" Ihr vergeßt wol, daß am lezten wissenschaftlichen Abende be­schlossen worden ist, feiner dürfe fernerhin wärend dieses Abends mehr als drei Schoppen trinken.

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Daß Ihr meine Abwesenheit benuzt habt, solche Narrheit zu beschließen, weiß ich," versezte Thor. Der wissenschafltiche Abend begint aber nicht schon in dem Momente, du gottesfürchtiger Tugendspiegel, du, in welchem du deine Leichenbittermiene auf­steckst. Ich trinke also jezt vor dem wissenschaftlichen Abend soviel ich Lust habe, sonst würde mein heutiger Tendenzvortrag am Ende so trocken ausfallen, wie dereinst ganz sicherlich deine Predigten." Die übrigen Studenten, mit Ausname Beckers, den der Kneip­name Schleiermacher zierte, waren mit Thor einverstanden, dieser aber suchte in längerer Rede nachzuweisen, daß solche Auslegung des Temperenzbeschlusses, wie er die Dreiseidelbestimmung nante, ganz dessen sittlich gerechtem Geiste zuwider sei. Die andern fümmerten sich aber nicht um ihn, suchten vielmehr durch möglichst rasches Trinken die kurze Zeit, welche sie noch vor der Eröff nung des wissenschaftlichen Abends voraus hatten, nach Kräften auszunüzen.

Inzwischen hatte sich auch das Lokal gefüllt. Ungefär zwanzig Studenten hatten um den langen Tisch herum plazgenommen und allerlei laute, zum Teil auch launige Gespräche begonnen, deren Gegenstand oder Teilnehmerin vielfach die flott ab- und zugehende Resi war.

Mitten in den lustigen Trubel hinein ertönte plözlich eine Glocke. Schleiermacher  , der Teolog, hatte sich erhoben und rief nun so laut er vermochte:

Silentium! Der wissenschaftliche Abend ist eröffnet!" Diese Mitteilung des für diesen Abend am Schluß der vorigen Sizung erwälten Vorsizenden oder Sprechers wurde nicht gerade mit Begeisterung aufgenommen. Aus mehr als einem Wunde ertönte ein schwerer Seufzer oder ein kräftiger Fluch mehrere jammerten in fomisch- fläglichem Tone, daß sie sich gerade noch einen Vorschoppen" hätten bestellen wollen, und daß sie nun auch durch die Ueberrumplung seitens des malitiösen Schleiermacher gezwungen würden, statt mit einem Ganzen nur mit einem schä­bigen Nest den rigorosen Dreiseidelkomment des wissenschaftlichen Abends zu beginnen.

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Zum zweiten und drittenmale erschallte das Gebot: Silentium aus dem Munde des Teologen. Beim drittenmal wurde es still im Kreisewer jezt nicht schwieg, fonte vom Sprecher mit einer ziemlich empfindlichen Geldstrafe, die an die Bibliotekkasse zu entrichten war, heimgesucht werden. Besonders hart wurde von dem sittlich- ernsten" Schleiermacher   das Fluchen bestraft, dagegen war er nicht berechtigt, Seufzen strafrechtlich zu verfolgen. Wer die körperlich ferngesunde Gesellschaft nicht gesehen, sondern nur gehört hätte, würde in der Tat versucht gewesen sein, zu glauben, daß er in eine Lazaretstation für Schwerverwundete geraten sei, solch ein Seufzen und Stönen stieg durch die dicken Rauch­wolfen, welche sich über die akademische Gesellschaft gelagert hatten,

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zur gewölbten Zimmerdecke empor, wärend Schleiermacher   seine teologische Eröffnungsrede hielt. Er schloß mit den mahnenden Worten: Nun hoffe ich, daß der Ernst, welcher uns diesen wissen­schaftlichen Abend einzusezen veranlaßte, allgemach auch sich in der Haltung aller anwesenden Bundesbrüder für die Dauer un­seres heutigen Beisammenseins bemächtigen wird und erteile das Wort zu dem ersten Tendenzvortrage in diesem durch eine tief­greifende Reform unserer Verbindung eingeweihten Semester un­jerm lieben Bundesbruder Thor!"

Durch die Reihen der Studenten ging ein Gemurmel des Beifalls. Thor  , der wegen seiner Beredsamkeit, insbesondere wegen seines prachtvollen Stimmorgans den Namen des altnordischen  Donnergottes erhalten hatte, stand auf, stellte mit einer fräftigen Armbewegung seinen Stul vor sich hin, so daß er sich mit den Ellenbogen auf dessen hohe Lehne stüzen konte und hob zu reden an.

In der Einleitung faßte er die Gründe zusammen, welche die Reform der Verbindung, die ursprünglich nur gemütlich- gesellige Zwecke gehabt, hervorgerufen hätten. Es habe sich die Suevia, so hieß die Verbindung, mit den ältesten ihrer alten Herren, soweit sie noch am Leben seien, in Verbindung gesezt und sei zu der Ueberzeugung gelangt, daß ihre Gründer vor mehr als dreißig Jaren von den ernstesten Zielen, nicht nur wissenschaftlichen, sondern sogar politischen, geleitet worden seien. Die politische Reaktion habe zu verschiedenen Zeiten der Ver­einigung das Leben schwer gemacht und sei schließlich in den fünfziger Jaren gezwungen, ihren ursprünglichen Namen und Karakter, den der Burschenschaft   Germania, vor der Deffentlich­keit abzulegen. Aber in der von den alten Germanen als Fort­sezung ihrer Burschenschaft gegründeten Suevia habe noch lange Zeit der alte Geist unter der Asche politischer und wissenschaftlicher Indifferenz fortgeglüt, bis jüngere Studentengenerationen all­mälich die Fülung mit den ehemaligen Germanen verloren hätten, um sich in dem nichtigen Treiben der Mensurschlägereien und des burschikosen Randalirens und Kommersirens ganz zu ver­lieren. Er, der Redner, sei gewiß keiner von den Studenten, welche die Traditionen des urfidelen, leichtlebigen, aller Philistro­sität feindlichen deutschen Studententums mißachteten und opfern wollten, er sei nicht Simpel und Pedant genug, um nicht ein­zusehen, daß Jugendkraft und Lebensfreude allein jene hohe Spannkraft des Geistes erzeuge und erhalte, welche aller Unbill des Lebens gewachsen und überlegen sei, er sei aber auch nicht oberflächlich und beschränkt genug angelegt, um Jugendlust und Lebensgenuß als einzigen oder Hauptzweck des Lebens aufzufassen und zu verfolgen. Sie seien ihm, und meist allen wahren Vernunftmenschen nur Mittel zum Zwecke, und dieser selbst sei ihm: mit allen Kräften des Leibes und der Seele teilzunehmen, oder sich zu solcher Teilnahme vorzubereiten, zur Teilnahme an der großen Kulturbewegung der Menschheit.

( Fortsezung folgt.)

Die Zweckmäßigkeit in der Sternenwelt.

Von P. Köhler.

Es blieb somit für die Neuzeit noch viel zu tun übrig und erst diese hat sich das unvergängliche Verdienst erworben, den scharfen Nachweis gefürt zu haben, daß die Zweckmäßigkeit und Harmonie in der großen Weltuhr, soweit man davon über haupt sprechen kann, das schließliche Ergebnis unausgesezter Ent­widlung und Veränderung und die notwendige Folge eines völlig blinden Waltens der Naturkräfte und der Bewegung der geballten oder verteilten Materie ist, ja daß jeder, selbst der chaotische Zustand derselben endlich in gewissem Grade zur Ordnung und zum Frieden füren müsse.

Allerdings sind nun, wie aus einer früheren Andeutung schon hervorgeht, die Bedingungen der Zweckmäßigkeit im Makrokosmos nicht so mannichfach und so subtiler Natur, als diejenigen der Tier- und Pflanzenwelt. Vielmehr verstehen wir unter der kos­mischen Zweckmäßigkeit einen Zustand, bei dem für die Weltförper weder aus der Richtung ihrer Spezialbewegungen selbst, noch aus den gegenseitigen Störungen in der Bewegung Zusammen­stöße resultiren, also der gesonderte Bestand derselben gesichert erscheint.

( 1. Fortsezung.)

Die Alten vor Kopernikus   und Galilei   hielten bekanntlich die Erde für den Hauptgegenstand, den eigentlichen Grund und Boden der Welt und als feststehend, wärend sie den Himmel als Holkugel tägliche Drehbewegungen um die Erde ausfüren ließen. Die große Mehrzal der Sterne, an denen man eine Veränderung ihrer Stellung nicht warnahm, glaubte man an jener Holkugel festgeklebt und nante sie deshalb Fixsterne, welche Bezeichnung noch heute gilt. Gestirne, welche außer jener täglichen Rotation noch eine besondere Bewegung zeig'en, hießen Wandelsterne oder Planeten und so wurden auch Sonne und Mond zu den Planeten gezält. Seit der ewig denkwürdigen Tat des Kopernikus jah   die Menschheit nach und nach den waren Sachverhalt ein, betrachtete indes noch immer die Fixsterne, sowie die Sonne, welche nunmehr zum Fixstern avancirte, als unbeweglich, bis sich seit vorigem Jarhundert in Folge genauester Beobachtungen allmälich die Erkentnis Bahn brach, daß auch die ganze Fixsternwelt in allerlei Bewegungen begriffen ist.

Wir müssen auf Grund der astronomischen Beobachtungen und an der Hand der mit matematischer Unfehlbarkeit zutreffenden