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,, Schilt mich nicht töricht, Hoyer," entgegnet sie. Ich hatte heut Nacht einen Traum; an den noch winterlich starrenden Büschen des Gartens hier sah ich lauter blutrote Rosen; diese verblichen und wurden dann schneeweiß! Not aber bedeutet Blut, Hoyer, und Weiß schwere Trauer!"
" Jutta!"
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Was denn, lieber Hoyer?"
Willst du mir eins versprechen, mein Herz?" ,, Alles, teurer Mann!""
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" Denke nie wieder an solche Dinge, die ganz unnötig auf regen. Rund herum stehen schwedische Truppen, wer will dir etwas zuleide tun? Außerdem, kleine Jutta, hast du eine gute und treue Wache, und siehe, da stehen auch in jenem Schranke zwanzig geladene Musketen und liegt dabei zudem noch Munition; du kanst also" dabei lächelte er voll Schalkheit im Not fall eine kleine Belagerung aushalten!"
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Dann füßte er sein Weib herzlich auf den frischen Mund, umarmte Jutta nochmals, küßte den kleinen, reichte Stürig die Hand, trat hinaus und hieß den Trompeter das Zeichen geben. Dann saßen alle auf, ein kurzes Kommando, und fort waren sie.
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Auch die Gestalt im Busche verschwand. Eben schlugen die Turmglocken in Franzensbad 8½ Uhr.
Nach etwa einer Stunde kam ein schwedischer Dragoner bei dem kleinen Hause an; schwer trug er an einem Korbe, der mehrere Krüge Wein enthielt. Die Exzellenz gab er an, schicke auch der Wache einen Trunk, um auf des Generals Namenstag zu trinken; morgen sei onedies nicht dazu Zeit. Die Wache nötigte ihn, mitzutrinken, er aber meinte, das gehe wol schlecht; Exzellenz werde leicht heftig, besonders, wenn man nicht pünktlich sei, und er habe in diesem Falle Auftrag, schnell zurückzukehren zum Hauptquartier. So ging er hohnlächelnd davon.
Der Vermumte und der Bote war niemand anders als der tückische Very. Mit dem abgefeimten Leslie hatte er diesen Zug ausgesonnen. Als er voll Schlauheit die Geheimnisse des kleinen Hauses genügend ausspionirt, brachte er unter allerlei Verkleidung 30 Mann verwegene Kerle, meist Schotten und Irländer, in der Nähe in einem Versteck unter; die Pferde standen im Stalle, die Waffen lagen bereit; man wollte das kleine Haus des Nachts überfallen und Jutta rauben; dann sollte sie die Seinige werden, oder sie mußte unerbittlich sterben. Aber das Kind sollte der Köder werden, sie am Leben und ihm zu erhalten.
Am kleinen Hause schloß unterdes der alte Diener der Familie, Siegismund, die Läden und Jutta hatte eben ihren kleinen Ernst in sein Bettchen gelegt. Da stürzten plözlich Siegismund und ein Dragoner herein, lezterer ein junger Mensch, der von dem schädlichen Wein nicht mitgetrunken. Alle Dragoner lägen draußen wie tot, erzälte er mit fliegenden Worten; ein Kamerad habe ihnen im Namen des Generals, auf sein Wol zu trinken, mehrere Krüge Wein gebracht, der zum Teil noch an der Erde läge. Alles das käme ihm verdächtig vor. So meldete der junge Reitersmann.
" Habe Dank, mein Son," entgegnete Jutta,„ daß du deine Schuldigkeit getan; es gilt feinen Verzug: besteige dein Pferd und reite, was du kanst, um Hülfe; gewiß ist's kein Zufall! Bedenke, mein Son, du reitest vielleicht um unser Leben! Eile, eile!"
Der junge Reitersmann verschwand wie der Wind, und nach einigen Sekunden sprengte er dahin. Draußen am Gitter ertönten Schüsse. Jutta faltete die Hände:
" Herr, laß gelingen!" Und dahin sauste das Roß; der Reiter war unverlezt. Schnell hatte nun Jutta mit Hülfe des zitternden Stürix und des alten Siegismund die Tür verrammelt; den kleinen Ernst barg sie mit dem Bettchen hinter Tischen und Bänken; sie selbst ging an den Gewehrschrank, legte die Musketen, sie ein zeln untersuchend, auf den Tisch und blies die Lunte an:
„ Kann einer von Euch laden?"
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Beide Alten bejahten, konten aber kaum vor Zittern mit der Munition umgehen; die beiden Mägde, die jezt benachrichtigt wurden, mußten ihr Handreichung tun. Die Lichter wurden unter dem Tisch geborgen, sonst aber bis auf zwei im Hause verlöscht. Dann sprach sie fest: Nun mögen sie uns angreifen!" Und wirklich erfolgte auch schon der Angriff. Leise umschlichen sie das Haus, vorsichtig öffnete man einen Laden, aber Juttas lange Feuergewehre knallten, und zwei der Angreifer sanken, in den Kopf geschossen, tot zurück. Hurtig luden die beiden jezt gefaßten Männer wieder. Jutta und ihre Gehülfen standen gut gedeckt;
da das Gemach nur einen Eingang und zwei Fenster hatte, konte man sich immerhin ein par Stunden, wenn die Munition reichte, halten. Auch draußen krachte es jezt, aber die Kugeln schlugen in die Wand.
