-
fein Donnern der Warm lag der Mittag auf der Flur; Kanonen hörte man, sondern höchstens das Gesumme der Bienen und das Gezwitscher der Schwalben, die in schnellem Fluge ihre Beute suchten. Endlich wurden die Herren da droben einig: Hoyer, als gewanter Unterhändler, sollte zu Tilly geschickt werden, die Auswechslung der Gefangenen zum Vorwande nemend, im Grunde aber, um zu beobachten, was es mit der Aufhebung der Belagerung auf sich habe. Zu diesem Zwecke eilte Hoyer mittags heim, vertauschte seine Uniform mit einem Reiteranzuge, wie ihn Söldlinge damals trugen, nur die Ledertasche mit Geld und Briefen steckte er ins Koller, tat eine Schärpe mit den magdeburgischen Stadtfarben, grün und weiß, und einen langen Raufdegen um und ging dann mit einem Trompeter und einem Standartenträger, der das weiße Fähnchen des Parlamentärs trug, nach dem Heideck und von dort gegen die kaiserlichen Linien vor. Von Jutta hatte er nicht Abschied genommen, um sie nicht unnötigerweise aufzuregen ob seines keineswegs gefarlosen Ganges , sondern sich still fortgemacht.
Die Kaiserlichen respektirten die weiße Farbe. Man fürte den Parlamentär verbundenen Auges durch die Belagerungsarbeiten bis zum Hauptquartier; Standarte und Trompeter blieben jedoch an der Cernirungslinie zurück. Stunden vergingen jedoch und Hoyer kam nicht wieder. Da kehrten jene zur Stadt zurück; von Hoyer aber sah und hörte man nichts.
Dieser war mittlerweile am Ziele. Man nam ihm die Binde ab und bedeutete ihn, er stehe vor dem Grafen von Tilly.
Mansfeld staunte: das also war der alte Korporal"? Vor ihm stand ein in grau gekleidetes Mänchen, das in hohen, braunen Reiterstiefeln steckte. Das Gesicht war eckig, unschön, die Nase lang, das Auge grau und scharfen Blickes geschickt. Ein langer Schnauz- und Stuzbart gaben dem Gesicht etwas sehr finsteres. Den Kopf bedeckte ein goldbordirter, spizer schwarzer Hut mit goldner Schnur, hinter der eine lange, rote Feder steckte, die weit herunternicte. Das war der Generalfeldmarschall Johann Tzerklaes von Tilly, kaiserlicher Generalissimus, Feldherr der katolischen Liga.
Neben dem General standen verschiedene Offiziere, denn man hatte eben einen Kriegsrat unterbrochen:
„ Tretet näher!"
Alle wichen zurück und Hoyer folgte Tilly in das Feldherrnzelt, wohin ihm dieser voranschritt.
Sehr gnädig bewilligte der General sofort den Austausch auf morgen früh 10 Uhr, heimlich lächelnd, denn wo war er viel leicht dann schon? Auch wußte er Hoyer, der sich die seltsamen Blicke und forschenden Fragen Tillys nicht zu erklären vermochte, sehr geschickt über Namen und Stellung auszuforschen; Hoyer sagte darin die volle Warheit, sezte aber hinzu, daß er sich als im Dienste der Stadt stehend betrachte.
Tilly lächelte.
" Wißt Ihr auch, Herr Graf, daß Ihr mein Großneffe seid?" Hoyer fur zurück. " Ihr zweifelt?"
Kann mirs denken, daß ich in Eurem protestantischen Lager verkezert bin wie einer, daß man Tilly und den Teufel für eins hält; bin aber in Wirklichkeit nicht so schlimm, junger Herr! Ihr aber fart zurück ob solchem Großohm!"
" Und wie ginge das zu?"
" Set, draußen stehen alle meine Generale; sie warten jezt
um Euretwillen!"
Indessen griff er zur Glocke, die auf der großen Karte stand, und flüsterte dem Pagen ein Wort zu. Hierauf zerstreuten sich sämtliche Offiziere durch's Lager; der unterbrochene Kriegsrat sollte erst zwei Stunden später wieder eröffnet werden. Dann fur der General fort:
„ Auf den ersten Blick sah ich, daß eine Ther Vonk Eure Mutter sein mußte!"
" In der Tat, General , so hieß meine Mutter, Gisela Ther Vonk!"
„ Grade wie Eure Großmutter, der sie zugleich täuschend änlich gesehen haben muß, wenn sie Euch glich; ich habe sie nicht gefant!"
" Set sie hier!" Und er hielt dem General das bekante Bild hin.
" Ja, ja; so sah auch die Ther Vonk aus, deren Mädchenname Gisela Tilly war; sie war meine Schwester, und ich bin mithin Euer richtiger Großohm."
