der bestbebauten und fruchtbarsten Länder der Erde. Daß sie Schacher und Kleinhandel betrieben oder ausschließlich ein Kaufmansvolk gewesen feien, bestreitet Döllinger, da man davon weder in der römischen Literatur noch in den Gesezen der römischen Kaiser eine Spur fände. Noch bis ins 10. Jarhundert bildeten sie in Spanien , Südfrankreich und Deutschland eine seßhafte Bevölkerung, bis ihre Lage durch die Feindschaft der christlichen Kirche unha tbar wurde. Dann verhinderte das herschende Zunstwesen sie wieder, ein Handwerk zu betreiben; Ackerbauer konten sie nicht werden, weil ihnen fast allenthalben der Besiz an Grund und Boden verwehrt wurde. Dagegen waren sie Handarbeiter unter den Muhamedanern und beschäftigten sich auch dort mit den Wissenschaften. Den Christen ist jedoch durch Konzilbeschluß bei Bannstrafe verboten, sich von einem jüdischen Arzt behandeln zu lassen, da es besser sei, den Tod zu erleiden, als Heilung durch einen Ungläubigen zu er aren. Die Verfolgungen, welche die Juden in England, Frankreich und Spanien zu erdulden hatten, übergehen wir, da sie den bereits angefürten mehr oder weniger änlich sind. Aber interessant ist, daß selbst Geschichtsschreiber, die Gott loben, daß die Israeliten so hart betroffen wurden, nicht zu bemerken vergessen ,,, daß die Habgier eine Hauptursache dieser Missetaten gewesen, daß verschuldete Edelleute und Bürger dazu gehezt haben, um ihre jüdischen Gläubiger mit einem Schlage loszuwerden." Ebenso interessant ist aber auch die von Döllinger konstatirte Tatsache, welche, da von einem Teologen ausgehend, um so gewichtiger, dem Klerus früherer Zeit jede Fähigkeit abspricht, geistig auf die Juden einzuwirken und sie so für das Christentum zu gewinnen. Jene Gründe mögen auch der heutigen Judenheze zugrunde liegen, denn einmal mag es frommen Christenseelen recht unbequem sein, daß mancher Jude troz den jarhundertelangen Verfolgungen seiner Glaubensgenossen heute eine bedeutende Rolle spielt, und andrerseits bürgt uns der Fanatismus, den gewisse Leute in dieser Frage an den Tag legen, für einen hohen Grad geistiger Beschränktheit. Bon großer Bedeutung ist aber für uns, daß es ein christlicher Teologe ist, der in dieser Frage nicht nur gründlicher siet, wie manch' andrer, sondern auch menschlicher fült und deshalb die in den Kot getretene Toleranz wart und zu waren bittet. Und das ist obendrein derselbe Mann, den Heinrich Heine einst den ,, erzinfamen Pfaffen" genant! nrt.
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Zeitungsannoncen sonst und jezt. ,, Mädchen für Alles" suchte man vor hundertfünfzig Jaren noch nicht durch Zeitungsinserate, dagegen: Ein zwanzigiäriges Bündner Mensch, die wol kochen und nehen kann, möchte gern als eine Magd allhier dienen" so stand anno 1750 in dem Tageblatt der Stadt Zürich " zu lesen. Heute heißt es:„ Ein feingebildetes Mädchen aus angesehener Familie sucht Stellung als Stüze der Hausfrau" und das bedeutet meist soviel, daß die gesuchte Hausfrau dem ,, feingebildeten" Fräulein, das weder ,, kochen" noch nehen" tann, als Stüze dienen soll. Heuzutage inserirt wol fein Kostwirt, wie damals im nämlichen Blatte: ,, Ein gewiffer verständiger Bürger und Ehren- Mann, welcher in einem der lustigsten und schönsten Häusern unserer Stadt wohnt, anerbiethet ehrlichen jungen Herren seine kost und alle nöthige und mögliche Aufwart. Kann sie auch mit einer eigenen Stuben und Neben- Kammer versehen, und würden sie insonderheit von dessen säuber- und ordentlichen Frau Eheliebsten in gebührender Aufwart alle Satisfaction zu erwarten haben." Eine Verlustanzeige aus dem Jare 1733 in einem hamburger Blatte lautet: ,, Da gestern Morgen ein gläserner Krug mit einem silbernen Deckel mit folgenden Buchstaben im Zuge J. A. W. A. N. von Händen kommen( werden diejenige) denen es etwa möchte feil geboten