" Den Teufel auch!" knirschte draußen der schändliche Very, „ das Teufelsweib verteidigt sich!"
Jeder neue Angriff nam denselben Verlauf. Vierzig Schüsse hatte Jutta abgegeben, als die Munition schwand. Die Feinde hatten inzwischen die Tür gestürmt und belagerten jezt das Gemach von zwei Seiten; aber heldenmütig schoß Jutta als echtes Soldatenweib weiter.
Jezt hörte man des schändlichen Very Stimme:
" Wir müssen ein Ende machen, Kameraden, sonst komt uns der Mansfeld , den Gott verdamme, über den Hals, obwol ihm die unsrigen drüben genug zu schaffen machen werden!"
„ Auch von dort also keine Hoffnung!" dachte Jutta." Großer Gott, das Kind, das Kind!" Sie bückte sich wieder und beruhigte den Kleinen.
Und wieder streckte sie zwei der Mörder nieder, noch einen, wieder einen, und abermals einen.
Aber nun knallten auch die langen Reiterpistolen dicht bei Jutta: mit lautem Stöhnen sank Stürig zur Erde, neben ihm lagen tot die beiden Mägde, und dicht dabei wälzte sich auch der alte Siegismund im lezten Todeskampfe. Einer Heldin gleich stand Jutta da, die rauchende Flinte in der Hand, die mit einer anderen schnell vertauscht war, und wieder fiel ein Mörder.
Da drang Very mit Wut herein. Juttas Gewehr mit der lezten Kugel zitterte: Very erhielt einen Streifschuß am Dr, aber auch Jutta sant- eine Kugel seiner Mordgesellen hatte das treuste und tapferste Herz eines deutschen Weibes durchbort, ihre schönen blauen Augen brachen über allem Erdenjammer.
Very, halb wahnsinnig, bedrote die rasende Rotte wild:„ Verdamt, das solltet Ihr nicht, ich wollte sie lebendig!" Und dann schrie er:„ Den Wurm, den Wurm!"
Bald war das Bettchen gefunden und der kleine schreiende Ernst hervorgerissen. Schon wollte eine Faust nach ihm greifen, da donnerte Very: Halt! Der ist mein! Dem Vater zur Rache soll er leben!"
Nach fünf Minuten war das Haus ausgeraubt. Draußen knallten noch Schüsse: die Schotten machten sich ein Extravergnügen daraus, einige schlafende Dragoner durch die Schläfe zu schießen, andere durchborten sie mit den Pallaschen. Dann stieg der Rest der Räuberbande, von der Juttas Gewehre 17 niedergestreckt hatten, zu Pferde, griff die ledigen Rosse auf und eilte davon.
Alles war still und dunkel; die Lampe nur unter dem Tische brante noch. Beim schwachen Schein derselben schleppte sich der schwer verwundete Stürig bis zu seiner Herrin hiu, und dann durchzuckte ihn ein Gedanke, er suchte zitternd seine Briftafel und schrieb auf ein leeres Blatt: „ Verr Ernst leb
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Hier versagten ihm die Kräfte; schwer sank das Haupt herab, der Tote zu den Toten.
Nach einer halben Stunde etwa hörte man Pferdegetrappel; wie die wilde Jagd brausten die Umeadragoner, Mansfelds Leibregiment, heran, allen voran Mansfeld, Jörgen, der junge wackere Reitersmann, der jezt, leider zu spät, Hülfe brachte, Fuchsner, Werbener und Hilten. Fackeln erleuchteten bald ringsum das kleine Haus, und viele Seufzer hörte man, als man die schändlich gemordeten Wachen fand, wärend der Rest noch fest schlief. Mansfeld hatte nur einen Blick auf das Haus und die Umgebung getan, so rief er:
" Obrist Hilten und Wachtmeister Werbener, mit 100 Mann den Räubern nach; sie haben wenig Vorsprung; schnell, nemt Fackeln!"
Donnernd jagten sie davon.
Der treue Fuchsner begleitete seinen General, der nur mit Schaudern das Haus öffnete, überall. Fackeln beleuchteten den Korridor. Hier lag ein großer Teil der Mörder, sämtlich durch Kopf und Brust geschossen. Mansfeld stuzte; was er scherzend gesagt, sein braves Weib hatte Ernst daraus gemacht. Noch immer fürchtete er nur Weib und Kind entfürt. Man räumte die Leichen bei Seite und kam nun in das Wonzimmer. Hoyer stürzte bei dem Anblick, der sich ihm bot, wie tot zusammen. Indes rief Fuchsner die Offiziere herbei; er selbst brachte den General mit etwas Brantwein zum Leben zurück, aber nur um laute Klage von ihm zu vernemen: