darf sie den ganz ihr eigen nennen, dessen Besiz ihr so teuer; sie hat in seinen Armen höchste Seligkeit genossen, aus der sie durch den den nahenden Tag verkündeten Lerchenschlag gestört worden. Noch zeigen uns die Enden einer Strickleiter auf dem Balkon den Weg, auf dem ihr Romeo ihr ihm feindlich gesintes Haus verlassen mußte, um in die Verbannung zu gehen, die ihm vom Fürsten   auferlegt wurde. Und von derselben Stelle aus, wo sie zum erstenmale ihre Liebe gestanden, hat sie ihm noch nachgerufen:

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,, Gott  , ich hab ein unglück- ahnend Herz. Mich dünkt, ich säh' dich, da du unten bist, Als lägst du tot in eines Grabes Tiefe;" one im Ernst daran denken zu wollen, daß sich diese Ahnung bestätigen und daß sie den Heißgeliebten nur als Toten wiedersehen würde. Dies namenlose Glück, vermischt mit dem von der Trennung und von der dunkeln ungewissen Ahnung hervorgerufenen Weh, prägt in dem Ge­sicht des lieblichen Mädchens aber eine Stimmung aus, die uns die Macht und die Großartigkeit der sie beherschenden Gefüle erkennen läßt und uns immer und immer wieder zu ihr hinziet. Goethe   schrieb einst über Shakespeares Dramen: ,, Alles, was bei einer Weltbegeben­heit heimlich durch die Lüfte säuselt, was in Momenten ungeheurer Ereignisse sich in dem Herzen der Menschen verbirgt, wird ausge­sprochen; was ein Gemüt ängstlich verschließt und versteckt, wird hier frei und flüchtig an den Tag gefördert, wir erfaren die Warheit des Lebens und wissen nicht wie. Shakespeare   gesellt sich zum Weltgeist; er durchdringt die Welt wie jener; beiden ist nichts verborgen. Aber wenn des Weltgeists Geschäft ist, Geheimnisse vor, ja oft nach der Tat zu bewaren, so ist es der Sinn des Dichters, das Geheimnis zu ver­schwäzen und uns vor oder doch gewiß in der Tat zu Vertrauten zu machen". Goethe hat wol damit den englischen Dichter am treffendsten karat terisirt. Denn klarer wie Shakespeare   dürfte keiner und zwar weder vor noch nach ihm bis in die tiefsten, verborgensten Falten des menschlichen Herzens geblickt haben, besser wie er kante wol feiner die menschlichen Schwächen, Stärken und Leidenschaften mit allen ihren Folgen. Weil er aber das Wesen des Menschen, oder sagen wir lieber der Menschheit, so klar er­fant und mit der Meisterschaft des Genies in seinen Gestalten verkörpert hat, darum sind uns auch diese, welche vor fast zweihundert Jaren das Licht der Welt erblickten, so bekant geworden und werden das In­teresse der Menschen, werden Sympatien und Antipatien erwecken, so­lange es überhaupt Menschen gibt.

Nirgends tritt aber diese Lebenswarheit mehr zutage wie in Romeo und Julia   und es ist deshalb nur zu erklärlich, wenn man den Dichter wegen dieses Stückes den Vertreter aller Liebesdichtung" genant hat, obgleich unsere Klassiker in diesem Genre ebenbürtiges geschaffen haben. Was aber den Karakter der beiden Helden des shakespearschen Dramas, namentlich aber den der Julia, anlangt, so zeichnet sich dieser durch eine Einfachheit und Natürlichkeit aus, die leider von unseren neueren Dichtern höchst selten dargestellt werden. Ebenso einfach, schlicht und war ist auch beider Liebe zu einander. Julia ist jung und hat zum Vorteil ihrer geistigen Gesundheit ebensowenig eine unserer zeitgenössi­schen Romanliteratur änliche Lektüre kennen gelernt, als sie in einem modernen Mädchenpensionat erzogen worden ist; denn wäre dies der Fall und hätte sie wie so viele ihrer Schwestern von heute ihre Bildung daraus gesogen resp. dort empfangen, so dürfte es uns nicht Wunder nemen, wenn sie von ihrem Angebeteten erwartete, daß er bei seinem Liebeswerben das Komplimentirbuch der Liebe, wie es die Konvenienz der bessern Gesellschaft" vorschreibt, fein säuberlich austramte, und würde es erst recht für einen groben Verstoß gegen alle gute Sitte und die weibliche Würde halten, wenn sie wie Julia das Geständnis ihrer Liebe selbst machen sollte. Die Liebe unserer Heldin ist jedoch zu ge­sund und zu war, als daß die leztere auch nur einen Moment daran denken fönte, auf irgend etwas anderes Rücksicht zu nehmen als auf ihre Liebe selbst. Dafür zeugt schon die Stelle in ihrem Monolog: ,, Dein Nam' ist nur mein Feind, du bliebst du selbst, Und wär'st du auch kein Montague.