werden, dienst freundlich ersuchet selbiges anzuhalten und beym Verleger dieser Zeitung zu melden: es soll die Mühe wohl vergelten werden." Von wunderbarer Naivetät zeugt folgendes Inserat der erstgenanten Zeitung: NB. Derjenige, welcher vor wenig Wochen an damaligem Sonntag, bey Nacht, den Canen oder Stod mit einem ganz silbernen Knopff verlohren, anerbietet dem Finder oder Zuruckgeber den völligen halben Theil, was ein Herr Goldschmied oder ein anderer verständiger Mann sagt, daß er währt seie williglich zu geben, mehr kan doch niemand mit Grund verlangen, darneben verspricht er noch mündlich danckbar zu seyn. Das silberne Balsam- Büchslein oder Fläschlein erwartet die arme DienstMagd, die es vor 8 Tagen gemeltem Ort verlohren, auch mit Schmerzen wieder zuruck, hoffe, der Finder werde es nicht länger im Herzen verbergen, sondern es in das Bericht- Haus bringen, desgleichen auch den Quadrant." Quadrant." Von mehr als historischem Interesse ist das nachfolgende Inserat. Es entstamt gleichfalls dem ,, Hamburger Korrespondent", und zwar einer Juninummer des Jares 1848: Protest gegen die electrischen Telegraphendrähte. Wir protestirten früher gegen die Durchführung electrischer Drähte durch unser Gebiet, weil dieselben für unser Leben und Eigenthum gefährlich und für unsere Felder schäd
in welchen jene Sache auf eine falsche entstellende Art beleuchtet wird, in welchen der Scerbent erst die Flachheit seines Verstandes zur Schau stellt und dann sich erdreistet, uns Landleute, die wir von den Gesetzen der Natur durch tägliche Anschauung einen klaren, gesunden Begriff haben, dumm und abergläubisch zu nennen, und eine Lebensfrage des Landmanns bespottet und bewißelt, so ist selbst der Ruhigste aufs Empörendste gereizt. Deshalb werden wir, unsere Rechte aufs Aeußerste wahrnehmend, nimmer zugeben, daß man electrische Drähte durch unsre Felder zieht. Cadenberg, den 15. Juni 1848 J. H. Thumann. C. Föge. P. Katt. H. Kahus als Deputirte für fünfhundert Einwohner. Nachschrift. Am 16. Juni hatten die Landleute der Umgegend von Stade eine Zusammenkunft und beschlossen einstimmig gegen den Draht- Telegraphen bei der Königl. Landdrostei einen Protest einzulegen, welchem sich die Ortschaften Campe, Agathenburg , Dollern und andere anschließen wollen." Wie jezt das Inseratenwesen beschaffen ist, ist bekant. Welche Riesensumme Geldes gegenwärtig für Reklame, Schwindel- und sonstige Annoncen aufgewant wird, mag die Tatsache zeigen, daß im Budget des londoner Blattes ,, Times" järlich 12 mill. Mark als Einname für Inserate aufgefürt sind.
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Ein kunstliebender Serenissimus. Der Goetheveteran, H. Franke, Ehrenmitglied des Hofteaters zu Weimar , erzält folgende föstliche Gelich sind. Jetzt aber, da überall gedruckte Blätter herumgeschickt sind, schichte über die Verhältnisse des Hofteaters zu Sondershausen im Jare 1826. Erzäler war mit noch einem Kollegen vom weimarer Teater auf einer Harzreise begriffen und kehrte in Sondershausen ein. Das dortige Teater wurde vom Fürsten unterhalten; das Publikum erhielt Freitarten; die Schauspieler waren gut honorirt, hatten aber einen schweren Stand, da Serenissimus oft des Mittags bestimte, daß am Abend ein ganz anderes Stück gespielt werden sollte, als auf dem Repertoire stand. So auch an dem Tage, als die beiden Gäste anwesend waren, indem an Stelle zweier Lustspiele„ Preziosa" aufgefürt werden mußte. Das Publikum ist bei der Vorstellung nach Rang und Stand plazirt, die Frauen stricken zum Teil Strümpfe und der Fürst selbst sizt in der zweiten Reihe des Parterres eine lange Pfeife schmauhend, vor ihm feine Geliebie, eine fette und sehr dekolletirte Persönlichkeit. Defters klopft ihr der Landesvater auf die nackten Schultern, entweder mit der Hand oder mit der Pfeifenspize; dabei lachen beide viel. Hat