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Ritte über Stock und Stein mitsamt dem Pferde gestürzt und hatte sich den Oberschenkel gebrochen. Einige Wochen lag er fest, dann wollte er viel zu früh vom Schmerzenslager auf, holte sich ein heftiges Fieber und starb, noch ehe er die Erlaubnis gegeben hatte, daß mir von seinem Unglücksfalle irgend eine Kunde gegeben wurde. Ich eilte Hals über Kopf zurück, ordnete die in mancher Beziehung verworrenen, wenn auch durchaus nicht ungünstigen Vermögensverhältnisse unsres Hauses und nun nun da bin ich eben."
,, Das soll alles sein?" fragte David offenbar unbefriedigt. ,, Das ist auch nichts als ein Skelett und noch dazu ein sehr unvollständiges. Par exemple: wo ist der Lebenszweck geblieben, der Sie durch das Chaos Ihrer Reiseerlebnisse vor dem Schiff bruch des Gemüts gerettet hat?
Mein Lebenszweck oder besser meiu Strebenszweck hat man nigfach gewechselt, wie es wol bei jedem nicht auf niederer Stufe geistiger Entwickelung stehen gebliebenen Menschen der Fall ist, immer aber schwebte mir einer vor, der auch im Grunde, in seinem innersten Kerne, stets derselbe war. Ich wollte mit allen meinen Kräften ein nüzliches Glied der menschlichen Gemeinschaft werden, ich wollte es als Jurist wie als Philosoph, und als ich mich in der Welt umhertrieb, studirte ich, so ernsthaft wie man eben studiren kann, die Menschen und die Welt, die Natur und die Staaten
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David lachte laut auf. Franz Stein schaute ihn verwundert an.
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Verzeihen Sie mir, bester Stein. Aber es ist zu närrisch. Haben Sie einmal einen Hamster im Tellereisen gesehen noch dazu einen Hamster, der sich fürchterlich geschmeichelt fült, daß das Eisen ihn der Ehre würdigte, seine täppischen Pfoten fest zuhalten?"
Stein schüttelte höchst frappirt den Kopf.
,, Sie werden in Ihren Bildern immer origineller. Aber ich kann mir doch nur schwer zusammenreimen- Ist mein Lebenszweck das Tellercisen
David wollte sich ausschütten vor Lachen.
,, Aber bester Freund, so seid Ihr Philosophen, alles in der Welt beziet ihr auf Euch, und was außer Euch ist, seht Ihr nicht und wenn Ihr auch Jarzehnte lang Welt und Menschen studirt habt. Entschuldigen Sie mich, daß ich nicht auch Philo soph bin und wenden Sie ein wenig den Kopf nach rechts; so! sehen Sie den eleganten Jüngling fennen Sie ihn?" Franz Stein war der Aufforderung gefolgt.
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„ Ah, das ist Herr Gabriel Haßler. Ist Ihnen der so in teressant?"
" Belieben Sie nur weiter zu schauen, sehen Sie neben dem trefflichen Gabriel die Dame, zu der er sich hinneigt, die er anlächelt und mit den Blicken seiner kleinen Aeugelchen fast verschlingt?"
In der Tat, ich sehe
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„ Und dann schauen Sie wiederum ein wenig links die Gruppe von Offizieren des Leibkürassirregiments insbesondere den riesigen Premierlieutenant in der Mitte mit dem endlosen Schnurr bart sehen Sie nur wie höhnisch der Kerl dreinsiet
,, Ich sehe, aber ich bin zu sehr Laie in der chronique scandaleuse unfrer guten Stadt, um recht zu verstehen
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,, Nun, die Geschichte ist einfach und ergözlich. Jene Dame einst die von unsrer jeunesse dorée gefeiertſte Schönheit, Fräulein Elfriede Specht, die Tochter des Bauspekulanten Wilhelm Specht, der, ein fleischgewordener Geldsack, der Tochter vis- à- vis sizt, war bis vor kurzem die anerkante Königin des Offizierkorps vom Leibkürassirregimente, und der Löwe des Offizierkorps, auch König der Königin war und ist jener Premierlieutenant der Graf Waldkirch - Buchenfels. Was läßt sich bei dieser Sachlage, bester Freund, nun aus dem Umstande, daß Herr Gabriel Haßler bei der Königin Elfriede und der Graf- König hohulächelnd abseits sizt, folgern?"
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Franz Stein lachte nun auf. ,, Nun, Sie folgern eben das Tellereisen, in dem sich Hamster Gabriel gefangen haben soll, wie?"
,, Gefangen hat, zuversichtlich. Glauben Sie, Königin Elfriede würde sich öffentlich von solch einem lächerlichen Knirps den Hof machen lassen, wenn sie ihn nicht fest hätte und festhalten müßte?" „ Das wäre! Sagen Sie, David, ich kann das Gesicht dieser Kürassirkönigin nicht sehen, ist sie schön?"
