seine Bodenprodukte umsezte, soweit ihm solche nach Abzug aller Dienstlasten verblieben, deren Steigerung zum Teil ganz im Be­lieben des Herrn stand. Sie versorgten ihn mit Acker- und Wirtschaftsgerät, mit Kleidung u. s. w und in dieser Tätigkeit erwiesen sie sich für die Landwirtschaft von großem Nuzen. Nun besaßen aber die Adligen auf ihren Gütern auch Brennereien, worin sie ihr und das von den Bauern gelieferte Korn in Brant­wein verwandelten, dessen Hauptkonsumenten wiederum dieselben leibeigenen Bauern waren, welche zu diesem Brantwein nicht selten das größte Quantum ihres Kornertrages geliefert hatten. Es erhielten die Bauern nun ihr Korn als Brantwein wieder- jedoch nur gegen Bezalung, wodurch der Gewinn des Gutsherrn aus seinem lebendigen Kapital sich verdoppelte oder verzehnfachte. Auf alle Fälle floß durch den Brantweinverkauf ein großer Teil des kümmerlichen Erwerbs der Bauern noch in die Hände des Edelmanns, und wärend dessen Wolhabenheit stieg, verschlimmerte sich tatsächlich die Lage der Bauern.

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Dem russisch- polnischen Edelmann waren die Juden im All­gemeinen die besten Pächter. Sie waren umsichtige Leute, deren ja auch der Staat mit Vorliebe bei allen Lieferungen und großen handelspolitischen Unternemungen sich bediente. Ihre Notlage zwang sie, beim Brantweinhandel die eifrigste Tätigkeit zu ent­falten. Viel kam dabei nicht heraus, von einem umfangreichen Geschäfte kann im Kleinhandel kaum die Rede sein. Je mehr der jüdische Handel blüte, un so mehr verdienten natürlich die Brennereien der Edelleute, beziehungsweise diese selbst. Uebrigens waren nicht selten die Brennerei- Pächter auch gute römische oder griechische Katoliken. Ja, es kami auch vor, daß der Edelmann durch seine eigenen Leute den Brantwveinverkauf besorgen ließ. Die Juden nun sollten durch den Brantweinverkauf die Bauern ruiniren. Das Unsinnige dieser Behauptung liegt, wenn man objektiv urteilt, auf der Hand. Gewiß hat der Brantweinverkauf ruinirend gewirkt. Tatsächlich aber blieb es sich doch gleich, wer ihn betrieb. Dem Bauer fonte es einerlei sein, wer ihn aussaugen

Bestrafter Uebermut.( Seite 95.)

half, ob der Jude oder Christ, ihm konte nur geholfen werden, wenn man das Aussaugen selbst verbot.

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Der Edelmann hatte übrigens in der Person des jüdischen Pächters, in den Augen der gedankenlosen Menge und auch nach oben hin einen hochwillkommenen Sündenbock gefunden. Aeußerte sich die ruinirende Wirkung der Brennereien und Schänken auf die Bauern und es gehörte bei der Ausbeutung derselben durch die Edelleute und deren unbegrenzter Macht nicht viel dazu, sie völlig zu ruiniren dann war natürlich nicht der Herr, der­jenige, welcher die Brennereien und Schankstätten errichtet hatte, sondern der Jude daran schuld, der nach der Versicherung der Geistlichkeit voller Haß gegen die Christen erfüllt war, bewußt an ihrem Untergange arbeitete, kein menschliches Rühren em­pfand, vielmehr voller Bosheit und Grausamkeit darauf abzielte, den christlichen Bauer in's Unglück zu stürzen, zu welchem Zwecke er ihnen denn auch den unheilvollen Brantwein verkaufte, den beiläufig der russische Pope ebenso gern trank wie der polnische Kaplan. Auf diese Weise wurde der Krieg gegen die Juden ge­fürt und zum religiösen Haß die soziale Entrüstung und Em pörung gesellt. Und wenn die Klagen über das Elend der Bauern zu den Ohren der Regierung schlugen, dann wiesen die Edelleute und Die Geistlichen auf die Juden als die eigentlich Schuldigen hin. Ging etwa ein Regierungskommissär in die Dörfer, was alle Jubeljare einmal zu geschehen pflegte, dann bestätigten die irre­geleiteten Bauern die Behauptung der Edelleute, denen sie doch

hauptsächlich ihre schlimme Lage verdankten. Es sei hiermit nicht gesagt, daß die jüdischen Pächter engelreine Menschen gewesen sind. Sie waren aber nicht schlechter als die Edelleute, die wie sie aus ihrem Geschäft den möglichst größten Nuzen zu ziehen suchten. Die Edelleute schindeten die Bauern auf jede Weise und wenn sie nicht auf die Fabrikation des Brantweins verzichten konten, dann soll man den Juden aus dem Verkaufe desselben um so weniger ein Verbrechen machen, als sie durch die Eng­herzigkeit der Christen, welche ihnen zalreiche Beschäftigungen vor enthielten, wie zu allem Handel, so auch zum Brantweinhandel geradezu gezwungen waren.

Katarina II. scheint diese Sachlage einigermaßen begriffen und namentlich eingesehen zu haben, daß durch das Verbot des Pachtbesizes von Brennereien und Krügen seitens der Juden die Lage der Bauern in keinerlei Weise sich bessern würde.

Sie beließ, wie schon erwänt, die Juden in ihren Rechten. Ein Utas vom 7./19. Mai 1786 gestattete es ihnen sogar, frei ihren Wohnort zu wälen und er verbot es, sie zu nötigen, in die Städte zu ziehen, wenn sie auf dem Lande ihre Existenz fanden.

So einsichtig oder human Katarina II. den Juden gegenüber auftrat, so wenig taten dies ihre Nachfolger. Am 9. 21. Dezem ber 1804 wurde eine allgemeine, die Juden behandelnde Ver­ordnung erlassen, welche ihnen das Wohnen und die freie Be wegung in den Gouvernements Bessarabien , Wilna , Witebsk , Volhynien, Grodno , Jekaterinoslaw, Kowno , Minsk , Podolien,