-10

gleich die Göttlichglänzende. Obgleich nach dem alten Spruch der Mensch in seinen Göttern sich selbst und sein Wesen, nur gesteigert, neu schafft, so sehen wir von einer besondern Betrach­tung der heidnischen Göttinnen ab, werden aber ihre einzelnen Seiten brauchen können, um die irdischen Frauen jener Zeit für unser geistiges Auge abzumalen.

Nach diesen Erwägungen über Wort und Namen gehen wir unserm Gegenstande noch näher zuleibe und suchen wir aus der Menge geschichtlicher Zeugnisse diejenigen zusammenzustellen, welche uns die wichtigsten zu sein scheinen für die älteste Geschichte der deutschen Frauen. An die Spize unsrer Betrachtungen stellen wir das vielangefürte Wort des Tacitus  :

Es glauben Deutschlands   Völker, daß den Frauen etwas Heiliges und Prophetisches innewone: daher verachten sie ihre Ratschläge nicht und achten wol auf ihre Weissagungen."

Dieser größte römische Geschichtsschreiber, tätig um die Wende des ersten und zweiten Jarhunderts christlicher Zeitrechnung im kaiserlichen Rom  , nam mit tiefem Gram die moralischen und sozialen Schäden seines damals bereits schrecklich entartenden Volkes war, und wie er als Politiker in seinem Wirken das kühne Wort sprach: ,, Erringen wir uns die Zeiten, da jedermann reden darf, was er denkt und denken darf, was er will"; hatte er auch den Mut, den kulturstolzen Welteroberern und Weltbe­herschern das Bild eines naturwüchsigen, noch nicht von dem Gifte der Ueberkultur zerfressenen Volkes entgegenzustellen, welches wol die Mehrzal seiner Beitgenossen zu fürchten nicht umhin konten, welches sie aber doch als Barbaren, als Halbwilde ver­achteten. Dies tat er in seinem später Germania betitelten Werke, in dem er, ein Vorläufer Rousseaus, die Natur wider die Kunst, die naive Einfachheit wider den Luxus auf den Schild erhob. Obgleich er nun in seinem Schwiegervater Agricola einen guten Gewärsmann über deutsche und britische Zustände hatte und wol auch vieles nach eignem Augenschein berichtete, mag diese seine Absicht ihn zuweilen verleitet haben, zu rosig zu malen. Jene aus obgedachtem Wort über die Frauen sich ergebende Hochhal­tung des anderen Geschlechts war, wie ein Forscher richtig be­merkt, mehr eine religiöse als eine weltliche, mehr eine passive als eine attive. Die geistige Findigkeit, die Liſt, der Reiz, den das körperlich meist schwache Weib auf den Mann ausübt, er­flären genugsam die Zubilligung von Anspruch auf Schuz und Schonung, auf Ehrerbietung und Heilighaltung. Aber gesellschaft lich und rechtlich hatte sonst das Weib stets seine Stelle hinter dem Manne: sie stand dem Gatten gegenüber nicht freier als das Kind dem Vater gegenüber, sie war stets bevormundet und un­frei, wenn nicht überragende persönliche Gaben des Geistes und Leibes ihr eine ausnamsweise selbständigere Stellung erwirkten, die rechtlich keine anerkennende Begründung hatte. Anfangs nur als Sache, als Gegenstand zum Genuß betrachtet, konte sie lez­willig vom Manne einem anderen vermacht, verschenkt, verkauft, dem Gaste angeboten werden. Die Last der Arbeit rute allein auf ihren Schultern, wärend der Gatte auf der vielberühmten Bären haut lag, zechte und spielte, oder Kriegspfade wandelte oder jagte.

Allmälich wurde durch steigende Kultur und Verinnerlichung manche Bresche in die starren Schranken dieses Gewonheitsrechtes geschlagen; die hinterlassene Witwe, welche anfangs wol den Tod mit dem Gatten teilen mußte, sicher wenigstens oft freiwillig teilte, erhielt manche Freiheiten, die an mänliche streiften, namentlich in den Höhen der Gesellschaft.

Persönliche Tüchtigkeit im Verwalten der Wirtschaft ist einer der Edelsteine, auf denen die in der Praxis wol höhere Achtung des Weibes im Leben, im Gegensaz zu dem rücksichtslosen Gesez, berute. Selbst Königinnen fertigen die Gewänder ihres Gatten und zieren sein und seiner Mannen Kleider auf das stolzeste; eigenhändig drehen sie die Spindel oder waschen an Meer und Fluß die gebrauchten Kleider. So in der deutschen Vorzeit wie in dem Heldenzeitalter der Griechen. Auch das altgermanische Getränk des Bieres brauten selbst Königinnen für ihren Haus­halt eigenhändig und gutes Getränk schaffen zu können, war hoch­geschäzte Frauentugend. König Alf hatte zwei unverträgliche Frauen und fülte die Notwendigkeit, diese zu trennen, indem er eine entfernte. Da ließ er beide um die Wette brauen, mit dem Beding, daß die Siegerin bei ihm verbleibe. Odin   selbst, der Götter oberster, soll der tüchtigeren wunderbar zum Siege ver­holfen haben, indem er ihr Speichel von sich gab.

Spinnen, weben, nähen, stiden, alles, was die Mädchen auf dem Markte zu Richmond in lustigem Liede sich zu leisten er bieten, verstand das deutsche Weib von alters her gut. War doch

darauf von früher her die Erziehung in der Hauptsache gerichtet. Alle Künste der Handarbeit zur Verschönerung des Wonraums und Zier des eignen Körper waren Frauenwerke.

Als geliebte Gattin, Mutter und erste Erzieherin der Kinder war die Frau dem Manne allzeit wert, namentlich wenn sie ihm Söne schenkte, auf denen in ältester Zeit Leben und Hoffnung des Hauses rute. Diese Höherschäzung drückt sich auch darin aus, daß die altgermanische Sitte der Kinderaussezung, die troz Tacitus Beugnis, statthatte, namentlich Töchter betraf. Gründe der Aussezung: Uebervölkerung und Narungsmangel, weshalb der einzelne in jenen rauhen Zeiten eben fühl dem ganzen geopfert wurde. Als Asbörn eine Tochter wider den Willen der Mutter verlobt hatte, jezte leztere sogar eine später geborene Tochter aus, da sie nicht Kinder aufziehen wolle, die gegen ihren Willen weg­gegeben würden.

Rühmend hebt Tacitus   hervor, daß die deutschen Mütter ihre Kinder selbst stillen, jedoch schon im 6. Jarhundert ist von Ammen bei den Angelsachsen die Rede.

Wenn dies so wie andere Züge der Geschlechtstüchtigkeit zum großen Teil in der größeren Abhärtung und in einfacher ge sunder Lebensweise ihre Erklärung findet, so ist der Ruf der deutschen Keuschheit doch begründet und auch mit herzuziehen. Jünglinge wie Mädchen ,, wurden nicht übereilt"( mit dem Hei­raten) wie es bei Tacitus   heißt. Von Unkeuschheit war Tod die Folge, da gab es uranfänglich keinerlei Sühne. Milder ward aber im Laufe der Zeit das Gesez, lockerer die Sitten, wie wir bei Betrachtung der hösischen Zeit sehen werden.

|

Damit aufs engste verbunden ist die streng gewarte eheliche Treue. Das erhabenste Beispiel, gewiß nur dichterisch erhöhte Wirklichkeit, ist das der Gemalin des Lichtgottes Baldur. Durch des Unholds Loki List ist die Freude der Götter und Menschen, der stralende Tagesgott getötet worden. Das kann seine jugendlich blühende Gattin Nanna nicht ertragen; als der brennende Scheiter­haufen ins Meer hinaustreibt, springt ihr das Herz und sie get mit dem Gatten vereint in die Unterwelt. Aber noch rürender fast ist die Gestalt der Sigya, der Gattin Lokis  . Wegen seines Frevels an Baldur gefangen, wird er mit den Eingeweiden seines Sones an einen Felsen gebunden und eine giftige Schlange über ihm aufgehängt, sodaß ihm stets ihr äzender Geifer ins Gesicht fällt. Aber Sigya ist bei ihm, dem Uebeltäter, und fängt das Gift one Raft und Ruh in einer Schale auf bis an der Welt Untergang! Eine andere Sage berichtet von einem Weibe, die stets an ihrem Gatten hängt, obgleich er ihre Schwester liebt, und ihn in arger Bedrängnis nicht läßt, ihm ins Elend folgt, ihn tröstet und endlich rettet. Freilich erfaren wir auch von ge­waltiger Liebe, die lieber ihren Gegenstand vernichtet, als ihn einer andern gönt. So ist Siegfrieds Tod   in der alten Nibe­lungensage die Folge des Verlassens der Brunhild  , seiner einstigen Braut, die an ihm sich blutig rächt, dann aber sich selbst ersticht und so dem immer noch Geliebten nachstirbt. Ingibiörg, die Norwegerin, mußte ihren Geliebten lassen, da bort sie ihm im grimmen   Weh mit ihren Händen die heißgeliebten Augen aus, damit ihr Glanz nicht andere erfreue.

Das Halten auf Ehre ist nicht nur bei der Römerin Lucretia  zu finden. Schon die Frauen der von Marius besiegten Teu­tonen flehten die Sieger an, daß sie Priesterinnen der Vesta werden fönten und so nicht Manneswillen und Gewalt über sich ergehen laffen müßten; als man ihnen dies abschlug, legten sie Hand an sich. Und so ließen sich zallose Beispiele strenger, ja rauher Frauentugend häufen. Andererseits ward dieselbe vom deutschen Mann gefordert, und auch an fremden Frauen, etwa besiegte Feinde, geachtet. Im Gudrunlied wird die gefangene Heldin der Dichtung von Hartmuts Mutter mishandelt, um sie zur Ehe zu zwingen, jener aber denkt hoch genug, seinerseits nicht zu er zwingen, was Gudrun nicht frei gewären will. Rauh kann das Weib behandelt werden, aber nicht roh; es kann körperliche Mis­handlungen erfaren, aber keine sittlichen.

Treten die Frauen doch selbst zuweilen uns förmlich erzhart entgegen, so stark sind die Ausbrüche übergewaltiger Gefüle, wovon oben schon ein Beispiel, das Ingibiörgs, zeigte. Ist doch das Frauenherz leichter auch eine Beute starter Stürme im Em pfindungs- und Gefülsleben. Vom gewaltigen Wogen des Busens springt Freias Sternenschmuck; im wütendem Schmerz schlägt Brunhild   die Hände zusammen, daß der Sal laut erdröhnt und das Geflügel auf dem Hofe erschreckt emporfärt. Als sie entsez lich frolockendes Gelächter ausstößt bei Siegfrieds Tod  , erdröhnt das ganze Haus. ( Schluß folgt.)