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Ein wechselnd Weben,
Ein glühend Leben,
So schaff ich am sausenden Webstuhl der Zeit Und wirke der Gottheit lebendiges Kleid.
Dieselbe Auffassung des Ganzen wie des Einzelnen im Universum findet in einem Verse der„ Zahmen Xenien" VII. Ausdruck:
Wenn im Unendlichen dasselbe Sich wiederholend ewig fließt, Das tausendfältige Gewölbe Sich kräftig in einander schließt; Strömt Lebenslust aus allen Dingen, Dem kleinsten wie dem größten Stern, Und alles Drängen, alles Ringen
Ist ewige Ruh' in Gott dem Herrn.
Den transcendenten Gottesbegriff negirt Goethe mit titanischem Unwillen in der kraftstrozenden Trozhymne Prometheus" und in dem Spruch:
Was wär' ein Gott, der nur von außen stieße, Im Kreis das All am Finger laufen ließe! Jhun ziemt's, die Welt im Innern zu bewegen, Natur in Sich, Sich in Natur zu hegen, So daß, was in Ihm lebt und webt und ist, Nie Seine Kraft, nie Seinen Geist vermißt
ist dem supranaturalen Gottesbegriff der pantheistische gegenübergestellt. Schwungvoller wird der leztere durch Faust ausgedrückt.
Wölbt sich der Himmel nicht da droben?
Liegt die Erde nicht hier unten fest?
Und steigen, freundlich blinkend
Ewige Sterne nicht herauf?
Schau ich einst Aug' in Auge dir,
Und drängt nicht alles
Nach Haupt und Herzen dir,
Und webt in ewigem Geheimnis Unsichtbar sichtbar neben dir?
Erfüll davon dein Herz, so groß es ist,
Und wenn du ganz in dem Gefüle selig bist, Nenn es dann wie du willst, Nenn's Glaube! Herz! Liebe! Gott !
Ich habe keinen Namen Dafür! Gefül ist alles;! Name ist Schall und Rauch, Umnebelnd Himmelsglut.
Wenn Gretchen meint:„ Ungefär sagt das der Pfarrer auch," so hat es sich eben„ an Worte gehalten", wie mancher Literat, der sich an diesen Worten im gläubigen Sinn erbaut, und wie mancher Professor, der Spinoza zum Monoteisten stempelt. In Warheit läßt hier der Dichter seinen immanenten oder monistischen Gott in vollem Glanze leuchten und überstralt damit den andern ganz und gar.
Ebenso entschieden spricht er sich gegen die Jenseitigkeit aus; im Faust:
Das drüben kann mich wenig kümmern: Schlägst du erst diese Welt zu Trümmern, Die andre mag darnach entstehen. Aus dieser Erde quillen meine Freuden, Und diese Sonne scheinet meinen Leiden; Kann ich mich erst von ihnen scheiden, Dann mag, was will und kann gescheh'n. Davon will ich nichts weiter hören, Ob man auch fünftig haßt und liebt, Und ob es auch in jenen Sphären Ein Oben oder unten gibt.
Und in den Zahmen Xenien VI.:
Ein Sadduzäer will ich bleiben!
Das könte mich zur Verzweiflung treiben, Daß von dem Volt, das hier mich bedrängt, Auch würde die Ewigkeit eingeengt;
Das wäre mir der alte Patsch,
Droben gäb's nur verklärten Klatsch.*)
( Fortsezung folgt.)
*) Wenn Goethe gegen Eckermann kurz vor seinem Tode sich anders äußerte, so haben wir hier eben ein Stimmungswort, welchem, wie dem Faust 2. Teil und den Wanderjaren das Merkmal des hohen Alters anklebt.
" Du bist hier, Helen'" sagte sie, und nicht da drinnen, wo der Meister Barthold war? Der Meister Barthold weißt du, der nimmer dableiben mocht und fortgegangen ist, weil du ihm weh getan
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Ein rascher, blizender Blick, mit dem sie Helene bei diesen Worten ansah, schnitt ihr für einen Augenblick die Rede ab; es Lag wie stumme Bitte darin, ihr weiteren Vorwurf zu ersparen, und doch zugleich wie ernstes Eingeständnis, daß sie es als Warheit anerkennen mußte, was die Schwester sprach.
