den Kezer, den Gottesleugner, den Gelobt sei Jesus Christus Sie, hören Sie's, he?"
he
-
-
Herr Specht war kirschbraun vor Wut im Gesicht. Er hätte sich am liebsten auf die Dirnen und die Kinder gestürzt und sie mit seinen Fäusten zu Boden geschlagen. Aber ehe er sich noch recht erhoben hatte, war schon der eine Insasse des Wagens, welcher die unschuldige Ursache seines Falles gewesen, zu ihm gesprungen, hatte ihm sorglich unter die Arme gegriffen und ihn sanft, aber fest auf die Füße gestellt.
" So," sagte der Herr dann, so wäre hoffentlich wenigstens fein ernstliches Unglück geschehen, wie es scheint. Uebrigens bedaure ich sehr, mein Herr, daß die Ungeschicklichkeit meines Kutschers zu Ihrem Unfall Anlaß gegeben hat. Sie fülen sich doch hoffentlich auch gar nicht beschädigt."
Herr Specht sah dem hilfebereiten Frager nichts weniger als freundlich in's Gesicht.
,, Danke, Herr bis auf den Schirm scheint nichts entzwei und bis auf meinen Hut nichts zum Teufel zu sein."
,, Er ruft den Gottseibeiuns an!" schrie kreuzeschlagend die inzwischen schon in hellen Haufen zusammengelaufene Dorfjugend. Und: Heilige Mutter Gottes, ist das ein Kezer!" fügte ein altes Weib hinzu, das in der Nähe etwas zu schaffen gehabt hatte.
,, Schweigt doch still, ihr Kinder, und Ihr, Frau, solltet Euch schämen!" rief der Herr verweisend in das Gelärme, und sich zu Herrn Specht wendend sagte er:„ Wenn Ihnen der Fall Verluste gebracht hat, so bin ich zum vollen Ersaze derselben bereit. Ich heiße Franz Stein, mein Herr, und bin sowol hier, als in der Residenz als der bisherige Besizer von Seifersdorf jederzeit zu erfragen." Franz Stein-- ab so richtig, Sie sind der Herr Stein," brumte Herr Specht . Na, und mein Name ist Specht Bauunternehmer Specht, und ich bin auch in der Residenz jederzeit zu erfragen. Für Ihre Hilfe danke ich, Herr Stein, aber Ersaz brauche ich, Gott sei Dant, nicht."
-
-
Jezt spricht der gar vom lieben Gott!" schrie die liebe Dorfjugend, die sich bei Nennung des Namens Stein schen so weit zurückgezogen hatte, als es ihre unbändige Neugier erlaubte, wiederum sich bekreuzigend.
Franz Stein machte jezt eine ernstlich drohende Bewegung, die sofort die Ruhe wieder herstellte.
Dann bot er Herrn Specht, bei dessen Namensnennung ein rasches Lächeln über sein Gesicht geglitten war, seine Seifersdorfer Wohnung an, damit er sich reinigen und, wenn er wolle, ausruhen und stärken könne. Aber Herr Specht lehnte nicht gerade höflich ab, hier wäre ja das Gasthaus, da würde er das nötige schon besorgen. Dann humpelte er mit einem kurzen Gruße, barhäuptig wie er nun einmal war, auf den Torweg des„ heiligen Petrus " zu, wo ihn der Wirt gravitätisch empfing. Inzwischen war Franz Stein schon mit einem leisen Zuge von Geringschäzung um die Lippen in seinen Wagen gesprungen und davon gefaren.
Die Betrachtungen, welche Herr Specht bei dem Genusse zweier folossaler Beefsteaks mit Ei und Bratkartoffeln und einer Flasche Rheinwein machte, waren begreiflicherweise anfangs nicht die erfreulichsten. Im Gegenteil: er hätte die ganze Welt umbringen können; sehr merkwürdig war nur das eine: der Mensch, auf dem sich sein ganzer ungeheurer Born wie in einem Brennpunkte sammelte, war Franz Stein.
-
-
58
In einem Nebenzimmer des Restaurants Lüdecke in der Haupt- und Residenzstadt B. saßen drei junge Leute bei einem Glase Bier plaudernd beisammen.
Das Zimmer war dekorirt mit allerlei Wappen und bunten Fänchen, an der einen Wand präsentirte sich ein großes photographisches Gruppenbild und an der andern symetrisch verteilt erglänzten gefreuzte Schläger und frumme Säbel im Scheine der zwei Gasflammen, welche das mittelgroße Gemach erhellten.
Wir befinden uns also offenbar in der Kneipe einer akademischen Verbindung und haben, wie die in ihrer Kouleur" mit der Farbenzusammenstellung der Fänchen übereinstimmenden Cerevisfappen und Bänder auf Haupt und Brust der drei jungen Leute verraten, studentische Mitglieder dieser Verbindung vor uns.
Das Gespräch der Drei scheint ein sehr ernstes zu sein. Wenigstens zeigen die jugendlichen Gesichter das Gepräge ernsthaften Ueberlegens und die Stimmen erklingen, bei allem, was sie vorbringen, ungemein gewichtig und wichtig.
