und Feldern und über dem Buchenwald; er kam vom Mond, dessen rötlich gelbe Halbscheibe nicht sehr freundlich aus den feuchten, trüben Nebelwolfen hervorsah.

Als wir die Steinstufen vor der Herberge zur goldenen Traube" herabgestiegen waren, sahen wir ein Stück weiter in der Dorfgasse ein helles Schmiedfeuer leuchten und flammen und hörten, wie dort der Hammer noch fleißig auf den Ambos nieder­fiel. Daneben wehte es wie halb gedämpfter Laut eines Liedes durch die trüb- feuchte Luft zu uns herüber. Es mußte ein em­siger Meister sein, der dort noch am späten Abend so frisch sein Handwerk trieb, und doch schien es uns keine heitere Melodie, mit der er seine rüstige Arbeit begleitete.

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Einen Augenblick lang blieben wir stehen und lauschten das Dorf hinab; dann warfen wir einen lezten Blick auf die Fenster des Wirtshauses, das wir soeben verlassen, die Läden daran waren geschlossen und nur ein matter Lichtstreifen drang durch dieselben in das unfreundliche Halbdunkel der Straße heraus. Hätte ich an diesem Abend ahnen können, welche geheime Be­ziehung schon damals zwischen den beiden Häusern, der sauberen Herberge hier und der Stätte dort, wo das Schmiedfeuer flog und stob, waltete, was sich bereits hüben wie drüben zugetragen, und was in der Folge noch, die Herzen ihrer Bewoner gleich sehr erregend, geschah!.

I.

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Man feierte Kirchweih im Dorfe. Es war faum vier Wochen von dem Tage, an dem ich zum erstenmal dieses und das Wirts­haus zur goldenen Traube" betreten. Heut saßen in jener freundlichen, sauberen Stube des lezteren um den großen runden Tisch, der in unmittelbarer Nähe des Ofens stand, mehrere Becher, der Stamm der Gäste, beisammen, ältere, behäbige Bauern in festlicher Gewandung, dem langen, weit über die Knie herab­hängenden Rock, der die rote Weste und das bunte Halstuch sehen ließ, das sich um die hohen, steif geplätteten Hemdkragen schlang und vorn durch dickere Knoten zusammengeknüpft war. Sie mochten schon manchen derben Zug aus den großen Wein­gläsern getan haben; denn lichte Röte stand ihnen allen auf Stirn und Wangen und lebhafte Rede ging in der Runde, der und jener aber stüzte schon, dann und wann in sich hinein­knurrend und brummend oder bei den Worten der anderen un­gestüm auffarend, die Ellenbogen auf den Tisch und das wein­schwere Haupt in beide Hände.

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sich denken, wie keck und hübsch die kernigen, gedrungenen Ge­stalten anzusehen waren. Und dazwischen die frischen, munteren Dirnen in ihrer bunten malerischen Kleidung, den schön ver­schlungenen Brusttüchern, den weißen Lüzen und Halskrausen und den verschiedenartigen Kopfschleifen, den faltigen Röcken und den spizengesäumten Schürzen darüber, den niedrigen Schuhen und sauberen Strümpfen, war das alles, wie es hier vor, die Augen trat, wirklich hüben über dem Rheinstrom, wo wälsche Sprache häufiger fast als die deutsche erklang, oder nicht vie!- mehr drüben in einem traulichen Dorfe des Schwarzwalds?

Die jungen Leute hatten sich bisher beim frölichen Reigen auf der Wiese hinter dem Gasthaus, manche der Burschen wol auch am Kegelspiel vergnügt, nun, da es dunkelte und kältere Luft über die Dornhecken strich, sollte droben im großen Sale der Tanz beginnen.

Dieser Sal war wirklich ein ziemlich umfangreicher, aber nicht allzuhoher Raum. Von den breiten Balken der holzgetäfelten Decke hing in der Mitte ein einfacher schmuckloser Leuchter mit mehreren Lichtern, die dem Sale eine mäßig helle Beleuchtung verschafften, herab, und auf dem braunbestrichenen Holzgerüst im Hintergrund, das den Raum für die bausbäckigen Musikanten. abgab, begannen bereits die Bläser, Pfeifer und Streicher ihre Instrumente zu stimmen. Dem jungen Volk gesellten sich unver­weilt ältere Leute, Männer mit langen Zipfelmüzen und qual­menden Tabackspfeifen, Frauen mit breiten, schwarzen Kopftüchern und langärmeligen Jacken, hinzu, würdig ernst zwischen den an­deren umherwandelnd oder geschwäzig mit ihnen scherzend und da und dort lebhafte, lachende Gruppen um sich versammelnd. Nun begann der erste Tanz und die Bursche eilten, ihre Dirnen dazu abzuholen. Nach wenigen Augenblicken drehten sich die Paare rundum. Ihnen folgten die lebhaften Blicke eines jungen, hübschen Mannes, der abseits still an einem Tische allein saß und noch zu zögern schien, ob er sich den Tanzenden anschließen sollte. Er hatte seinen runden, schwarzen Filzhut abgenommen und neben sich auf einen Stul gelegt. Krauses, lockiges Haar, voll und dicht, umwirrte sein Haupt, ein feines Schnurrbärtchen, von gleich dunkler Färbung wie dieses, stand ihm gar keck in dem offenen, frischen Gesicht, das in der schönen Regelmäßigkeit seiner Züge beim ersten Anblick für sich einnemen mußte. Der saubere graue Anzug, der sich eng und gutsizend um die hochgewachsene, kraftvolle Gestalt legte, machte das ganze Aeußere des jungen Mannes zu einem überaus angenehm in die Augen fallenden, zu einer Erscheinung, die wesentlich von der aller übrigen jungen Burschen, die sich im Sale hin und her bewegten, abstach.

