würden da doch nicht helfen, wo das Leben und die fünf ge­funden Sinne nicht zu helfen vermögen.

Die Minne zwischen Ritter und Frauen war der Glanzpunkt der Höfischheit, hier konnte der Ritter als Mannesidcal, hier die edle Frau als Frauenideal glänzend zur Geltung kommen. Es komt auch zum Ausdruck bei den Dichtern, daß die Minne der Brennpunkt alles Schönen und Edlen sein sollte, was die Zeit kannte, das höchste Heil, was dem Menschen widerfaren kann Walther von der Vogelweide   singt:

,, Minne ist ein gewönlich Wort

Und in der Tat doch nicht gewönlich: das ist so: Minne ist aller Tugend Hort

Liebelos wird nimmer mehr ein Herze froh

Seit ich diesen Glauben habe,

Frau Minne,

Freuen sich meine Sinne

Sollt mein Trost vergehen, das wär' schlimme Gabe!"

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den Sänger, Spielleute und Gaukler, nahm er das Kreuz zur heiligen Kriegsfart in's gelobte Land.

Und anspruchsvoll waren die mittelalterlichen Schönen! Von den sonderbaren Launen seiner Herrin weiß namentlich der Tann­häuser ein Lied zu singen. Er soll ihr den Salamander bringen, die Rhone   bei Nürnberg   fließen lassen, die Donau   über den Rhein   schwingen. Wenn der Mäuseberg wie Schnee zerrint, will sie ihm seine Treue lohnen, er soll ihr ein Haus aus Elfenbein auf einen See bauen, aus Galiläa(!) den Berg bringen, worauf Herr Adam saß, sie will den heiligen Gral, die Arche Noahs, und mehr dergleichen Unmöglichkeiten.

Kein Wunder, daß manch solch armes Minnerlein abmagerte und wirklich zu einem Ritter von der traurigen Gestalt ward. Der verrückteste unter diesen wunderbaren Heiligen ist Ulrich von Lichtenstein  . In früher Jugend nähert er sich einer Dame und begeht ihr zu Liebe und Ehren tausend alberne Streiche. Seine zu dicke Oberlippe läßt er sich abschneiden, weil sie ihr nicht

Als mächtig waltende Göttin wird die Minne von demselben gefällt, er trinkt ihr bei Tafel gebrauchtes Waschwasser, läßt sich Sänger auch gefeiert in dem Vers:

,, Wer gab dir, Minne, die Gewalt, Daß du doch so gewaltig bist? Du zwingest beide, jung und alt Dagegen rettet keine List."

" Die Minne ist ein so seliges Ding," singt Gottfried, der Dichter des Hohenlieds der Liebe: Tristan und Isolde  ,

,, Daß niemand ohne ihre Lehre

Weder Tugend hat noch Ehre."

Reimar von Zweter nennt Minne   das beste Wort, eine Ver­goldung des Unedlen, einen Schaz über alle Tugend, ein Schloß des Geistes, das gute Werke hütet und verschließt, sie ist Lehrerin reiner Sitten, der Keuschheit und Treue Hausgenoß, den Thoren flieht sie und gesellt sich zu den Weisen, Ehre, Treue und Scham stärkt die Minne, sie ist das edelste in der Welt, dem nur das Weib sich vergleichen läßt.

Dem entsprechend wird denn auch die Frau als der Schöpfung Krone vielfältig gefeiert. Am hellsten und vollsten singt ihr Lob der Nachtigallen Meisterin, Walther von der Vogelweide  :

,, Durchsüßet und geblümet sind die reinen Frauen;

Es ward nie nichts so wonnigliches anzuschauen

In Lüften, auf Erden, noch auf allen grünen Auen;

Lilien, Rosenblumen, wo die leuchten

Jm Maientraum durch das Gras und kleiner Vöglein Sang,

Das ist gegen solche wonnereiche Freude krank.

Wo man eine schöne Fraue sieht, das kann finstern Mut erleuchten Und löschen alles Trauern zu derselben Stund.

So lieblich lachet in Liebe ihr süßer roter Mund,

Und Strahlen aus spielnden Angen schießen in Mannes Herzens Grund." Und an einer andern Stelle:

,, Gott   hat gehöhrt und gehehret reine Frauen,

Daß man ihnen wohl soll sprechen und dienen zu aller Zeit. Des Welten Hort mit wonniglichen Freuden leit( liegt)

An ihnen. Ihr Lob ist lauter und klar. Man soll sie schauen; Für Trauer und für Ungemüte( Unmut) ist nichts so gut Als anzusehen eine schöne Frauen, wohlgemut

Wann sie aus Herzensgrunde ihrem Freund ein lieblich Lachen thut." Oder ferner:

Wer verhohlne Sorge trage,

Der gedent' an ein gutes Weib, er wird erlöst Und gedenke an lichte Tage,

Der Gedanke war von je mein bester Trost.

Wir würden die Geduld unserer Leser allzustark in Anspruch nehmen, wenn wir den Reichtum unserer Frauenlob singenden Richtung veranschaulichen wollten durch eine Blumenlese ein­schlagender Stellen. Höchst erfinderisch waren die Sänger in Kosenamen ihrer Geliebten. Sie nennen sie: Lieb, Herzenslieb, Königin über Leib und Gut, Herzenskönigin, meiner Freude Oster­tag, süße Rose, Lindendolde, Maienblüte, meines Herzens Klee  , mein Zuckerkräutlein, mein Gold, mein Hort und Edelstein, meiner Augen Spiegelglas, mein Herzblatt und wie die holden Worte des Lexikons alle lauten. Durch gesellige Aufmerksamkeiten im Palast, auf der Haide, bei der Jagd suchte der Minnende zunächst die Gunst seiner Dame zu erobern, nachdem er hiedurch oder durch tapfere Taten schon ihre Aufmerksamkeit zu erregen gefucht hatte. Gelang ihm dies, so trat er zu ihr in ein Ver­hältnis änlich dem des Vasallen zu seinem Lehnsherrn, trug ihre Farben und versprach ihr, immer treu, hold und gewärtig" zu fein. Ihr zu Ehren tat er seine tapfren Taten, verstach er seine Speere, verschenkte er sein Geld an das Volk und an die faren

einen zerstochenen Finger abhauen und schenkt ihn ihr, da vorher die Wunde nicht erheblich genug erschienen, ja, ekelhaft zu be= richten, er mischt sich unter die Aussäzigen, um sie

zu erwarten, wenn sie diesen Gaben spendet.

-

vergeblich

Ein anderer ebenso vollständiger Narr ließ sich einen Finger­nagel abreißen, um ihn seiner Dame zu verehren. Ein dritter wieder umnähte sich, da seine Dame Loba hieß, mit einem Wolfs­balg und ließ sich zu Ehren derselben beinahe von den Hunden ihres Hofes in Stücke reißen. Diese Minnetoren hätten den Spruch Sir Walther Raleighs beherzigen sollen:

Gib nie dein Herz verloren Wo sich keins wieder gibt; Der Mann zält zu den Toren,

Der unerwidert liebt.

Wir schmücken und verschönern Der Mädchen Herz und Haupt, Doch manches Herz klingt tönern, Das wir von Gold geglaubt.

Vernünftiger, meint Herr Steinmar, es sei eine alte Mähr, daß ein Minner ein Märtyrer sei, dazu verspüre er aber keine Lust noch Anlage und besinge von nun an lieber den Herbst, der ihm dafür zehnerlei Fische, Hühner, Gänse, Schweine und Wurst schenken solle.

Der Minner war vor allem zur Verschwiegenheit verpflichtet und durfte sein etwaiges Glück nicht merken lassen, daher richtet sich der ganze Zorn der alten Dichter gegen die Aufpasser, die Merker, welche ihre Damen in strenger Hut hielten. Damit hängt die Geheimhaltung der Besuche zusammen, welche der Liebende seiner Herzkönigin macht. War doch die Minne nicht immer die Einleitung zur Ehe, sondern oft ward der Dienst einer verheirateten Frau gewidmet. Und so war die Scheu vor den Merkern nicht immer die jeder zarten Liebe eigene jugendliche Schüchternheit der ersten Neigung, sondern die Furcht der Sünde! Und das ist der Wurm, der in dieser Rose der Romantik sizt. Andrerseits freilich war das ganze Spiel oft auch nur äußerliche Ceremonie und Modesache, zu der nicht selten die Gatten der verehrten Frau dem Minnediener ihre förmliche Einwilligung gaben. Freilich ging die Sache manchmal auch höchst tragisch aus. So ließ Raimond von Roussillon dem Verehrer seiner Frau den Kopf abhauen, das Herz ausreißen nnd sezte dieses gebraten das Haupt ihres Galans und sagte ihr, was sie eben für eine seiner Gattin vor. Nach diesem gräßlichen Mahl zeigte er ihr Speise genossen habe. Darauf erklärt jene, daß dieses Gericht so lieblich geschmeckt habe, daß fortan keine andere Speise ihre Lippen berüren werde. Wütend ergreift der Graf sein Schwert, aber seine Frau eilt auf den Balkon und stürzt sich in die Tiefe. Alle Liebenden der Gegend aber waffnen sich auf die Kunde von dem schrecklichen Ereignis und zerstören die Burg des Grafen, dessen Lehnsherr Alfons von Aragon   entsezt ihn seiner Besiz­tümer und läßt ihn im Gefängnis sterben. Kenzeichnend ist, daß der Rächer seiner Ehre das unfittliche Verhältnis, welches seine Schwägerin unterhielt, unterſtüzte, wie denn schon damals ebenso wie heute Moral mehr von den Frauen gefordert als von den Männern geübt wurde.

Die Notwendigkeit von nächtlichem Besuch vor Tagesgrauen lieder, in denen mit heißer Glut des Abschieds bittres Weh be­zu scheiden schuf eine eigene Liedergattung, die sogenanten Tage­sungen wird. Wie in Shakespeares Romeo und Julie die leztere klagt, als der Geliebte der Vögel Singen hört: