daß stets ein großer Teil dieser 30.000 Seeschiffe in der Themse  verankert liegen. Dazu komt aber, daß nahezu ein Siebentel des gesamten britischen Imports durch fremde Schiffe besorgt wird, die beispielsweise im Jare 1878 allein gegen 7 millionen Tons in die englischen Häfen hineinschleppten, was der Ladung einer Flotte von mindestens 10 000 Schiffen entspricht. Diesen Riesen­flotten gesellen sich noch Kriegsschiffe zu, von denen bekantlich in Woolwich ein Hauptdepot ist und allein für die Hafenpolizei und die Zollkontrole an der Hafenmündung eine ganze Flotille ge­braucht wird. Wer sich ein Bild vom Welthandel Englands machen will, der steige bei Westminster Bridge in das Dampf­boot und lasse London   wit seinem Hafen einmal bei sich Revne passirener gewint dadurch einen mächtigen Eindruck für sein Leben und begreift leicht, wie die Viereinhalbmillionenstadt an jener Stelle entstehen mußte und dabei noch einer kaum absehbaren Entwicklung entgegensiet.

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Die Tour von London   nach Leith ist um ca. 12 Stunden d. i. den vierten Teil kürzer als die sehr frequente Strecke Ham­ burg  - Leith. Hat man die Elbe verlassen, siet man auf lezterer tein Land abgesehen von dem malerischen kleinen Streideblock, Helgoland benamjet bevor man den Firth of Forth   erreicht. Auf unserer Route ist das wesentlich anders. Bei günstigem Wetter hat man beinahe fortwärend die Küste vor Augen oder siet man wenigstens nachts die zallosen Leuchttürme, die für den Seemann in den, wie schon erwänt, feineswegs gefarlosen Ge­wässern der Nordsee   eine unbezalbare Woltat sind. Die Küsten der ehemaligen englischen Königreiche Ost- Angeln und Mercia  bieten wenig Interessantes, man muß erst den Meerbusen Wash, - wo es auch ein Boston gibt und zwar eine ebenso alte wie in der Welt unbekante Stadt dieses Namens- und die Humber mündung pasfirt haben, ehe es sich wieder verlont, ständig auf Deck im Observationsposten zu bleiben. Man merkt es sehr bald, daß man sich in der Nähe eines der bedeutendsten englischen Häfen befindet. Von Hull   gehen wöchentlich regelmäßig Dampfer bis nach Königsberg   und St. Petersburg  , und die Industrie­städte Leeds   und Bradford   verschiffen von hier meist ihre Pro­dukte. Die See wird daher auch bedeutend belebt. Bis zum Schluß unserer Reise hatten wir von jezt an ziemlich unausgesezt mehrere Dampfer in Sicht, die durch Flaggenaufhissen begrüßt und mit denen Signale ausgetauscht wurden. Bald richteten sich alle Blicke auf ein mächtig ins Meer ragendes Vorgebirge, Flam borough Head, ein Ausläufer des sogenanten penninischen Ge­birges. Wer einmal die Nordostküste Rügens   passirt hat, kann sich ziemlich genau vorstellen, wie die Küstenformation des alt fränkischen Yorkshire   sich ausnimt. Trozdem die Sonne noch sehr hoch stand, war die Beleuchtung effektvoll. Freilich nicht zu vergleichen mit dem Bilde, wie sich unser Stubbenkammer mir ins Gedächtnis geprägt hat. Ich reiste vor etlichen Jaren in einer wunderbar schönen Sommernacht mit der Titania" von Kopenhagen   nach Stettin  . Gegen 10 Uhr abends waren wir bei Stubbenkammer, und der Zufall wollte es, daß zur Feier eines Schlachttages wenn ich nicht irre, war es der 2. September die Badegäste von Saßniß ein Feuerwerk veranstaltet hatten. Den Glanzpunkt bildete unzweifelhaft die elektrische Beleuchtung von Stubbenkammer, die vom Wasser aus bewirkt wurde, sodaß

