Neue Well

Illustrirtes Unterhaltungsblatt für das Volk.

No 12.

Erscheint wöchentlich.

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Preis vierteljärlich 1 Mark 50 Pfennig.

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1882.

In Heften à 35 Pfennig.

Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postämter.

Im Kampf wider alle.

Roman von Ferdinand Stiller.

[ 1881]

( 11. Fortsezung.)

Fräulein Elfriede bemühte sich nicht, ein verächtliches Lächeln| Widerwille, der übrigens heute durch die trüben Erinnerungen zu unterdrücken.

,, Sie hörten also-was?" fragte sie.

" So etwas von kämpfen und erobern' hörte ich, aber ich fann mir eigentlich gar nicht denken, daß in dieser Nähe des Friedens nicht war, hi, hi, des Friedens, meine Gnädigste?- so friegerische Worte, verba bellicosa, wie Cicero sagen würde, fallen können, hi, hi."

Der Dame war ihr Verehrer nie alberner vorgekommen, als in dem Augenblicke, und es kostete ihr ernstliche Mühe, so wenig es ihr sonst auf eine Portion Heuchelei ankam, ihn das nicht merken zu lassen. Aber sie bezwang sich heroisch und ihre Stimme flang auf einmal sogar mild und freundlich, als sie erwiderte:

Rann man nicht auch fämpfen, um sich den Frieden zu be­waren, und um sie zögerte, als ob sie verlegen wäre und nicht wüßte, ob sie mehr sagen dürfe ,,, um sich sich nicht erobern zu lassen?

Sie hatte die lezten Worte nur noch geflüstert und als sie geendet, traf Herrn Gabriel Haßler ein blizschneller feuriger Blick aus den schönen Augen seiner Angebeteten.

Es war dies eine ziemlich plumpe Koketterie, aber Fräulein Elfriede wußte offenbar genau, was sie ihrem Galan bieten durfte.

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Herr Gabriel ward ganz rot vor lauter Entzücken. Seine Vermutung war richtig gewesen, daß sie an ihn gedacht hatte. Wie fonte es auch anders sein, hatte sie doch sogar nach ihm geschickt. Sie fonte es offenbar one ihn schon gar nicht mehr aushalten. Es galt also nur noch einen Sturm, dann war sie die gefeiertſte Schöne in ganz B.- sein. Daß Fräulein Elfriede sein. Daß Fräulein Elfriede Specht die gefeiertſte Schöne vor zehn Jaren gewesen, und was wärend diesen zehn Jaren die bösen Zungen und im Grunde genommen auch die guten alles über dieser gefeierten Schönheit Leben und Treiben zu erzälen gewußt hatten, daran sich nicht zu erinnern, gab sich der gute Gabriel schon seit langem die erfolgreichste Mühe.

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Also tapfer darauf und daran zum lezten Sturm!

Wie ein Mehljac, dem sich urplözlich die ihn aufrechthaltende Stüze entzieht, fiel Ehren- Gabriel in die Knie und die dicken Hände nach dem geliebten Gegenstand ausstredend rief er:

geben Sie diesen Kampf auf, meine süße, angebetete Elfriede, lassen Sie Sich erobern von Ihrem Gabriel!"

Das Komische der Situation half Fräulein Elfriede Specht ihren Widerwillen gegen diesen Anbeter zu überwinden ein

VIL. Stuttgart , 17. Dezember 1881.

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und Betrachtungen der Dame zu außergewönlicher Stärke ge­närt worden war. Sie unterdrückte mit einiger Anstrengung das laute Lachen, zu dem sie sich geneigt fülte, reichte dem steif wie in einem lebenden Bilde seine gezwungene Position beibehaltenden Gabriel die eine ihrer weißen Hände und flüsterte:

,, Lieben Sie mich denn wirklich für ewig, Gabriel?"

Der glückliche Gabriel bedeckte die dargebotene Hand mit wenigstens einem Duzend Küsse und schwor dabei Stein und Bein, daß ers zum erstenmal in seinem Leben empfinde, was Liebe sei, und daß er diese Liebe dereinst gewiß in aller ihrer tolossalen" Stärke mit in's Grab nehmen würde.

,, Dann will ich dein sein dein für immer, Gabriel," lis­pelte die anscheinend auch hochbeglückte Schöne. Und Gabriel etwa so sprang auf und schloß seine glorreiche Eroberung grazios wie ein junger Bär, der sich an einem Baumstamm em­porrect in seine dicken Arme.

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Elfriede überließ sich dieser Zärtlichkeit nicht lange. In schein­bar zaghaften Worten machte sie ihrem Gabriel klar, daß es sich für den Geliebten eines ehrsamen Mädchens zieme, bei dem Vater in aller Form um die Hand des Töchterchens anzuhalten. Jung Haßler sah das auch sofort ein und beteuerte, es würde einer der glücklichsten Momente seines Lebens sein, wenn Papa Specht segnend die Hände auf seiner Elfriede und sein- Gabriels- Haupt legen würde. Elfriede lächelte ihm süß zu und meinte nur, dabei dürfe er aber nicht sehr stürmisch sein, er müsse auch bedenken, daß sie doch der guten Sitte halber wenigstens ein Jar verlobt sein müßten, das würde z. B. Papa sicher verlangen. Diese Eröffnung regte den guten Gabriel entfezlich auf, ein Jar, ein langes Jar sollte er warten, bevor er seine Elfriede heim­füren durfte unmöglich, rein unmöglich. Kein halbes, fein Vierteljar, nein, so grausam werde Papa Specht nicht sein und wenn Elfriede ihren Gabriel wirklich liebte, so recht innig und leidenschaftlich, wie er dies hoffe und wie er sie selber liebe, so müsse sie dafür sorgen, daß die peinvolle Zeit des Brautstandes auf das Minimum, wie der Lateiner sagt, beschränkt würde.

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Solcher gewaltigen Liebe fonte Elfriede natürlich beim besten Willen nicht widerstehen. Sie acceptirte daher ihrerseits das Minimum und versprach, vor dem gestrengen und auf die gute Sitte erschrecklich viel haltenden Papa ihre Bitten mit denen des geliebten Gabriel zu vereinen.

Und auch Herrn Spechts Liebe zur guten Sitte zeigte sich