richtigen Eindruck mitnemen von den karakteristischen Momenten des Ganzen. Es liegen diese Partien noch zu sehr im Bereiche menschlicher Civilisation und namentlich der Waldbestand erinnert noch zu sehr an kontinentale Gebirgspartien. Es ist fast das Verhältnis, als ob man von dem Besuche des Rigi   und Vier­waldstättersee's einen Eindruck gewinnen wollte von den Gebirgen der Schweiz  . Die ,, coaches" sind für diese Touren ein sehr an­gemessenes Beförderungsmittel. Im niedrigen Wagen selbst sind feine Size, nur Raum für Gepäck und Pferdefutter. Sämtliche Size sind auf dem Verdecke des Wagens, wo dann vier bis sechs Reihen Bänke, jedesmal für vier bis fünf Personen berechnet, angebracht sind. Man hat auf diese Weise den denkbar freiesten Ueberblick über die ganze Gegend, freilich unter Verzicht auf jedweden Schuz gegen Wind und Wetter. Die Kutschen werden von vier bis sechs Pferden gezogen, die dann in einer außeror­dentlichen Geschwindigkeit Berg auf und Berg ab rasen. Zwi­schen den Seen ist jedesmal eine Wasserscheide und oft von ganz ansehnlicher Höhe. Hat man diese erreicht, so schwindelt häufig das ungewohnte Auge, wenn es in die steile Tiefe nach dem See zu herabschweift. Die Pferde sind indessen an die Wege gewöhut und traben sehr sicher.

Es würde diese Stizze ungebürlich verlängern, wenn ich auf die Schilderung einzelner Szenerien und Rundblicke eingehen wollte. Das Interesse knüpft sich vielfach auch nur an die literarische und historische Denkwürdigkeit des Plazes. Die Reise­fürer berichten fast allenthalben von Begebenheiten der Sage oder Geschichte, die hier vor sich gingen. Fehlt es an beiden, so ist es gewiß ein Roman von Walter Scott   oder ein Gedicht von Robert Burns, welchem die betreffende Lokalität als Basis dient. So ist der Loch Kathrine, abgesehen davon, daß er die Wasser­leitung für Glasgow   speist, sicherlich nur durch W. Scott's Poesie ,, Lady of the lake"( bie Jungfrau vom See") zu einer gewissen Berühmtheit gelangt und die ständige Frage der Reisenden geht nach der ,, Ellens- Isle"( Ellens- Insel"). Dem Böotier, der diese Dinge nicht einmal aus seinem Bädecker kennen sollte, bietet der schottische Geschäftssinn eine praktische Hilfe. Wie in Amerika  auf den Schnellzügen sind hier allenthalben auf den Dampf­schiffen fliegende Buchhändler, welche außer den Abbildungen auch jedesmal die bezügliche klassische Literatur zu einem billigen Preise feilbieten. Diese Industrie ist sicherlich eine sehr nachamenswerte. Was könte in Deutschland   z. B. nicht für die Verbreitung der Literatur auf diese Weise erzielt werden? Es müßten allerdings unsere Schriftsteller die Unfitte ablegen, meist fingirte Namen für die Lokalitäten einzufüren und womöglich noch außer dem fingirten Namen, um ja den Leser von der richtigen Färte abzubringen, erdichtete Züge dem Lokalkolorit einzufügen. Die Engländer und namentlich die Franzosen denken darin weit vernünftiger. Die meisten Romane spielen in Paris   resp. London  , ereignen sie sich aber in der Provinz, so bringen sie erst recht eine konkrete Orts­schilderung. Der im lezten Winter in Paris   verstorbene Gustave Flaubert   z. B. war in Rouen   gebürtig und tat meiner Ansicht nach sehr gut daran, seinen ersten Roman, der ihn zum berühmten Schriftsteller machte ,,, Madame Bovary  ", in Rouen   und Um­gebung spielen zu lassen. Seine Schilderungen haben dadurch außerordentlich an konkreter Gestaltung gewonnen und der Leser ist in der angenemen Lage, jederzeit die Warscheinlichkeit der Vorgänge nach Ranm   und Zeit prüfen zu können. Was die ge­schilderten Gegenden dabei gewinnen, liegt auf der Hand und ist im Interesse einer unzweifelhaft dadurch erhöhten Reiselust. Aber ich weiß in Deutschland   verhältnismäßig nur wenige Punkte, an welche sich allgemein bekante literarische Reminiscenzen knüpfen. Zum Unglück hat noch dazu der bekanteste Fall in dieser Art sehr schlimme Früchte gezeitigt. Ich meine die Verherlichung der guten Seestadt Leipzig   im" Faust". Seitdem hat sich sehr vielen Be­wonern dieser guten Stadt ein Lokal- Größenwahn bemächtigt, der allerdings bedenklich ist, aber trozdem die Richtigkeit des von mir vertretenen Grundsazes keineswegs beeinträchtigt.

Ein sehr geeigneter Plaz für Hochlandreisende ist das Städtchen Oban  , in einer Lage an der Küste des atlantischen Ozeans, die ihres Gleichen sucht. Eine halbrunde Bay mit krystallklarem Wasser ist von allen Seiten durch eine Hügelfette eingeschlossen, die in Terrassen zur Küste herabsteigt. Erreicht man Oban   von der Wasserseite, so übersieht man auf einmal sämtliche Häuser des Städtchens, in denen sich wärend der Reisesaison in einer Woche häufig mehr Fremde ansammeln, als sie ständige Bewohner zälen( gegen 3000). Die größeren Hôtels liegen meist in be­vorzugter freier Läge von Gärten umgeben. Wir wälten uns

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das höchstgelegenste aus, zu dem der Aufstieg ziemlich anstrengend war. Wir wurden aber durch die Herlichkeit des Panoramas von unserem Fenster aus für alle Anstrengungen mehr wie ent­schädigt. Vor der Bay von Oban   hat man eine ganze Anzal größerer und kleinerer Inseln, die Hebriden  , deren Felsen sich aus dieser Art Vogelperspektive wirklich prächtig ausnemen. Nach Südwest genießt man aber den Durchblick auf den Atlantik selbst. Tausende von Meilen könte man in dieser Richtung fort­eilen, one Land zu begegnen und das schnellste Schiff würde mehr wie eine Woche brauchen, um in New- Foundland   die nächste Küste Amerikas   zu erreichen. Wenn man auf hoher See weilt, gewint man nicht die volle Empfindung von der gewaltigen Größe des Ozeans. Sehr natürlich, denn es fehlt der dritte Gegenstand, mit dessen Maßen man die Meeresfläche vergleichen könte. Be­findet man sich dagegen auf einem Aussichtspunkte an der See, der zugleich den Ueberblick über ein großes Stück Land gewärt, dann wird eine viel mächtigere Vorstellung von den ungeheueren Dimensionen des Ozeans sich unzweifelhaft uns einprägen. Un­vergleichlich schön hat Shelley den Empfindungen Ausdruck ge­geben, wie sie in Momenten, wo ein ungestörter Genuß des Meeres vergönt, das Menschenherz erfüllen:

Unfathomable Sea, whose waves are years, Ocean of Time, whose waters of deep woe, Are brackish with the Salt of human tears; Thou shoreless flood, which in thy   ebb and flow, Claspest the limits of mortality,

And sick of prey, yet howling on for more, Vomitest thy wrecks on its inhospitable Shore; Treacherous in Calm, and terrible in Storm, Who shall put forth on thee, Unfathomable Sea.

Zu Deutsch   etwa:

Unermeßliches Meer, dessen Wogen Jare sind; Ozean der Zeit, dessen Gewässer vom tiefen Weh der Menschenherzen salzig sind; du gestadeloses Gewässer, das du mit deiner Ebbe und Flut einschließest die Grenzen der Sterblichen; schon übersättigt zwar von der reichen Beute, begehrest du doch stets noch mehr und speiest aus deine Schiffstrümmer auf deren ungaftlichen Strand; verräterisch in Ruhe und schrecklich im Sturme, wer soll sich auf dich wagen, unermeßliches Meer?

Von all den zallosen Touren, die von Oban   aus zu Wasser und zu Lande unternommen werden können, ist keine interessanter und origineller, als der Ausflug zur Fingalshöhle auf der Insel Staffa  . Das Dampfschiff braucht etwa 5-6 Stunden, um die Insel Mull   zu umschiffen und durch eine Kette schauerlicher klippen bis in die Nähe von Staffa   zu gelangen. Die Fart bietet genügende Gelegenheit, die Küstenbildung im Detail zu studiren. Die Gestaltung der Felsen ist eine zu verschiedenartige, als daß man eine allgemeine Schilderung versuchen könte. Eins schien mir besonders merkwürdig, daß nämlich die Gewässer stets ziemlich unvermittelt von bedeutender Höhe, teils in einzelnen Kaskaden, teils auch in einem einzigen Fall ins Meer stürzen. Aenlich wie an der Küste von Mull habe ich diese Erscheinung nirgends wargenommen. Beim Loch Lomand z. B., in den eine Reihe von Bächen münden, findet man allemal, daß das Wasser sich ein Bett gegraben hat. Geifie, dessen illustrirtes Werk, Szenerie von Schottland  " in wissenschaftlicher Hinsicht völlig zuverlässig sein soll, und der auch geologische Kartenstizzen mit­teilt, belehrt uns, daß die Hebriden   vulkanischen Ursprungs sind und daß ihre Basaltfelsen der Miocän  - Periode angehören. Ich bin nicht Geologe genug, um zu wissen, ob darnach durch die Terrainbeschaffenheit diese Erscheinung genügend erklärt ist. Wie dem auch sein möge, diese Wasserfälle tragen bedeutend dazu bei, den Reiz der Küste zu erhöhen, die sonst durchgängig aus öden Felsenmassen besteht. Das genante Werk belehrt uns ferner, daß die weiter nördlich belegene kleine Insel Eigg  , die ebenfalls zu den Hebriden   gehört, das auffallendste Beispiel von dem Nicht­vorhandensein einer Vegetation unter sämtlichen britischen Inseln sein soll. Mir komt das fast so vor, als ob man von einem Weniger an Bekleidung sprechen wollte, als sie eine Venus Ana­dyomene aufweist. Meiner Phantasie ist wenigstens die Vor­stellung einer noch größeren Dede nicht möglich, als sie diese Küsten schon bieten.

Die Insel Staffa   nimt sich aus der Entfernung änlich aus, wie die Felsenformation im Norden und Nordosten von Born­ holm  . Auch auf Bornholm   findet man eine große Höhle, in die man von Meere aus mit einem Boote hineinfaren kann. Man merkt indessen sehr bald, daß der Atlantik an der als stürmisch