die sondershäuser Durchlaucht ihre Pfeife ausgeraucht, so bringt ein Diener eine frisch gestopfte mit brennendem Fidibus. Des andern Abends wurde es noch gemütlicher. Als nämlich in der Mitte des Stücks der Komiter X. mit mehreren die Büne betrat, unterbrach der Fürst die Handlung mit den Worten:„ Hört einmal auf, tizelt mir erst ein bischen den æ. Dieser schrie mit schrecklichen Grimassen, wärend seine Kollegen zurüdtraten:„ Ach nee, Durchlaucht, nicht fizeln, heute nicht!" Aber schon erschienen von beiden Seiten des Teaters zwei dienstbereite Geister mit Stöden und stachen und borten auf X. ein, der sich wie ein Besessener gerirte, freischte, lachte, sich auf den Boden waif, um Hilfe schrie, und sich wie einer benam, der zu Tode gekizelt wird. Der Fürst lachte unbändig mit, desgleichen das Publikum, bis ersterer ein Zeichen gab, daß die Vorstellung ihren Fortgang zu nemen habe. Wie man unseren Erzäler mitteilte, sollen derartige Szenen sich im Tempel Thalias zu Sondershausen öfters wiederholt haben und der Komiker, der sehr kiz lich war, aber übertrieb um den Fürsten zu amüsiren, soll sich dabei petuniar sehr gut gestanden haben. Daß dies aber möglich war, nach dem Lessing und Schiller gelebt und Goethe noch als Lebender seinen Einfluß geltend machte, ist fein sehr günstiges Zeugnis für die deutsche Kultur damaliger Zeit. - Interessant ist deshalb auch die Mitteilung, daß, als die beiden Gäste aufgefordert wurden, in einigen Gastrollen unter sehr günstigen Bedingungen aufzutreten und sie, die keine Lust bazu hatten, geltend machten, daß sie dazu erst die Erlaubnis ihrer Intendanz zu Weimar haben müßten, von dort vermittelst Estafette des Fürſten die Antwort eintraf: Bei Strafe sofortiger Entlassung ist das Gastspiel verboten." Db die Nachricht in der Form gegeben wurde, weil die beiden Schauspieler bereits in ihrem Gesuch hatten " zwischen den Zeilen" durchblicken lassen, daß ihnen an dem Gastspiel nichts gelegen sei oder ob man am weimarer Teater bereits die Maximen des ,, kunstliebenden Sereniffimus" fante, ist nicht mitgeteilt.
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Dämme als Ursachen vernichtender Ueberschwemmungen. Unsere Leser erinnern sich der auch in unserm Blatte ausfürlich beschriebenen Vernichtung der ungarischen Stadt Szegedin durch Ueberschwemmung der Theiß im Frühjar 1879. Durch wissenschaftliche Untersuchungen ist nunmehr festgestellt, daß nicht etwa die Eindämmung der Theiß zu niedrig, sondern daß diese zu hoch war, ja, daß die Städte der Theißniederungen überhaupt nichts zu befürchten gehabt hätten von Ueberschwemmungen, wenn in der neuesten Zeit die Theißregulirung nicht gewesen und durch sie überhaupt keine Dämme geschaffen worden wären. gibt es nach einem Artikel in der Gäa"( 1881, Heft 7) nämlich drei: 1) Schneeschmelze und Regen im unmittelbaren Flußgebiet; 2) Hochwässer der Nebenflüsse Szamos, Maros und des Savegebiets; 3) Regen und Schneeschmelze im ganzen obern Inn -, Donau - und Savegebiete. Die anschwellende Donau wird nämlich durch die Felsengen des stazan gestaut und dadurch auch eine Stauung der Wassermassen der Theiß herbeigefürt. Solange nun die Theiß durch Eindämmung nicht verhindert wurde, in die weiten Moräfte und Sümpfe an ihren Ufern überzutreten, hatten die Bewoner der geschützt liegenden Ortschaften nichts zu fürchten und die überschwemten Landstrecken waren als Weidetriften und Heumagazine trefflich zu gebrauchen. Nun kam die unverſtändige Regulirung, welche das vorzügliche Weideland in zweifelhaftes Ackerland verwandelte und die Hochwässer sorgfältig zusammen
Der Ursachen für die Theißüberschwemmung
hielt, sodaß sie in den Fällen, in welchen das Hochwasser der Donau auf dieselbe Zeit traf als das der Theiß , unfehlbar die Dämme brechen oder, wären sie auch noch so hoch, endlich doch überfluten und un