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Mr. 228.

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Berliner Bolksblatt.

Zentralorgan der sozialdemokratischen Partei Deutschlands .

Redaktion: Beuth- Straße 2.

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Berliner Dolksblaff.

Mittwoch, den 30. September 1891.

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Expedition: Beuth- Straße 3.

tungen nicht wenig Spott über die Kleiderverordnungen zu Stande kommt- trägt ein solcher dann zur guten der Höfe ausgegossen haben- dieselbe Bourgeoisie erläßt Bürgerschaft" gehörender Mensch die ihm von seiner durch eine Kleiderordnung für Ladenmädchen. Man verschweigt die Zeitungen zugetriebenen Frau geschenkten oder an­Mit dem 1. Oktober eröffnen wir ein neues Abonnement auch nicht die Gründe, welche diese sonderbare Neuerung geschafften Kleider mit mehr Ehre, als ein Ladenmädchen, veranlaßt haben. Die gute Bürgerschaft" von dem ein reicher Freund einen Schmuck angeschafft hat? auf den Berlin , besonders die weiblichen Elemente, nimmt ergerniß Die Bourgeoisie kritisirt bei dieser Gelegenheit, wie an dem kecken" Auftreten der Ladenmädchen und da so oft, unwillkürlich ihr eigenes System und verurtheilt müssen gefällige Ladenbesizer Wandel schaffen. Unsere es am schärfsten. Wenn die Ladenmädchen sich von ihrem ,, oberen Behntausend" gehen in sich, und es sieht aus, eignen Lohn keine ordentlichen Toiletten anschaffen können als wollten sie zur Abwechslung in Sack und Asche warum bezahlt man sie nicht besser? Der bevorstehende Parteitag in Erfurt mit seiner wichtigen trauern. Vielleicht sind sie so zerknirscht wegen der Aus- Namentlich in den Geschäften, wo elegante Toiletten Tagesordnung macht es jedem zielbewußten Arbeiter zur dringenden Bflicht, sich genau und so schnell wie möglich über die Verhand- fälle der sozialistischen Preſſe, die sich darüber lustig direkt verlangt werden? Die Löhne dieser sind meistens erbärmlich und es lungen zu informiren. Wir haben Vorkehrungen getroffen, die machte, daß der Ringkämpfer Abs so viel duftende Brief- Arbeiterinnen Genossen allerorts so schnell und ausführlich wie möglich über chen auf rosa Papier bekam, daß es ihm selber lästig kommt vor, daß sie 30 Mark und weniger pro Alles zu unterrichten, was für die Allgemeinheit wissenswerth ist. wurde. Auch daß den Indianern und anderen Wilden, Monat erhalten; dazu haben sie eine außergewöhn­Wir werden in ausführlichen Originalberichten und Telegrammen so im Panoptikum 2c. zu sehen waren, unglaubliche Auf- lich lange Arbeitszeit und häufig auch eine sehr täglich über die Verhandlungen referiren. Die Berichterstattung merksamkeiten von Berliner Damen aus besseren" anstrengende Beschäftigung. Von den elenden Löhnen ist bewährten Händen anvertraut. Kreisen erwiesen wurden, hat viel Anlaß zu Spott über der ganzen Branche spricht man nicht; nur von Der Bezugspreis des die Berliner haute- volée gegeben. Schwerlich sind unter den eleganten Toiletten, die einige Wenige haben oder den Verehrerinnen des Ringkämpfers Abs und der Sioux - auch blos haben sollen. Denn man kennt ja die Indianer viele Ladenmädchen gewesen. Allein es rast der Splitterrichterei unserer Bourgeoisie und ihrer bestellten See und will sein Opfer haben und das Opfer sollen Moralprediger, die sich ereifern können, wenn eine arme die Ladenmädchen nun einmal sein. Plätterin, von der Hize genöthigt, es sich leicht macht, Die gute Bürgerschaft" kalkulirt so: Wenn die während die ungenirte Schaustellung weiblicher Reize in den Ladenmädchen herausgeputzt sind, so deutet das darauf, Balltoiletten der oberen Zehntausend von denselben Leuten als daß sie einen Freund" haben, der ihnen Geschenke macht, ganz selbstverständlich betrachtet wird. Für die Bälle denn von ihrem Lohn können sie sich keine reichen Toiletten der Bourgeoisie wäre nach dieser Auffassung verschaffen. eine neue Kleiderordnung wahrhaftig mehr

