Rufe Amadeus und Wolfgang!"

Es erschienen noch zwei in roten Sammet gekleidete Pagen. ,, Kleidet den Schläfer aus, ziet ihm von Eurer Kleidung an und legt ihn auf mein Ruhebett!"

Wärend einer den Pagenanzug herbeischaffte, hatten die beiden andern ihn bereits entkleidet; binnen zehn Minuten war die Meta­morphose vollzogen, Hoyer war auf diese Weise in einen tilly schen Pagen verwandelt und lag sanft atmend im festesten Schlafe auf des Generals Ruhebett.

Nun sah ihn der General wolgefällig lächelnd an und eilte hinaus.

Im großen Wachtzelte waren schon alle Feldherren versam melt, als Tilly eintrat. Alle erhoben sich. Tilly winkte mit der Hand:

"

,, Ein wichtigerer Umstand, als alle glauben mögen, hat mich veranlaßt, die Sizung aufzuheben. Graf Mansfeld"- es war es war Anton von Mansfeld gemeint ,, und Ihr, Graf Piccolomini, habt fast meinen Entschluß, zu stürmen, wankend gemacht; was sagt Ihr, Graf Pappenheim?"

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" Laßt mich an der Spize meiner Regimenter voranstürmen, General, und wenn meine Fahne auf dem Walle wet, so mögen die anderen folgen!"

Ein Beifallsgemurmel begleitete die tapfere Rede.

Gut, mein braver Kriegsgefärte," meinte Tilly, der erste Kanonenschuß morgen früh aus der großen Batterie, dem Heideck gegenüber sei das Zeichen, und Ihr der erste auf dem Walle!" Damit gingen die Feldherren auseinander.

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Golden stieg am Morgen des 21. Mai die Sonne am Firma­ment empor. Der Feind ziet ab." Diese Nachricht verbreitete sich unter den Bürgern der Stadt immer mehr; die meisten er­gaben sich auf dem Walle zum erstenmale dem lange entbehrten fiefen Schlafe und schlichen morgens um 5½2 Uhr, als sich noch immer im feindlichen Lager nichts rürte, nach ihren Häusern, um einmal ordentlich im Bette Jauszuschlafen, wänend, alle Gefar sei vorüber. Um 6 Uhr aber erscholl aus sechs Kartaunen der pappenheimschen Hauptbatterie das Zeichen aus eigener Macht­vollkommenheit, denn dem Schramhans" dauerte es zu lange, bis der General das verabredete Signal gab; darauf sezte sich der Feind hinter den Trümmern der sudenburger und neustädter Vorstadt in Bewegung und rückte auf die Stadt vor. Gleich­zeitig begann ein Höllenkonzert, indem aus allen feindlichen Bat­terien das Feuer auf die unglückliche Stadt zu gleicher Zeit er­öffnet ward; die Batterien auf den Wällen antworteten nur schwach, denn sie waren von den Verteidigern verlassen. O grauen­voller Tag der Verwüstung! Bald waren die Feinde Herren eines Teiles der Wälle und drangen in die Stadt, öffneten ein Tor und strömten ein. Falkenberg wirft sie wieder zurück, sinkt aber, von einer mitleidigen Kugel getroffen, tot nieder. Kein besseres Schicksal haben Obrist Uslar und Hauptmann Schmidt, die beiden lezten magdeburgischen Leonidas, die den Heldentod an der Spize des Restes der Verteidiger starben. Da ruft Pappenheim seinen Wallonen das furchtbare Wort zu:" Bündet!" Und in demselben Augenblicke durchfliegt schon der Brand die Stadt hier und dort von einem Ende bis zum andern. Und nun strömen die Pappen­heimer" und des Isolani Kroaten den Breiten Weg" hinab; ihnen allen voran aber donnert eine Schwadron wallonischer Kü­rassiere unter dem Rittmeister Niedergseß, der das Ulrichstor und die beiden anliegenden Häuser besezt, laut Ordre des Generals. Die Greuel, die dann geschahen bei der Magdeburger Hochzeit ", versucht die Feder vergeblich zu beschreiben. Zur Ehre Gottes!" schrie man hier, den Säugling spießend, Kezer!" dort, die Leichen der schändlich Gemordeten aus den Fenstern werfend. Vergeblich sucht selbst Pappenheim , sucht Tilly sogar dem Greuel der Ver­wüstung Einhalt zu tun; vergeblich, denn der Zügel ist ihnen ent­riffen! Mehr als satanische Wut erfinden kann, geschah der armen, armen Stadt. Abends war von Magdeburg außer einigen Häusern, den Fischerhütten an der Elbe, dem Dom, nichts mehr vorhanden als ein rauchender Trümmerhaufen, den gierige Mordbrenner ruhelos durchsuchten.

Bald nach 12 Uhr mittags erwachte Hoyer von dem Schlaf­trunk. Neugierig sah er sich um und konte sich zunächst kaum besinnen, wo er war. Erst das Kampfgetümmel erweckte ihn zum Bewußtsein. Ein Blick auf seine Kleidung und Umgebung lehrten ihn, welchen Verrat man an ihm begangen. Eilends erfaßte er den nächsten Hut, riß ein Schwert herunter, griff eine schwere

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Partisane auf, bemächtigte sich des ersten besten Pferdes und eilte der Stadt zu. Niemand achtete auf ihn. Magdeburg war be­siegt: All' gewonnen, all' gewonnen!" hört er die jauchzenden Rufe der entmenschten Sieger; sein Herz stand fast still, bei dem Greuel, den er sah. In Todesangst um Jutta und deren Fa­milie fliegt er den Breiten Weg hinunter! Alles in Flammen;. aber da stehen wallonische Kürassiere: Gott sei Dank: Juttas Haus war unverlezt. Die Kürassiere machten dem tillyschen Bagen Plaz:

,, Oheim, Jutta, Tante!"

Er umarmte seine Lieben; sie waren gerettet; aber wer konte sich freuen bei dem allgemeinen Elend?

Verwundert betrachteten die Seinen den Anzug, welchen er trug; er aber erzälte ihnen fliegenden Atems alles, eilte hinauf, riß die Kleidung in Fezen vom Leibe, zog seine Uniform an und blieb dann mit der gespanten Pistole unten als Wache zurück, bereit, sich den Plünderern als Wall entgegen zu werfen; alle anderen eilten nach oben, selbst die Kranke hatte man hinaufge­schafft; aber kein Feind drang ins Haus.

Man verlebte eine trostlose Nacht; morgens 8 Uhr ward plözlich geöffnet und Tilly trat ein; nur zwei Pagen durften ihn begleiten, mußten aber auf dem Korridor bleiben.

Dann folgte eine ernste Unterredung mit Hoyer, die einen so heftigen Karakter annam, daß der Syndikus und Jutta herbei­stürzten, wärend der General der Wache draußen winkte, die Hoyer fesseln und als Gefangenen bewachen mußte.

Jutta flehte auf den Knieen um Gnade für den Verlobten, Tilly aber hob sie auf:

,, Du bist es wert, mein Kind, daß er dich liebt; er ist brav und ich behandele ihn strenge um seines eigenen Besten willen!" Hoyer aber schrie:" Ich wollte, ich läge erschlagen draußen, als ehrlos hier zu ſizen!"

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Ehrlos? Ich meinte, nur überlistet? Tröstet Euch darüber, Herr Großneffe! Ihr aber, meine Verwanten, Neffe und Groß­nichte, was fange ich mit Euch an? Wohin soll ich Euch geleiten lassen, da Ihr hier Eures Lebens nicht sicher seid?"

,, Laßt uns", begann hier der Syndikus, laßt uns auf den Weg nach Leipzig geleiten und schafft uns Furwerk für unsere Kranke, General!"

,, Es ist jemand frank?" Meine Frau!"

Tilly stattete der Kranken selbst einen Besuch ab und mur­melte: Hat nichts von Gisela an sich, ist ganz der alte Eisen­topf Ther Vonk!"

Dann eilte er wieder hinunter und versprach Wachen und Furwerk zu schaffen. Ihr bleibt mein Gefangener!" herschte er Hoyer zu, dann schritt er hinaus.

Man hatte Hoyer längst die Waffen genommen; zwei hand­feste Kürassiere bewachten ihn; seine Hände waren gefesselt. Laut knirschte der junge Held mit den Zähnen, aber alles war na­türlich vergeblich. Bald darauf erschienen 6 Dragoner als Wache und ein Wagen mit vier Pferden bespant, auf den man den besten Hausrat auflud. Dann folgte ein herzzerreißender Abschied zwischen Jutta und Hoyer. Das edle Mädchen wollte sich nicht von ihrem Verlobten trennen, bis dieser ihr selbst zuredete: Denn", sprach er ,,, ich komme doch bald wieder frei; wenn nicht mit Gutem, so mit List! Nun eilt, oder Ihr seid nicht mehr sicher!"

Am andern Tage verlegte Tilly sein Hauptquartier weiter nach Süden und Hoyer wurde mitgeschleppt; Pappenheim aber berichtete nach Wien :

,, Seit Trojas und Jerusalems Eroberung ist eine solche Vik­toria nicht geschehen!" In der Tat waren mehr als 20 000 un­schuldige Menschen gemordet!

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In derselbigen Nacht regte es sich im Kreuzgange des Domes: Fünf schwedische Krieger krochen aus einem großen unterirdischen Versteck hervor, das ihnen Very gezeigt und eilten, von der Dunkelheit begünstigt, nach Norden davon. Hoyer hielt man all­gemein für tot.

V.

Da starb ein Held bei Lüzen Auf winterlichem Plan, Der, Luthers Lehr' zu schüzen, Bon Schweden kam heran."

Alles auf der Flucht? Auf der Flucht und unter einem unbesiegbaren Tilly? Hoyer konte es sich kaum denken, daß den Unbesiegbaren sein Schicksal so bald getroffen. Die Schlacht