womit sie sich über die vorher ausgesprochenen Klagen, daß Romeo der Sohn des Todfeindes ihres Vaters sei, zu trösten sucht. Ein herliches Zeugnis für die Reinheit und Aechtheit ihrer Liebe sind aber die ge­radezu rürenden Worte, welche sie dem Geliebten als Entschuldigung für das harmlose Ausplaudern ihres Geheimnisses zuruft:

Du weißt, die Nacht verschleiert mein Gesicht, Sonst färbte Mädchenröte meine Wangen Um das, was du vorhin mich sagen hörtest. Gern hielt ich streng auf Sitte, möchte gern Berläugnen, was ich sprach: doch weg mit Förmlichkeit! Sag', liebst du mich? Ich weiß, du wirst's bejah'n, Und will dem Worte traun; doch wenn du schwörst, So kanst du treulos werden; wie sie sagen, Lacht Jupiter des Meineids der Verliebten.

holder Romeo! wenn du mich liebst: Sag's one Falsch! doch dächtest du, ich sei Zu schnell besiegt, so will ich finster blicken, Will widerspenstig sein und Nein dir sagen, So du denn werben willst: sonst nicht um alles. Gewiß mein Montague, ich bin zu herzlich; Du töntest denken, ich sei leichten Sinnes. Doch glaube, Mann, ich werde treuer sein, Als sie, die fremd zu tun geschickter sind.

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Auch ich, bekenn' ich, hätte fremd getan, Wär' ich von dir, eh' ich's gewarte, nicht Belauscht in Liebesklagen. Drum vergib! Schilt diese Hingebung nicht Flatterliebe, Die so die stille Nacht verraten hat."

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Diese Worte, so einfach und schlicht, können nur aus einem unschulds­vollen Herzen kommen, kenzeichnen aber auch die wirkliche Liebe so schön, wie es jedenfalls niemals übertroffen werden kann. Dazu diese Sicherheit und Unsicherheit, welche sich zugleich in den Worten aus­spricht sie ist überzeugt, daß Romeo sie liebt und bittet ihn, hier und ferner diese Liebe nicht durch Schwüre zu beteuern und doch schwankt sie andererseits in diesem ihren Glauben, da das Glück denn doch zu plözlich über sie gekommen, dies alles und die Versicherung ihres Widerstandes für den Fall, daß der Geliebte denken sollte, sie sei zu schnell besiegt, bekunden ein keusches und mädchenhaftes Wesen, das entzücken muß. Aber auch die Worte: ,, Doch glaube, Mann, ich werde treuer sein, als sie, die fremd zu tun geschickter sind", zeigen uns bereits die Kraft, mit welcher sie später für das ihr Inneres ganz erfüllende Gefül einzutreten bereit ist. Solche Liebe scheut feine Konsequenzen, fürchtet sich vor keinem Hindernis, ist von nichts außer ihr geleitet, und verzehrt sich, wenn es nicht anders sein kann, durch den Tod. Und wärend Romeo durch die verzehrende Leidenschaft blind und taub gegen alle Vernunft geworden, sich dem Tode blindlings in die Arme stürzt, wagt Julia mit einer Entschlossenheit, die sich über alle auftauchenden Bedenken hinwegfezt, den denkbar gefärlichsten Schritt und nimit den Trank, welcher sie auf kurze Zeit dem Tode scheinbar zufürt, um sich dadurch dem Manne zu erhalten, dem sie unwandelbare eheliche Trene gelobt hat. Leider findet sie ihn aber beim Erwachen durch verzwei­felten Selbstmord soeben verschieden und zögert nun auch nicht, sich ihm im Reich des Todes zu gesellen, indem sie sich mit dem Dolch des Geliebten ersticht.