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man einen geradezu feenhaften Eindruck von diesen Kreidefelsen mitnam. In   Yorkshire hatte man keine Siege zu feiern. Dort leben die Menschen vielfach noch in Ideen, die zu den modernen kontinentalen Anschauungen garnicht passen. So interessirt man sich dort sehr für die Ausübung praktischer Menschenliebe, und die ältere Generation der Farmer und Landbewoner hat noch die Quäkerfitte, alle Menschen mit Du" anzureden. Wir blieben freilich so weit vom Lande entfernt, daß uns niemand weder mit " Du" noch mit ,, Sie" anreden konte, auch konten wir den sehr zweckmäßigen Dampfelevator nicht sehen, der in dem fahsionablen Seebade   Scarborough den Verkehr zwischen den Wonpläzen und dem Badestrande vermittelt. Die Felsen sind so hoch und so steil, daß man zum Wasser nicht one Gefar hinabsteigen und selbst den vorhandenen Serpentinweg nicht one eine über­große produktive Tätigkeit der Schweißdrüsen wieder hinauf­klimmen kann. Man hat daher einen Schacht in den Felsen ge­bohrt und einen Flaschenzug hineingelegt, der einen Farstul sehr elegant auf und nieder bewegt. Das Vergnügen, damit zu faren, kostet einen Penny und ist schon deshalb ein sehr billiges zu nennen, weil man meiner Erfarung nach mindestens den drei­fachen Betrag in Bitter Ale anlegen müßte, um die durch das Heraufklettern verlorene Feuchtigkeit zu ersezen. Wärend ich diese Betrachtungen anstellte, waren wir in die Höhe von Tyne­mouth, d. i. Mündung des Tyne, gekommen. Dieses Städtchen ist ein sehr unbedeutendes, wenn man es vergleicht mit der indu­striellen und kommerziellen Bedeutung seiner nächsten Nachbaren -Newcastle- on- Tyne,   Sunderland und selbst South   Shields dagegen ist es ausgezeichnet durch seine Lage ,, at the seaside" und durch ein Aquarium, das hinter dem weltberühmten See­wasseraquarium von   Brighton nicht viel zurückbleiben soll. Damit sind aber auch die Merkwürdigkeiten, welche die englische Küste auf dieser Reise bietet, erschöpft, und niemand ist unzufrieden damit, daß man einige Stunden später nicht mehr im Bereiche des alten   Northumberland, sondern schon gegenüber Berwick, der südlichsten Grafschaft   Schottlands, sich befindet. Der Kurs wird jezt merklich westlicher. Man passirt den 56. Breitegrad und get dann ganz westlich in den Firth of   Forth.

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Der Firth of   Forth, d. i. Mündung des Forth, ist unzweifel­haft der schönste Meerbusen der   Nordsee. Wir sahen schon oben, daß die norddeutsche Küste keine Häfen hat auch Zuidersee Dollart und   Jadebusen laboriren bekantlich an der schlechten Be­schaffenheit unserer Flachküste ebenso schlecht ist es an der jüt­ländischen und   schleswig- Holsteinschen Westküste bestellt. In Eng land felt es in der   Themse und Humbermündung wie im Wash an jeder nennenswerten Erhöhung und so ist unser Firth of   Forth dasjenige Gewässer, das zum Ausgleich desto reichhaltiger mit allem ausgestattet ist, was die Natur und die Tätigkeit des Menschen zur Verschönerung tun fonten. Ich glaube, daß es sich verlohnt, diesem so bevorzugten Wassergebiete mit seinen Küsten, Inseln und maritimen Verkehr einen besonderen Brif zu widmen.

Der freundliche Leser wolle in Gedanken mit mir in dem Seebade North   Berwick Station machen, von wo aus es sich empfielt, eine etwas eingehendere Orientirung über den Firth of  Forth vorzunemen. Karl Friedrich  

Schinkel.

( Mit Porträt.)

" Unser Geist ist nicht frei, wenn er nicht Herr seiner Vor­stellungen ist; dagegen erscheint die Freiheit des Geistes bei jeder Selbstüberwindung, bei jedem Widerstande gegen äußere Lockung, bei jeder Pflichterfüllung, wie bei jedem Streben nach dem Bessern, und bei jeder Wegräumung eines Hindernisses zu diesem Zweck. Jeder freie Moment ist ein seliger." So lautet der von ihm selbst für seine Familie aufgesezte Walspruch des Mannes, der einer der größten Söne   Deutschlands und einer der am hellsten stralenden Sterne am Kunsthimmel des 19. Jarhunderts allgemein genant wird, dessen hundertjäriger Geburtstag am 13. März d. J. gefeiert wurde und dessen Todestag am nächsten 9. Oktober zum vierzigsten male wiederkehrt: Karl Friedrich   Schinkel. Am ge­nanten Tage 1781 zu   Neuruppin als Son eines Superintendenten geboren, hatte er, sechs Jare alt, das Unglück, seinen Vater zu Bis zum vierzehnten Jare besuchte er dann das

verlieren.

Gymnasium seiner Vaterstadt, und von 1795 an, als seine Mutter nach   Berlin übersiedelte, sezte er seine Studien auf dem Gymna­fium zum grauen Kloster fort. Das Lernen soll ihm schwer geworden sein, dagegen zeigte er große Lust zum Zeichnen. Diese seine Neigung erhielt neue Narung, als er die von dem jungen Oberhofbauinspektor Prof. Friedrich   Gilly ausgestellten Entwürfe zu einem Denkmal Friedrichs des Großen und andere Arbeiten dieses, große Hoffnungen erweckenden Künstlers zu Gesicht bekam, und es stieg schon damals der Gedanke in ihm auf, Architekt zu werden. Vorläufig ließ er sich, durch Empfelungen neuruppiner Freunde unterſtüzt, vom älteren Gilly im Zeichnen unterrichten und sezte dann, als der jüngere von einer längeren Reise zurück­gekehrt, unter dessen Leitung seine Studien fort und zwar mit der festen Absicht, die künstlerische Laufbahn zu wälen. Er ging denn auch 1798 vom Gymnasium ab. Seine Vormünder hatten