„ Bildschön -gewesen. Und für den, der Poudre de riz, Karmin und die chinesische Tusche in ihrer Anwendung auf
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Frauengesichter, Frauennacken, Frauenschultern, Frauenarme u. s. w. nicht aus dem F- F kent, ist sie es noch und wird es vielleicht noch ein Menschenalter bleiben
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,, Dann will dieser schlaue Gabriel die Königin Elfriede heiraten und so seine in der ersten Instanz verlorene Wette noch gewinnen." David wußte von der Wette nichts; Steins kurzer Bericht ergözte ihn sehr.
Ja, ich habe mich um unsre junge Kaufmanswelt in der lezten Zeit fast garnicht mehr gefümmert," sagte er.„ Menschenplunder, sage ich Ihnen, lieber Freund, nichts weiter fast ausnamslos. Kaum noch fähig, einem hin und wieder unfreiwillig Stoff zum Amüsement zu geben. Daß Ehren- Gabriel diesmal eine Ausname macht, will ich ihm in stiller Dankbarkeit nie vergessen. Graf Waldkirch kann wirklich auch lachen. Schon lange gingen die Unterhandlungen zwischen seinem Hause und dem des Herzogs von Tannenberg hin und her wegen der vom alten Fürsten Waldkirch dringend gewünschten Vermälung seines Erstgeborenen mit der jüngsten Prinzessin aus dem Geschlechte der Tannenberg. Königin Elfriede, über deren huldreiche Beziehungen zu den Kürassiroffizieren im allgemeinen und dem Grafen insbe= sondere kein Mitglied unsres hohen Adels im unklaren ist, war der schlimste Stein des Anstoßes. Daß der Graf bereit ist, seinen Segen zu der ehelichen Vereinigung des Herrn Gabriel Haßler mit Fräulein Elfriede Specht zu geben, ist also äußerst begreiflich--"
,, Aber Specht Vater?"
" Für den bedarf es nur einer goldnen Brücke, um ihn mit Haus und Hof, Weib und Kind und allem was sein ist in die Hölle zu locken, und goldne Brücken zu bauen ist für einen zwanzigfachen Millionär, wie der Fürst Waldkirch , eine Kleinigkeit." ,, Und die Tochter?"
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,, Was sie zwingt zwingen muß sie etwas den Schoßbären durch einen Mops- wenn auch einen echten zu er= sezen, kann ich nur vermuten und vermuten können Sie jedenfalls grad so gut, als ich. Die Sonne wird es übrigens schon an den Tag bringen. Doch da, lieber Freund, Sie haben mich heut für den Humor des Menschentreibens außergewönlich empfänglich gemacht, haben Sie gesehen, wie ehrfurchtsvoll die beiden schwarzen alten Herren von Specht Vater, Specht Tochter und Specht Schwiegerson gegrüßt wurden?"
,, Da die katolischen Geistlichen, die eben so würdevoll auf uns zukommen?"
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" Dieselben. Der schneeweiß beharte, behäbige rechts ist der Bischof Heinrich, sein langer vertrockneter Begleiter mit den blizenden, unheimlichen Augen ist das Faktotum des Bischofs, der Domherr von Lysen. Der Bischof ist einer der wenigen hohen Würdenträger der katolischen Kirche, welche der Kulturkampf immer noch verschont hat noch verschont hat auch bei unsrer protestantischen Aristokratie hoch angesehen, trozdem er aus einer Bauernhütte stamt, einen Mangel, den er durch die Macht seiner Beredsamkeit, seinen scharfen Verstand und sein ganz bezauberndes Wesen völlig auszugleichen verstanden hat. In Anbetracht dessen war es interessant zu be= merken, daß die Kürassiroffiziere, wie auf das Kommando„ Augen links," beiseite sahen und nicht grüßten, als die hochgestellten Gottesmänner langsam und feierlich an ihnen vorbeischritten; eine bedeutsame Scene das, lieber Freund, die durch den zum Totlachen scheinheiligen Gruß des alten Fuchses Specht und seiner Gesellschaft, auch jung Gabriels famos gewürzt wurde."
" Das ist in Warheit nicht uninteressant, und für mich um so interessanter, als ich nicht nur Herrn Haßler jun. so einigermaßen kenne, sondern auch mit der Familie des Grafen Waldkirch Buchenfels und mit dem Bischof Heinrich in gewissen Beziehungen gestanden habe, obgleich ich beide nicht persönlich kenne."
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" Beziehungen Sie? Sie haben doch nicht etwa von dem Grafen und seinen Mannen zu der Religion des Tempels David machte eine Bewegung, als wenn er Spielfarten austeile, ,, oder vom Bischof zu der alleinseligmachenden Kirche bekehrt wer= den sollen?"
" Behüte, weder das eine noch das andre würde gelingen! Die Beziehungen sind rein geschäftlich; der Generaldirektor des Fürsten Waldkirch verhandelt seit längerem mit mir wegen des Verkaufs meines Gutes. Auch der Bischof, dessen Güter ebenso wie die des Fürsten , an das meinige heranreichen, wünschte es zu kaufen; wie mir aber mein Rechtsanwalt berichtet, knaufert der bischöfliche Bevollmächtigte in fast jüdischer Weise und des= halb rät der Anwalt, das Gut dem Fürsten zu überlassen."
( Fortsezung folgt.)