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„ O Helen',"- fur diese wieder tief aufatmend und gleichsam troz jenes bittenden Blicks neue Anklage wider sie aussprechend fort, hast du's denn nie gemerkt, wie treu dich der Meister immer ang'schaut, wie er immer mit dir zu reden g'sucht, und daß ihm etwas in den Augen g'zuckt, das niemand galt als dir? Und du hast immer die stolze Dam' g'spielt und ihm den Rücken zu gedreht,' war unbarmherzig,' s war schlecht, Helen'!" Und die Stimme des braven Mädchens bebte im tiefsten Mitgefül für den, von dem sie sprach, und auch ihr waren die Tränen nahe, als es jezt der Schwester in heißem Strom wieder aus den Augen über die Wangen schoß und sich dieselbe laut aufschluchzend ihr an den Hals warf.
" Ja, nun komit das Weinen und Geschluchz'!"- sagte die Kleine mit einer ihr reizend stehenden klugen Miene weiter, und man hörte den kleinen Stolz über die Verständigkeit, mit der sie ihrer Meinung nach sprach, aus ihren Worten heraus. Wenn's nun nur nicht zu spät ist!... Der Arme, möcht' wissen, wie ' jezt in seinem Herzkämmerlein aussieht!... Lauf, Helen', lauf, du glaubst nicht, wie bleich er ausschaut, lauf, ich dent', er geht drunten im Wald, und mir bangt, daß er sich ein Leids antun könt'!"
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Sie stieß diese lezten Worte mit außerordentlicher Hast heraus, als sei sie in der Tat besorgt, daß Jakob Barthold etwas Uebles
( 13. Forsezung.)
mit sich vornemen fönte. Und sie hatte es kaum gesprochen, als Helene schnell die Arme von ihrem Halse löste und sie mit weit offenen Augen erschreckt ansah.
„ Wenn er sich ein Leid antät!" schrie sie mehr, als sie sprach, beide Hände angstvoll auf die Brust pressend und das sie sich auch schon von der Schwester abgewant, lief auf dem Haupt in die Höhe werfend. Und im nächsten Augenblick hatte Kleinen Steg über den Bach und drüben durch die offene Bretter tür nach dem Busch, der sich unmittelbar an die Obstbaumgruppen des Gartens anschließt und in ganz geringer Entfernung von dem lezteren mit dem größeren und dichteren Gehölz zusammen stößt. Nannette aber eilte in die Schenkstube zurück.
peitschend, mit hartem Gepfeif durch die Sträucher und Bäume, Noch strich der Wind, die grünen Zweige gegen einander und graue Wolfenschleier bedeckten den Himmel; aber im feuchten hölz tönte lockender Kuckuckruf. Helene ging eilig, und bald stand Grunde duftete der blühende Waldmeister, und tief aus dem Ges sie unter den breiten, schattigen Aesten der Buchen, die über ihr zusammenrauschten. Es war dämmriges Dunkel ringsum, und das schöne Mädchen sah nach allen Seiten um sich, ob sie den Gesuchten nicht zu erspähen vermöchte.
Da stand er wirklich, an einem der alten, ephenübersponnenen Stämme gelehnt, und starrte unbeweglich in die wogenden Baum fronen hinauf. Als sie ihn bemerkte, lief sie noch schneller als bisher; dann aber blieb sie in furzer Entfernung von ihm wieder stehen. Das Herz klopfte ihr laut, und ihre Wangen glüten; sie faltete noch einmal tief atmend die Hände über der Brust, als suchte sie ihre Erregung zu bemeistern, es war eine lezte Scheu und zage Furcht, die sie überwand. Nun stürmte sie, beide Hände vorgestreckt, nach ihm hin.
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Wie er das Geräusch in seiner Nähe hörte und sie in ihrem hellen Kleide auf sich zukommen sah, fur er aus irren Gedanken