,, Vorwärts" Berliner Volksblatt

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Die Redaktion und Expedition des

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Nun, es giebt unter den Ladenmädchen zweifellos nothwendig, als für die Ladenmädchen. solche, die auf diesem Wege ihre Existenz aufbessern. Aber Wir sind in diesen Dingen gewiß teine Philister, aber wir es gehört die ganze Beschränktheit der sogenannten guten möchten dann doch die Splitterrichter an ihren Balken Bürgerschaft" dazu, von sämmtlichen Arbeiterinnen vor erinnern und können eine solche zahlungsfähige Moral"

Vorwärts" Berliner Volksblatt. Bouſehen, daß sie solche Freundſchaften" pflegen. Die nicht ernst nehmen. Wenn es den herrschenden Klaſſen

Die Ladenmädchen.

Ladenmädchen müssen sich fast sämmtlich unter schrecklichen darum zu thun ist, der Unsittlichkeit zu steuern, so mögen Entbehrungen und großen Anstrengungen durch's Leben sie dies zunächst in ihren eigenen Kreisen thun; nach schlagen. Dazu kommt noch, daß viele Geschäfte sehr unten aber mögen sie der Ausbeutung und dem Elend darauf sehen, ob ihre Ladenmädchen eine hübsche Er- Schranken ziehen und die Moralität" wird sich von Die Berliner Bourgeoisie hat wieder eine Gelegen- scheinung machen, oder nicht, und das Publikum sieht selber bessern. Hungerlöhne zahlen und dazu Moral predigen--das heit gefunden, in sittlicher Entrüstung" zu machen. Die vielfach auch darauf. Die Toilette kommt dabei sehr in's Ladenmädchen sind es mit einem Mal, welche die bürger- Spiel und in manchen Geschäften wären die Ladenmädchen nimmt sich immer sehr schlecht aus. liche Moral gefährden; sie kleiden sich zu auffallend" vielleicht froh, wenn sie sich einfacher kleiden dürften. Die bürgerliche Gesellschaft hat weder ein Recht, und das soll in Zukunft vermieden werden. Eine förm­liche Kleiderordnung ist in einzelnen Geschäften ergangen noch einen Grund, der arbeitenden Klasse in solcher Weise und wird wohl in vielen Nachahmung finden. Die Laden- die Moralität abzusprechen. Man werfe nur einen Blick Politische Lebersicht. Berlin , den 29. September. mädchen sollen einfach" gekleidet sein; sie sollen sich keine in die Annonzen der vielgelesenen bürgerlichen Presse. Pony- Löckchen brennen, sollen keine Tändelschürzchen und Schier jeden Tag fann man dort finden, daß ein ge­bildeter Mann, schöne Erscheinung, kräftig gebaut und beiter gegen die Gefahren des Betriebes wird durch die Der Leichtsinn und die Gleichgiltigkeit der Ar­fein in die Augen fallendes Geschmeide tragen. Man kann nur staunen. Dieselbe Bourgeoisie, deren gesund" natürlich ohne Vermögen- die Bekanntschaft Unfallversicherung erhöht und dadurch die Zahl der Unfälle Geschichtschreiber sich über das Verbot der Bärte unter einer vermögenden Dame zu machen wünscht. Wenn auf vermehrt dieser manchesterliche Trugschluß derjenigen vormärzlichen Regierungen lustig machen und deren Zei- diesem nicht mehr ungewöhnlichen Wege nun eine Heirath Unternehmer, die überhaupt keinen Schutz der Ar­

Feuilleton.

Nachdrud verboten.]