623
Und er reichte Hoyer die Hand, die dieser schaudernd nam. Man hört von Euren tapferen Taten, mein Herr Graf ; ic gäbe etwas drum, Euch als meinen Großneffen unter mir kämpfen zu sehen. Euer Vetter, Anton von Mansfeld, kommandirt sogar schon einen Teil des Belagerungsheeres!"
" Jeder muß seiner Fahne getreu bleiben, Großohm!" " Da habt Ihr Recht; ich bin viel zu sehr Soldat, um Euch zum Fahnenbruch zu verleiten."
„ Glaub's, General ; ich bin auch nicht der einzige der Familie, der gegen Euch stet: da drinnen sind noch mehrere von Ther Vonks Nachkommen, Eure Nichte Dorotea, die den früheren Professor, jezigen Syndifus Rauek ehelichte, wont mit Gemal und Tochter am Breiten Weg, dicht am Ulrichstor!"
-
" Was sagt Ihr? Ja, ja,' s tann schon möglich sein; bin mit meinem Schwager, dem hartköpfigen Bürgermeister von Lüttich , sehr auseinander gekommen und habe zwanzig Jare nichts von der Familie vernommen!"
-
Er klingelte wieder und gab dem herbeieilenden Pagen ein Zeichen, worauf dieser verschwand, bald aber mit einem Weinfrug und zwei silbernen Bechern wieder erschien, die er auf einen Tisch sezte. Wist Ihr die Hausnummer? Will mir sie merken für bessere Zeiten, denn Magdeburg scheint sich nicht sehr auf meinen Besuch für diesesmal zu freuen, wärend ich den Versuch aufgebe, die trozige Maid zu bekehren. Wie Ihr set, sind wir dabei, abzuziehen! Aber jezt komt und trinkt mit mir auf die Familien Ther Vonk, Mansfeld und Tilly!"
Das alles brachte er lächelnd vor.
" Ich bin Parlamentär, General , nichts weiter!" Tilly hatte den Becher schon gefüllt:
-
" Ihr wollt mir nicht Bescheid tun? Das hatte ich nicht verdient!"
Rasch ergriff der Jüngling nun den Becher:
Auf Euer Wol, General !" Und er leerte ihn in einem Zuge. Dann fur er fort: Das Haus um=
-
" Ihr wollt die Wonung Naueks wissen? schließt mein höchstes Gut, meine Braut, Jutta, Eure Großnichte also; es ist- das
"
Gespant schaute der Alte auf den Jüngling.
"
das erste
-
Haus am Ulrichstor rechts-!" Dann folgte unverständliches Gemurmel: Hoyer fiel sanft auf den Siz zurück, den ihm der General untergeschoben; Schlaf bedeckte seine Augen.
Der Feldmarschall klingelte:„ Der Doktor!"
-
-
Sogleich trat ein schon im äußerlichen an der grünen Trommel als Chirurg kentlicher Feldscher ein und verneigte sich respektvoll. Set einmal den da" auf Hoyer zeigend" an, Doktor; er hat von der bekanten Sorte diesen ganzen Becher geleert" dabei erhob er den Silberbecher wie lange?" Der Angeredete zuckte die Achseln:„ Kräftige Naturen überwinden schneller; zwanzig bis vierundzwanzig Stunden gewiß!" „ Gut!"
-
Der Doktor ging ab. Der General aber murmelte:
Dann ist alles vorüber, so oder so! Das Leben dieses Jünglings wenigstens und die da drinnen sollen gerettet werden, sein Geheimnis muß ich wissen!" Er klingelte aberund sein Geheimnis muß ich wissen!" mals. Rittmeister Niedergseß!" Herschte er den Pagen an. Gleich darauf klirten Tritte, der Rittmeister Niedergseß, von einem wallonischen Kürassierregiment, trat ein.
" Ihr habt morgen die Wache hier um meine Person?" " Zu Befel, General !"
" Ihr schließt Euch mir unmittelbar an!"
" Wenn der Sturm glückt, eilt Ihr auf meinen Wink mit Eurer Schwadron direkt in die Stadt. Kent Jhr den Breiten Weg? Waret ja zweimal mit dem Trompeter drin?" " Ja wol, General !"
"
Die beiden Häuser am Ulrichstor, rechts und links, besezt Ihr, hängt meine Fahne auf und schreibt dran, Hauptquartier des Generalissimus!"
"
Wol, General ! Und die Bewoner?"
" Denen darf kein Har gekrümt werden; bei Eurem Kopfe, Rittmeister!"
Der Rittmeister machte kehrt, Tilly klingelte abermals und sagte zum Pagen: