wie die angenommenen, doch niemals hervorgehen; denn wenn auch die spätere Verfassung mit der ursprünglichen samt ihren zalreichen Zusammenstößen und Störungen nicht mehr zu ver­gleichen wäre, so erfordert der Begriff vollkommenster Ordnung doch ganz andere Bedingungen. Obschon größere Katastrophen im Laufe der Zeiten immer seltener vorkommen müßten, so wäre doch niemals die Möglichkeit solcher Ereignisse ganz aufzu­

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heben und weil wir a priori annehmen müssen, daß in den un­ermeßlichen Zeiten, die dem Weltall zu seiner Entwickelung zur Verfügung stehen, die Möglichkeit von Zusammenstößen auch immer wieder in Wirklichkeit zu solchen füren muß, so erledigt sich der zweite Teil der Frage dahin, daß der Zustand der Un­ordnung im Grunde genommen von ewiger Dauer sein würde. ( Schluß folgt.)

III.

Edinburg.

Dritter Reisebrif aus Schottland   von L. Biereck.

Zur Geschichte der Stadt. Holyrood und Maria Stuart  . John Knox   und der Puritanismus. Die Prinzenstraße. Monumente be­rühmter Schotten. Canongate und Graßmarket. Straßenleben der Altstadt. Neu- Parthenon  . Jenny Geddes und ihre Fußbank. Fernsicht vom Mound.

Edinburg   gilt allgemein für eine der schönsten Städte der Welt. Diesen Ruf würde es schon dann rechtfertigen, wenn man das allermerkwürdigste, nämlich seine amphiteatralische Lage am Meere außer Betracht ließe, und nur auf seine innere Bauart Bezug nähme. Zwischen dem schon erwänten Arthurs- Size", dem einem schlafenden Löwen gleichenden Höhenzuge, etwa eine deutsche Meile vom Firth of Forth   entfernt, und dem lezteren dacht sich in den mannigfachsten Gestaltungen ein Hügelplateau zum Meere ab und auf diesem ist das alte Edwinsburg" an­gelegt. Von den beiden Haupthügeln, die dem Ankommenden von der Wasserseite zuerst in die Augen springen, blieb der öst­lichere Calton Hill zunächst unbebaut, wärend schon im 7. Jar hundert unserer Zeitrechnung der westlichere, der sogenante Schloß­berg von dem angelsächsischen König Edwin von Northumberland zur Etablirung einer starkbefestigten Militärkolonie verwertet wurde. Die mannigfachsten Schicksale hatte die sich später ent­wickelnde rein schottische Stadt durchzumachen, bis sie in der Mitte des 15. Jarhunderts, nach der Ermordung des schottischen Königs Jakob I.  , als Hauptstadt an die Stelle von Perth   trat. Die Bürger Edinburgs verfehlten nicht, ihrem Königshause diese Residenzverlegung in dankbarster Erinnerung zu behalten und diesem in seinen Konflikten mit dem Landsadel kräftigst beizu­stehen. Jakob II.   revanchirte sich bei einer solchen Gelegenheit, indem er den vereinigten Züuften ein von der Königin gesticktes großes blaues Banner stiftete, das später das ständige Kampf­objekt und den Siegespreis bei den internen Bürgerzwisten bildete und noch heutigen Tages vorhanden ist. 1544 litt die Stadt ungeheueren Schaden durch die englische Belagerung und darauf folgende Okfupation unter dem Earl of Hertford. Dieses Ereignis bildete aber nur den Anfang einer langen Reihe von Kämpfen und Kriegen, die an die Reformation anknüpfend, sich bis zur Beendigung der englischen Revolutionsepoche des 17. Jarhunderts mit furzen Unterbrechungen fortsezten. Dies der Grund, warum in einer so alten Stadt wie Edinburg   ältere Bauwerke absolut nicht zu finden sind die Stadt ging so und so oft in Flammen auf. Das älteste Gebäude, was jezt noch existirt, ist das Schloß Holyrood  , das der Vater von Maria Stuart  , König Jakob V.  , erbaut haben soll. Es ist dadurch interessant, daß seine durch die Dichtung so popularisirte Tochter hier mit Vorliebe residirte und auch ihren geliebten Sänger Rizzio   ermorden sehen mußte. Die Zimmer sind noch fast ganz unverändert, so wie sie von Maria Stuart   benuzt wurden. Ich vermißte nicht einmal den Blutfleck an der Stelle, wo Rizzio ums Leben gekommen sein soll, eine Sehenswürdigkeit", welche die Parallele zu den Dinten flecken im bekanten Lutherzimmer der Wartburg   bildet. In der Nationalgallerie am sogenanten Mound findet man übrigens von einem schottischen Künstler eine sehr sprechende Darstellung der Rizzioszene, wie auch sonst mehrere auf die unglückliche Königin bezügliche Gemälde. Ich habe schon wärend meiner Schulzeit das bekante ,, Adieu de Marie Stuart" zwar stets seiner herlichen Diftion und des Wolklangs seiner Verje wegen bewundert, aber nie recht begriffen, warum es der Schottin Maria so schwer ge­worden sein sollte, ihr Hofleben in Frankreich   mit einem Königs­tron in ihrem Vaterlande zu vertauschen. Jezt begreife ich das Gedicht, nachdem ich Schottland   gesehen und dies

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charmant pays de France que je dois tant chérir!

Frankreich   ist das Land des Sonnenscheins, des Geschmacks, der Geselligkeit und der Freude, lachende Fluren und saftiges Grün erfreuen den Wanderer, gastlich kredenzt man ihm den Wein und es dauert nie lange, bis man sich heimisch fühlt bei unsern trog ihrer nationalen Schwächen so unendlich liebenswürdigen Nach­barn jenseits des Rheins. Wie anders in dem öden Caledonien! Der ewig graue Himmel und die melancholische Färbung der kahlen Felsen, sie harmoniren nur zu sehr mit dem finstern Geiste des Puritanismus, der seit drei Jarhunderten wie eine ware Landplage von hier aus über Großbritannien   hereingebrochen ist, dann aber sich über den Ozean fortgepflanzt hat und in ganz Nordamerika   wie eine schwarze Wetterwolfe über dem Lande hängt, ewig drohend, durch seine unheilschwangeren Niederschläge den gesunden Volksgeist zu vergiften und dem Volke sein Glück und seine Freude zu rauben. Man hat in der Geschichte scharf Musterung gehalten und die Despoten stigmatisirt, die Hekatomben von Menschenleben ihrer Ruhmsucht schlachteten, man hat das Elend registrirt, das ein einziger frischer, frölicher Krieg" für Hunderttausende von Individuen und ganze Familiengruppen zur Folge hat wer ist der Geschichtsschreiber, der das namenlose Unheil verkündet, das ein John Knox   in der Welt angerichtet? Wenn England die Schande trifft, das Heuchelland" geheißen zu werden, wenn seine Sabbatfeier das Volksleben bis ins Mark zerstört, wenn es so weit gekommen ist, daß fast alle Völker der Erdenrunde in einem instinktiven Hasse sich begegnen gegen die als Missionäre einwandernden und dann als Opiumhändler und unbarmherzige Ausbeuter sich entpuppenden Briten zum größten Teil verschuldeten es die puritanischen Lehren und ihr großer Prophet, John Knox  . Ich möchte dem Leser nicht gleich die Freude an dem Lande verderben, in dem er mit mir sozusagen eben erst gelandet ist. Ich will daher erst durch Stadt und Land mit ihm streifen, das Interessante beleuchten und die lobenswerten Tatsachen, von denen ich Kunde erhalten, gewissenhaft aufzeichnen. Sprechen müssen werde ich aber von der Art Sabbatfeier", die in Schottland   ihren Ursprung hat und bei welcher das Miß­behagen des Fremden, der grade in diesem ungaftlichen Lande weilt, wirklich ein Nichts ist gegenüber den schon angedeuteten geradezu erschrecklichen sozialetischen Momenten.

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Die Hauptstraße Edinburgs ist die Prinzenstraße, die vom Calton Hill im Osten, an dem Schloßberge vorbei bis ins fahsionable Westend fürt. Ich habe viele schöne Städte gesehen und von andern gelesen, ich glaube nicht, daß sich viele Straßen in der Welt mit dieser vergleichen können. Man denke sich einen ansehnlichen Höhenzug, der mit einem Schloß und einer Reihe großartiger Bauwerke besezt ist, schroff abfallend in eine große romantische Schlucht, die von Brücken, Spazierwegen und sehr geschmackvollen Anlagen mit Springbrunnen, Monumenten und Orchesterhallen in einem überraschend hübschen Ensemble ausgefüllt ist, so hat man die Südseite von Princes Street. Die Nordseite bildet ein tadellos aufgeworfener sehr breiter Straßen damn, der von einer Reihe Prachtbauten, meist großen Hotels, flankirt wird. Wärend oben in der Straße mehrere Pferdebahn linien fursiren, münden unten in der Schlucht beide Eisenbahnen, die Edinburg   mit der Welt verbinden, die North British und die Caledonien Railway. Natürlich bedingt diese Lage einen riesigen sogar in Edinburg   vorkomt!- die zallosen Spaziergänger Verkehr in der Hauptstraße, zu dem bei schönem Wetter kommen, die sich unten in den Anlagen ergehen. Besonders start ist die Cirkulation natürlicher Weise dann, wenn die Musikbande

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