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ihre staatsbürgerlichen Rechte wie ihre Erbansprüche benommen. Bei der Verlobung bestimte man die Mitgift, deren Mangel zwar die gesezliche Giltigkeit der Ehe nicht beeinträchtigen konte, aber immer etwas unschickliches hatte, so daß zuweilen, um ein solches Misverhältnis auszugleichen, wolhabende Bürger sich vereinigten, um für die Braut eine Ausstattung aus ihren eigenen Mitteln zu beschaffen. An die Mitgift der Frau hatte der Mann kein Eigentumsrecht, sondern es stand ihm nur der Nießbrauch des von dieser eingebrachten Vermögens zu.

Außer der eigentlichen Mitgift pflegte die Braut noch man­nichfache Gegenstände als Aussteuer zu erhalten, für welche freilich schon durch die solonische Gesezgebung ein gewisses Maß vorge schrieben war. In Sparta   war durch die lykurgischen Geseze ( Lykurg, der Gesezgeber der Spartaner, um 820 v. Chr.) jede Art von Mitgift untersagt, damit nicht mehrere Güter in den Besiz eines einzelnen gelangten. Ganz verschieden von dem spä­teren war das Verhältnis in der frühesten( heroischen) Zeit ge­staltet, indem der Mann die Frau durch Geschenke gewann, sie gewissermaßen durch Kauf an seine Seite brachte.

Vor dem Hochzeitstage, der übrigens mit besonderer Sorg­falt ausgewält zu werden pflegte, damit die Gatten kein Unglück treffe, fanden verschiedene Gebräuche statt, denen vor allem ein den Schuzgöttern der Ehe, namentlich dem Zeus   und der Hera  , vielleicht auch der Artemis  ( als Göttin der Geburten und Er­närerin der Jugend), dargebrachtes feierliches Opfer voranging. Am Tage der Hochzeit selbst namen Bräutigam und Braut ein Bad, wozu das Wasser aus einer wol für jede Stadt bestimten Quelle, in Athen   aus der Kallirrhoë, geschöpft wurde. Der Bräutigam holte die Braut gegen Abend auf einem mit Ochsen oder mit Pferden bespanten Wagen ab, auf welchem die leztere ihren Plaz zwischen dem Bräutigam und einem nahen Verwanten einnam. In Sparta   herschte, um auch in diesem Falle die List und die Kühnheit des einzelnen zu erproben, die Sitte, daß die Braut, natürlich mit Zustimmung der Eltern, vom Bräutigam geraubt wurde. Ging man eine zweite Ehe ein, so fand die Heimfürung der Braut durch den Bräutigam nicht statt, sondern sie wurde ihm von einem Verwanten oder Freunde zugebracht. Das vorher gesalbte Brautpar war bei dem Zuge nach dem Hause des Bräutigams mit festlichen Kleidern und Kränzen, die Braut auch mit einem Schleier geschmückt, und es wurden ihm Fackeln vorangetragen. Die eigentliche Hochzeitsfackel zündete die Mutter der Braut an. War der Zug unter Absingung des Brautliedes ( Hymenaios) durch den Chor der Jünglinge und Jungfrauen mit Flötenbegleitung in dem mit Laubgewinden geschmückten Hause des Bräutigams angekommen, so wurde zunächst Naschwerk aus gestreut und dann das Hochzeitsmal abgehalten. Zu dem lez­teren waren mehr oder minder zalreiche Gäste geladen und auch Frauen zugegen; die Abhaltung desselben galt vor Gericht als Beweis, daß die Frau auch wirklich Gattin sei. Die Gäste pflegten das Brautpar durch Hochzeitsgeschenke zu erfreuen, unter denen die Sefamkuchen besonders beliebt waren. Nach dem Male wurde die Braut verschleiert in das Brautgemach gefürt, ver dessen Tür abermals ein Lied( das Epithalamion) gesungen wurde. Der Gebranch, das hochzeitliche Par unter gemeinschaft lichem Gesang und Tanz der Jünglinge und Jungfrauen nach den Hochzeitshaus: zu geleiten und scherzhafte Lieder bei dem Hochzeitsschmause und vor dem Brautgemach zu singen, stamte aus den ältesten Zeiten. Nach der Hochzeit brachte dann der Mann seiner Frau, die sich jezt unverschleiert zeigen durfte, Ge­schenke, denen sich in der Regel weitere Gaben speziell für diese von verwantschaftlicher und befreundeter Seite hinzugesellten. Nach der Verheiratung lebte die griechische Frau wol minder abgeschlossen, blieb aber auch jezt noch in mannigfacher Beziehung eingeschränkt. Wenn sie z. B. ausging, was nur selten geschah, so sollte immer der Wann darum wiffen; auch war sie dann stets von einer Dienerin begleitet. Selbst ärmere Frauen, denen feine Sklaven zu Befel standen, beobachteten diese Sitte streng, indem sie sich eine Begleiterin mieteten, und glaubten sich dadurch vor dem ganz armen Weibe, das sich die leztere natürlich ver fagen mußte, auszuzeichnen. Vermögende und vorneme Damen erschienen in der Deffentlichkeit stets mit einem Gefolge von mehreren Sklavinnen, was freilich von den Sittenrichtern als ein Beweis von Ueberhebung getadelt wurde. Die lezteren lobten ausdrücklich die Frau des Feldherrn Photion, weil sie sich stets mit einer Sklavin begnügte, wenn sie sich öffentlich zeigte.

Das Verhältnis der Gatten unter einander war im allgemeinen, wie schon angedeutet, mehr auf gegenseitige Achtung als auf

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Liebe in unserem Sinne begründet, was, wie gesagt, nicht aus­schloß, daß in manchen Fällen gegenseitige tiefe Neigung die Herzen verband. Da die Frau in der Regel noch schüchtern und unentwickelt war, wenn sie die Ehe einging, so hatte der Mann die schöne Aufgabe, sie zu bilden und sie zum Verständnis seiner Individualität heranzuziehen. War der Mann daher auch der Herr und das anerkante Oberhaupt des Hauses, der die Frau auch den Gerichten gegenüber vertrat, was dieser selbst das Gesez nicht gestattete, so erschien neben ihm die Gattin doch keineswegs als Sflavin, als seine Dienerin; vielmehr lassen uns alle noch vorhandenen Bildwerke in Malerei und Skulptur, auf denen uns Frauen entgegentreten, erkennen, daß sich dieselben seelisch und physisch frei entfalten und so jene hoheitsvolle Anmut und feine Grazie offenbaren konten, die uns auf jenen Denkmalen der Kunst an ihnen vor allem entzückt. Mit dem Eintritt in den Ehestand begann für die Frau in den meisten Fällen eine Bereicherung ihrer Bildung, nicht sowol durch den Umgang mit dem von Hause aus geistig reiseren Manne, sondern namentlich auch durch den Besuch des Teaters, der ihr gestattet war und neben welchem sie sich auch zu Hause an den klassischen Dichtwerken erfreute, von denen meist jede Familie Abschriften besaß. Der Würde und dem Geistesadel, die sie sich infolge so erlangter höherer Bildung verlieh, entsprechend, pflegte ihr der Mann mit äußerster Rück­sicht und Zartheit zu begegnen und in ihrer Gegenwart kein Wort zu äußern, das den Anstand und vor allem ihre Sittsam­feit hätte verlegen können; ein fremder Mann aber wagte nicht, das Haus zu betreten, wenn er die Frau allein one ihren Gatten daheim wußte.

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Neben persönlichen Eigenschaften, hohem Rang durch Geburt 2c., war es zuweilen die Größe des eingebrachten Vermögens, das der Frau eine höhere Stellung neben dem Manne, ja, selbst ein Uebergewicht über diesen verlieh. In Sparta   erschien die Stellung der Frauen überhaupt freier, und im Hause hatten sie daselbst in noch höherem Grade als in Athen   die unbedingte Herschaft. Vor allem streng war man hier auch in der Bestrafung des Ehe­bruchs, der in der ältesten Zeit für ein unerhörtes Verbrechen galt. Wenn freilich auch in Athen   auf eheliche Treue großes Gewicht gelegt wurde und z. B. dem beleidigten Ehemann das Recht zustand, den Ehebrecher auf der Stelle zu töten, die Frau ging aller bürgerlichen Rechte verlustig, ebenso der Gatte, wenn er sie nicht verstieß so erlaubte sich doch hier der Mann selbst nach der Verheiratung manche Freiheiten, wie sie z. B. in dem keineswegs seltenen Umgang vieler Männer mit sogenanten Hetären( Freundinnen") zutage treten. Die lezteren sind eine eigentümliche Erscheinung im griechischen Leben und haben durch ihren Einfluß auf einzelne Männer in manchen Fällen eine so große Bedeutung für den Staat und die Kultur erlangt, daß sie hier nicht völlig übergangen werden dürfen. Sie übten nicht sowol durch den Reiz körperlicher Schönheit, als vielmehr und weit öfter durch ihren Geist und durch ihre Feinheit im Um­gange auf eine Anzal der hervorragendsten Persönlichkeiten des griechischen Volkes eine außerordentliche Anziehungskraft aus, und manche derselben haben sich mit einem berühmten Namen auf die Nachwelt vererbt: allen voran Aspasia  , welche, wie man wol sagen darf, durch ihren Verkehr mit dem ersten und edelsten Staats­mann Griechenlands  , Perikles  , dem ganzen Stande einen gewissen Nimbus verliehen hat. Neben ihr sei die Milesierin Thargelia, die Freundin des thessalischen Fürsten Antiochos, die Korintherin Laïs, die schönste Frau ihrer Zeit, die selbst den Diogenes be-­herschte, und vor allem die Böoterin Phryne   erwänt, die Praxi­teles zum Modell seiner knidischen Aphrodite erwälte und Apelles  unter dem Bilde derselben schaumgeborenen, dem Meere entstei­genden Göttin malte. Die Hetären traten zunächst in Korinth  , der buntbelebten Stadt des Welthandels, auf; in Athen   erschienen sie an der Oberfläche des öffentlichen Lebens zu der Zeit, als daselbst Reichtum und Uleppigkeit immer mehr emporblüten. Voc allem finden wir sie hier im Umgang mit Philosophen, deren Schulen sie besuchten, nicht immer lediglich aus reinem Wissens­durst, sondern meist, um sich die Künste der Dialektik und Rhe­torik anzueignen und dadurch für die Männer ihre Reize zu er­höhen. In Sparta   suchte man sie vergeblich; desto öster be­gegnen wir in der Geschichte dieses Staates heroischen Frauen, die bereit waren, demselben alles, sogar ihr Leben zu opfern. Unter den lezteren leuchten namentlich in der Zeit des Unter­gangs der spartanischen Glanzzeit des unglücklichen Agis Mutter und seine junge Witwe hervor, die sich seinem Nachfolger, dem König Kleomenes, vermälte und nach dem unglücklichen Versuch