Die derbe, kräftige Gestalt des Wirtes selbst saß unter ihnen. Der, von dem wir reden, mußte hinsichtlich diesen anderen, Zuweilen stand dieser auf, um die leer gewordenen Flaschen zu die im Tanze an ihm vorüberflogen, eine änliche, ihn gleich füllen; denn er mußte heut seine Gäste selber bedienen. Die sehr beschäftigende Wahrnemung gemacht haben; denn seine Blicke beiden Töchter waren mit der ganzen Dorfiugend beim Kirchhafteten unausgesezt auf einem Baare, mit fast erregtem Ausdruck weihtanz, und seine Ehehälfte, mit der er gut und recht zusammen- seines Gesichts folgte er der Linie, die dasselbe durch den Saal gelebt, schlummerte schon seit Jaren drüben auf jenem stillen zog, und sobald es dicht an ihm vorbeikam, bog er sich weit in Acker, über dessen grünen Hügelreihen an sonnigen Tagen der seinen Stuhl zurück; war es aus unwillkürlicher, seltsamer Scheu, dicke, finstere Kirchturm seine breiten Schatten wirft. oder weil er jemand von beiden tiefer ins Antliz zu sehen strebte?

Der Kirchweihtanz war mitten im Dorfe, in einem größeren Gasthause, das dort gelegen. Denn die" goldene Traube" besaß feinen Sal, wie solcher zum Schwung und Sprung der Pare doch nötig ist, wenn die Kühle des Abends nicht mehr den Tanz auf freier Wiese gestattet, und war überhaupt auf derlei größere Festlichkeiten nicht eingerichtet. Sie war eben nur eine wolange­sehene, reinliche Weinwirtschaft, in der die Großen des Dorfes gerne vorsprachen und in welcher vorüberkommende Fur- und Handelsleute oder fremde Wanderer seit ein par Menschenaltern schon mit besonderer Vorliebe Einkehr hielten. Und der Besizer, dessen Vorfaren bereits hier gewirtet hatten und zu einem leid­lichen Vermögen gekommen waren, stand sich gut dabei, zumal er Rebengelände besaß und mit dem eigenen Gewächs sowol wie mit den Erträgnissen fremder Weinäcker, deren Verkauf er immer vorteilhaft zu vermitteln wußte, einen schwunghaften und ausge­dehnten Handel trieb.

Waren das schmucke, kräftige Bauernburschen, die in dem alten, großen, hochgegiebeltem Hause polternd und lärmend die breite, knarrende Holztreppe hinaufschritten! Die meisten hatten heute die grobe Werktagsbluse abgelegt und sich mit der kleid fameren Sontagsjacke und ebenfalls mit der roten Weste angetan; der und jener trug sogar nach der Väter Weise kurze Kniehose mit schönen silbernen Schnallen über den langen, hellfarbigen Strümpfen, und nimt man dazu den breiten schwäbischen Drei­timp, der ihnen, wie fast allen, das Haupt bedeckte, so kann man

Und es war allerdings etwas an diesem Pare, was die be­sondere Aufmerksamkeit, die der junge Mann ihm zuwendete, er­klärlich scheinen ließ, an dem Mädchen zum mindesten, das in seiner durchaus von der aller anderen verschiedenen, inmitten dieser fast elegant scheinenden Kleidung- ein lichtblaues, über der Brust mit seinen weißen Spizen beseztes Kleid, mit hellen Säumen, durchaus nach modernem Schnitt hier wie ein vor­nemes Fräulein aus der Stadt zwischen den einfachen Dorfdirnen erschien. Auch der Ausdruck ihres Gesichts und ihrer Augen unterschied sich nicht minder charakteristisch von diesen.

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Und doch war sie eine aus dem Dorf wie die anderen, Helene Hegmar, die älteste Tochter des Traubenwirths. Man mußte freilich wissen, daß es noch nicht zwei volle Jahre her waren, seit sie aus der französischen Hauptstadt, wohin sie ge­tommen, als sie taum die Schwelle des Jungfrauenalters be schritten, wieder in die bäuerliche Einsamkeit ihres Heimatdorfes zurückgekehrt war, man mußte das wissen, um die vornemere Art ihrer Erscheinung im Kreise der schlichten Landbewohner zu zu verstehen und sie nicht etwa für ein eitles, puzsüchtiges Ges schöpf zu halten, das, bei völligem Mangel anderer sie von ihnen auszeichnenden Eigenschaften, nur danach bestrebt gewesen wäre, lediglich durch äußeren Prunk vor den übrigen Dorfschönen sich hervorzutun und ihnen den Rang abzulaufen. Freilich aber war sie innerlich und äußerlich eine andere, eine ganz andere, als alle,