus, in der frühesten Zeit aus Lehmsteinen, später aus regelmäßig behauenen Steinen oder aus Ziegelsteinen er­baut, von außen unregelmäßig, niedrig und im ganzen unan­sehnlich, zuweilen nur wechselten in der Mauer rote und gelbe Ziegelsteine streifenweise ab, wozu sich freilich mit der steigenden Prachtliebe Säulen und mannigfache Bildhauer- und Stuckatur­arbeit gesellten so zeichnete sich das künstlerisch geschmückte Innere, welches durch die sich um das Atrium und Kavädium gruppirenden kleinen, behaglichen Räume gegen Sonne und Zug­luft trefflich geschüzt war, durch umso größere Vornemheit und anheimelnden Reiz aus, so daß die Wirkung, welche es auf den Beschauer hervorbrachte, eine geradezu bezaubernde gewesen sein muß. Man braucht nur die Bilder von dem Inneren der in Pompeji   bloßgelegten Häuser zu betrachten, um sich davon eine Vorstellung zu machen. ( Schluß solgt.)

Aus Deutschlands   schlimster Blut- und Eisenzeit.

Historische Novelle von Earl Gaffau.

Die Leitung der Verteidigung unter Dietrich von Falkenberg  ,| einem der geschicktesten Genieoffiziere Gustav Adolfs  , war eine so vorzügliche, daß der Feind keinen Fuß breit Landes mehr ge­winnen fonte. Gelegentliche, umsichtig ausgefürte Ausfälle der Belagerer zeigten den Kaiserlichen, daß die Kräfte der Stadt nicht erlahmt seien; auch ward es Tilly bald klar, daß hier ein geschickterer militärischer Kopf waltete. Fest stand es deshalb bei dem Höchstkommandirenden, die Belagerung aufzuheben, falls ein lezter Sturm nichts helfe; denn die Spione meldeten die Nähe des gefürchteten schwedischen Helden.

In der Stadt Magdeburg   aber bereitete man sich am 18. Mai des Jares 1631 kurz vor Mitternacht zu einem entscheidenden Ausfall. Vom Heideck  ", dem Sundewitt" und den Stern­schanzen" aus wollte man in drei Haufen hervorstoßen, um die neuen Werke Pappenheims zu zerstören. Und es gelang; Obrist Hoyer von Mansfeld leitete das Ganze, ward aber dabei von einer tückischen Kugel an der Brust getroffen. An der Leder­tasche auf der Brust unter dem Wams fand er das tötliche Blei: ein Gustav Adolfstaler hatte ihm das Leben gerettet, da er bei der Unternemung keinen Panzer trug.. Nachdenklich betrachtete der Offizier die etwas abgeplattete Kugel, als er plözlich aus­rief:" Das ist ja schwedisches Blei!" Ein Gedanke an Very durchzuckte seine Seele, doch er gab ihn als unedel, als unmöglich wieder auf, beschloß aber dennoch, nachzuforschen, bis dieser Ent­schluß tags darauf durch andere Ereignisse in den Hintergrund gedrängt wurde.

Am Morgen des 19. Mai kehrte Hoyer grade von einem Rekognoszirungsritt über den Breiten Weg zurück und schaute auf die Türme des schönen Doms, von deren einem gestern eine feindliche Kugel die Rosette fortgerissen; mit Behagen und Lust sah er die hohen gotischen Massen mit ihrer durchbrochenen Sandsteinarbeit sich von dem prachtvoll blauen Himmel darüber

( 5. Fortsezung.)

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abheben und gedachte dann daran, welches Los sie alle in der Stadt wol träfe, falls der Feind der Werke mächtig würde, da traf er auf den Rittmeister Kalten, einen der schwedischen Offiziere, welcher frohlockend ausrief:

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Der Wißt Ihr sie schon, die große Neuigkeit, Obrist? Feind ziet ab;- Faltenberg ist eben auf dem Rathause, den Magistrat zu benachrichtigen!"

" Nicht möglich, Kalten; ich selbst sah anders!" " Ja, aber wann? Ueberzeugt Euch selbst; man färt schon die Geschüze ab von den Batterien; der König ist jedenfalls nahe!"

,, Wir werden sehen!"

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Und er ritt weiter. Beim Dome stieg er ab, band sein Pferd an das Eisengitter, welches die Kirche umgab, und trat ein. Seit lange bekant mit dem Türmer, teilte er demselben das eben Gehörte mit, worauf dieser lachend meinte:

Nun, dann kann ich Euch auch etwas zeigen. Set hier," sprach er dann, den Obersten in den Kreuzgang, der den Dom umgab, fürend, hier ist der Eingang zu einem schönen Versteck; man dreht an diesem Steine und kriecht hinein. Da drinnen ists sicher,-'s ist ein feuerfestes Gewölbe und sehr umfang­reich."

Man ging weiter; Hoyer aber bemerkte nicht, daß des Very bekantes tückisches Gesicht in demselben Augenblicke hinter einer Säule sichtbar ward; er bestieg vor dem Portale abermals sein Roß und trabte bis ins Rathaus.

Den Rat wie den Administrator fand Hoyer in großer Auf­regung, weil ein Teil des Magistrats das ganze Verfaren Tillys für eine List erklärte, die Stadt sicher zu machen und zu über­fallen; dieser Partei pflichtete auch Hoyer bei, wärend Falkenberg den Hauptnachdruck darauf legte, daß Tilly Gustav Adolfs Nahen bemerkt und deshalb die Belagerung aufhebe.