" Ich sage dir, Thor, es wäre aber doch besser und unsren Zwecken angemessen gewesen, wenn wir zum mindesten in dieser Beziehung auf dem Boden der Landsmannschaften stehen geblieben wären und das Keuschheitsprinzip angenommen hätten."
„ Das verstehst du nicht, mein Junge," antwortete der mit Thor Angeredete, ein kräftiger Jüngling, dessen stattliche Figur, samt dem klugen, feingeschnittenen, von dunkelbraunen Locken umramten Gesicht und den blizenden Augen ihm bei allen Mädchen die Prädikate schön", oder gar„ prachtvoll," reizend" einzutragen pflegten. Wir konten und durften das nicht tun, und zwar aus drei Gründen, von denen jeder einzelne vollkommen ausgereicht hätte, uns an solcher Torheit zu verhindern."
"
"
" 1
" Ich habe deine große Rede nicht gehört, Thor, mit der du das Keuschheitsprinzip zu Falle brachtest," erwiderte der erste Sprecher in einem Tone, welcher deutlich den Respekt erkennen ließ, den er dem andern entgegenbrachte. Unfre Leute sagten alle, daß sie geradezu überwältigend gewesen sei und daß keiner mehr ein Wort dagegen eingewendet hätte. Was du aber eigentlich für Gründe entwickelt hast, wußte mir keiner im Zusammenhang und verständlich genug auseinanderzusezen. Ich möchte dich also bitten
-
"
Er wurde unterbrochen-- die Tür öffnete sich, ein hübscher Mädchenkopf erschien in derselben und sah nach den Studenten. " Ah- die Resi kann nicht begreifen, daß wir heute eine volle halbe Stunde bei unserm ersten Seidel sizen, nicht wahr, Resi?" sagte der Dritte, welcher bisher schweigend seinen Kommilitonen zugehört hatte."
Die Kellnerin lachte.
„ Das ist aber auch ein Meerwunder, Herr Haßler. Ihnen freilich würde ich es noch am ehesten zugetraut haben, Sie sind noch Fuchs und sparen Ihren Durst für den Kneipabend auf. Daß aber der Herr von Frank und auch der Herr Becker eine halbe Stunde zu einem Schoppen brauchen das ging über meine Begriffe. Ich hab' wirklich gedacht heut beim erstenmal einheizen in diesem Zimmer hätte die Johanna die Ofenklappe aufzumachen vergessen und die Herren wären gerade dabei, im Kolendunste zu ersticken."
-
-
Thor, oder wie er mit seinem Profannamen hieß, Guido von Frant, lächelte und Wilhelm Haßler lachte. Der Dritte, der Teologe Becker, machte ein verlegtes Gesicht.
" Ich muß sehr bitten, Fräulein Resi," sagte er verweisend, ich trinke stets je nach meinem Durst."
Er kam mit seinem Verweis bei der munteren Resi übel an. Sie erwiderte mit schelmischem Ernste:
Dieser Kerl, sagte er sich, ist am ganzen Unheil schuld. Seinetwegen bin ich auf den Einfall gekommen, in dieses Nest zu gehen, seinetwegen habe ich geschlagene fünf Taler für die nichtswürdige Kutschirerei bezalt, seinetwegen bin ich gestürzt und wäre beinahe um Leib und Leben gekommen, und was das allerschlimste was das allerschlimste ister und niemand anders ist schuld, daß ich das Geschäft mit dem Weidenbauer nicht machen konte. Der Kerl ist eben viel schlauer, als der Narr von Haßler behauptet, und auch noch gescheiter als ich mir gedacht habe er hat eben einfach schon ein für den Weidenbauer wahrscheinlich sehr einträgliches Abkommen mit diesem getroffen oder hat ihm gar einen Teil ,, Si seines Gutes abgekauft. So bin ich um das schöne Geschäft und in die Tinte hineingekommen, in der mich heute das ganze miserable Dorf gesehen und verhönt hat. Der Teufel soll diesen Grünschnabel von Stein holen na, warte, ich will schon zusehen, daß ich mich mal gründlich dafür revanchiren kann! Das war eine tröstliche Hoffnung.
-
-
Herr Specht bestellte sich noch eine Flasche Rhemwein und spülte mit ihr mehr und mehr von seiner Erbitterung in's Meer der Vergessenheit.
-
Da tun Sie Sich aber doch unrecht, lieber Herr Beckersoviel als Sie Durst haben, trinken Sie doch nicht höchstens bei Kommersen, wo Sie, um die Bräuche der Verbindung zu retten, es nicht gut unter fünfundzwanzig Schoppen tun können." " Da hast du's, Schleiermacher ," sagte Thor immer noch lächelnd. tacuisses"*) ,, Si tacuisses"*) da wärest du in den Augen unsres Fuchses, der noch seinen Kommers nicht gemacht, ein gerechter Gottesmann geblieben."
-
Hinter der Resi erschienen jezt in der Tür noch zwei Studenten, die nach dem zu jeder Tageszeit üblichen Gruß:" Morgen," der etwa wie Mo- rn erklang, an der langen Kneiptafel plaz namen. „ Also wie viel Glas Bier?" fragte die Resi.
Frank und Haßler leerten ihre Gläser und bestellten sich ihre zweiten. Der Teologe Becker warnte:
*) Wenn Du geschwiegen hättest!