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denn er begriff, daß die Zeit drängte, und daß er keine genommen und befohlen, sich schußfertig zu machen. Maschinen­Minute zu verlieren hatte. Er warf einen raschen Blick mäßig hatten die Soldaten gehorcht, aber es war kein Zug auf die Soldaten, die hinter dem Offizier in Reih und darin, es klappte nicht. Er hatte anlegen lassen und Glied standen. Sie zeigten eine schwankende aber durchaus wollte" Feuer!" kommandiren, als er plößlich wankte und nicht kriegerische Miene. Ihre Anzüge, bedeckt mit Staub einen eigenthümlichen Luftsprung machte, welcher selbst in und Koth, trugen die Merkmale des Kampfes, den sie ohne diesem fürchterlich ernsten Augenblicke ein gewaltiges Lachen Er kehrt zurück! Begeisterung seit den drei Tagen durchfochten. Sie sahen hervorrief. Mijoulet hatte sich von seinem Posten entfernt; erschöpft aus und in der That, denn sie hatten während behende wie eine Kate war er zwischen der Mauer und der Originalroman von Jean Meroz. des Kampfes fast nichts gegessen. Vor Müdigkeit fielen Truppe entlang geglitten, hatte sich dann, auf allen Vieren Sie waren mit großer Mühe vor das Gitter gekommen, fie fast um, und der Gedanke, daß ihre Kugeln die Brust kriechend, zwischen die Beine des Offiziers geschoben, schnell welches nach den Quai d'Orsay hin angebracht ist. Es war von Franzosen durchbohrt hatten, peinigte sie. Das Fieber, wieder erhoben und ihn auf den Rücken geworfen. Marche- Seul nützte den Zufall aus. Durch ein kurzes verschlossen und durch eine starke Truppenabtheilung ge- welches Soldaten, die im Feuer stehen packt und sie zu den schützt, die entschlossen schien, es nicht verletzen zu lassen. schrecklichsten und hassenswerthesten Handlungen treibi, war Kommandowort trieb er seine Leute an und stürzte vor­Deshommes ließ seinen Haufen halten und befahl Mijoulet, verschwunden, und seit mehreren Stunden, in denen sie da wärts. Der Kampf war kurz. Ueberrascht und entmuthigt welcher ihm folgen wollte, sich nicht von der Stelle zu standen, fühlten sie sich besiegt und verlassen in Gegenwart leisteten die Soldaten nur schwachen Widerstand. Einiges Handgemenge, Mann gegen Mann, entstand, rühren. Hierauf schritt er zu den befehligenden Offizier eines fiegreichen Volkes, welches sie wohl kannten und dessen in die vor und knüpfte ein Gespräch mit ihm an, welches in bei- Großmuth und Herzensgüte sie zu schätzen wußten. Marche- einige Schüsse, Luft abgegeben, abgegeben, knallten, nahe höflichem Ton anfing, bald aber gereizt und er- Ceul sah ein, daß eine energische Auftrengung diese Theil- und die Aufständischen zogen im aufgelösten Haufen nahmslosigkeit beseitigen würde und daß nur einige Offiziere hindurch, ohne einen Mann unwiderstehlichen Druck gab das Gitter Mein Herr, Sie werden sich zurückziehen und werden sich ihm entgegenstellen dürften. Er sah den Offizier scharf ihrem freie Bahn geben! an und sagte barsch zu ihm: Zum letzten Mal, mein Herr, nach; wie ein Waldstrom stürzten sie in den Hof und besetzten den Saal des Pas Perdus, während die Unmöglich, mein Herr, ich habe gemessenen Befehl Sie weichen nicht? dieses Gitter zu bewachen. Nein, mein Herr, es ist unmöglich! Menge, welche ihnen folgte, die Treppen der Tribünen er­Marche- Seul trat einen Schritt zurück und rief mit stürmite. Marche- Seul zögerte keinen Augenblick. Er drang Ihr Widerstand ist nuklos, der König ist geflohen, und die Revolution ist, wie Sie sehen, überall siegreich. dem schärfsten Ton seiner Stimme aus: Nun, wir wollen in den Sizungssaal und nahm von dem Amphitheater, troz des verzweifelten Widerstandes der Huissiers Besitz. Die Dabei zeigte Marche- Seul mit der Hand dem Offizier durch froß alledem! Dann wandte er sich um, ging zu seiner Schaar Ankunft dieser Menge verursachte eine unbeschreibliche Be­den Platz, von dem her unaufhörlich die Marseillaise erscholl. zurück und kommandirte: Vorwärts! Die Koloune setzte wegung. Das Schauspiel war überaus imposant. Zum besseren Verständniß des Auftrittes, der sich jetzt Mein Herr, ich kenne nur meinen Befehl und werde sich in Bewegung. Die Männer hatten ihre Gewehre er­den Weg nicht freigegeben. Es ist unnöthig, länger in griffen und sich im Angesicht der Soldaten nur einige Meter in der Deputirtenkammer abspielte, nachdem sie durch das von ihnen entfernt in Gefechtsordnung gestellt. Auf der andern Bolt, welches den parlamentarischen Zungendreschereien der

bittert wurde.

mich zu bringen.

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zu verlieren. Unter

Dieser Widerstand begann Marche- Seul zu erbittern, Seite hatte der Offizier seinen Platz als Führer seiner Truppe ein- vollkommen Befriedigten" ein Ende machen wollte, über­