Wir wollen jedoch die Herzensgeschichte der beiden nicht ausfürlich erzälen und hätten auch auf das vorstehende verzichtet, wenn es nicht unsere Absicht gewesen wäre, auf die Lektüre dieses Werkes, das ja in jeder Buchhandlung für 20 Pfennige zu haben ist, aufmerksam zu machen. Wer sich mit der ,, notwendigen Geschichte aller starken Liebe", wie Gervinus   das Stück nent, vertraut machen will, der lese es selbst. Er wird darin nicht allein das edelste der menschlichen Gefüle geschildert finden, wie es jeder mehr oder weniger erlebt, wenn auch nicht in der Reinheit und Kraft wie hier, sondern auch das Extrem davon, den Haß, mit allen seinen schrecklichen Folgen. Kein Tag vergeht, an dem nicht Streitigkeiten zwischen den Angehörigen und den Parteien der verfein­deten Familien ausbrechen, die oft von Todschlag begleitet sind. Es war daher wol ein vom feinen Kunstgefül geleiteter Kunstgriff, daß der Dichter den Gestalten, in denen er seine Psychologie der Liebe ver­körperte, die von den widerlichen Greueln des Hasses belebte Bild­fläche zum Hintergrund gegeben, von dem sie sich um so vorteilhafter abheben. Sie werden schließlich selbst die Opfer dieses Hasses aber, ,, So eing'ge Lieb aus einz'gem Haß entbrant!"

ist unvergänglich, bleibt ewig und es ruft daher unsere innere Befrie­digung hervor, daß sich Capulet und Montague über die Leichen ihrer Kinder versöhnend die Hände reichen.

So klingt denn das Stück aus im Sinne der Endverse des Chores am Schluß des ersten Aftes:

,, Doch Liebe leiht die Macht, troz Schicksalstücken,

Zu mildern höchstes Leid

Ob aber die Julia unserer Künstlerin der des Shakespeare entspricht, oder ob sie nur zu den anmutigsten Schwestern derselben gehört, das mögen nunmehr unsere freundlichen Leserinnen und Leser selbst ent­scheiden.

nrt.

Zodiakallicht( Bild S. 65) von Zodiacus  (= Tierkreis, Tierkreis­licht) benant, weil dieser kegelförmige, bald mehr bald weniger helle Lichtschein in den Tierkreis fällt. Es erscheint im Frühling des abends nach, und im Herbst des morgens vor Sonnenaufgang und zwar an der Stelle, wo die Sonne aufgehen soll resp. untergegangen ist, im Herbst jedoch schwächer als im Frühling. Bei uns sind die Bedingungen für seine Sichtbarkeit von mitte Februar bis anfang März abends nach 7 Uhr und von mitte August bis anfang September morgens vor 5 Uhr. Doch erreicht in unserer Gegend die Lichtstärke nicht die der Milchstraße  . In den Tropengegenden, namentlich am Aequator  , erscheint es am hellsten und übertrifft an Glanz die hellsten Stellen der Milchstraße  . Ziet leichtes, vom Abendhimmel bewegtes Gewölf vor­über, so spielt dies je nach seiner Dichtigkeit in den verschiedensten Farben. Die günstigste Periode für die Erscheinung des Zodiakallichtes ist dort im Herbst und es erscheint dann nicht nur weit heller und glän­zender, sondern auch öfter. Gesehen wurde es schon in den ältesten Zeiten, aber 1683 stellte man erst genauere Beobachtungen an. Laplace, Arago und andere Naturforscher versuchten gleichfalls seine Natur zu erklären, doch ist man über die Ursachen seines Entstehens wol noch nicht entgiltig flar geworden.

ff.

Die Pfeife einziehen, Die jezt ziemlich häufig angewendete Redensart bedeutet bekantlich: es fonte nicht nach meinem Sinne gehen, ich mußte auf die Ausfürung meines Plans verzichten. Wer einen au­