Willst du schon gen? Der Tag ist ja noch fern; Es war die Nachtigall und nicht die Lerche,

so wehklagt die Dame bei Wolfram von Eschenbach :

,, Weh!" begann sie ,, Tag!

Wild und Zahm erfreut sich dein

Und sieht dich gerne:

Ich nur nicht! Wie soll es mir ergehn? Nun mag nicht länger hier bei mir beſtehn Mein Freund, ihn jagt von mir dein Schein! Der Tag gewaltig durch die Fenster drang

-

187

Die Läden sie verschlossen,

Doch half es nichts, groß Not ward ihnen kund. Der Freund die Freundin sester an sich zwang,

Viel Tränen ihr entflossen.

Auf beide Wangen. Also sprach ihr Mund: Zwei Herzen und ein Leib sind wir

Gar unzertrenlich.

Unire Treue wandert Hand in Hand.

Wie schnell dies große Heil uns auch entschwand: Du komst zu mir zurück und ich zu dir!" ( Schluß folgt.)

Im Dorf der Schmied.

Eine Geschichte aus dem Elsaß von Max Vogler.

Der Hochzeitsschmaus fand in der" goldenen Traube" statt. Neben dem alten Hegmar saßen Jakob Barthold's Eltern, und die hüben stießen mit denen von jenseits des Rheins auf gute Freundschaft an. Helene aber drückte das Gesicht von Jakob's greiser Mutter zärtlich gegen ihre Wangen und versprach, ihr eine gute Tochter zu sein, es war war, das Har der Alten hatten Silberfäden reichlich durchzogen, und auch ihre stillen, freundlichen Züge zeigten noch die Spuren von Kummer und Harm, aber auch aus ihren Augen lachte jezt das Glück.

-

Noch fehlte Marei. Auch sie hatte zu der Festlichkeit herüber­kommen sollen; aber schon war man über eine Stunde aus der Kirche heimgekehrt, und sie blieb noch immer aus. Als der Meister gegangen war, um die Braut zur Trauung abzuholen, und aus dem silbernen Weihkessel neben der Tür zur Weihe für den ernsten, bedeutungsvollen Gang sich die Stirn besprengt hatte, da war sie still am Tisch in der Mitte des Zimmers gestanden und hatte ihn mit feuchten Augen angesehen. Als er jezt herüberkam, um sich nach ihr umzuschauen und sie ins Hochzeitshaus zu holen, fand er sie in der Küche, über den Herd geneigt, das Haupt in beide Hände gestüzt und tränenüberströmten Gesichts vor sich hin­starrend. Er wußte nicht, was ihre Traurigkeit bedeuten sollte, und fonte nur annemen, daß sie etwa fürchte, nun, da er sich verheiratet, das Haus verlassen und sich einen anderen Dienst suchen zu müssen. In dieser Meinung sprach er ihr, selbst in­mitten seiner Freude fast wehmütig gestimt, sie so fassungslos zu sehen, Trost zu, indem er ihr sagte, daß sie an ein Verlassen der Schmiede nicht zu denken brauche, vielmehr so lange in seinem Hause bleiben könne und solle, wie sie nur Lust dazu hätte. Bis sie es ihm nachtun und auch zu zweien leben möchte, ſezte er scherzhaft, um sie aufzuheitern, hinzu. O, er ante nicht, wie tief er ihr mit diesen Worten ins Herz schnitt!... Nun hatte er endlich davon gesprochen, was sie so lange still bei sich bedacht, was sie jeden Tag von ihm zu hören gehofft, nun hatte er ihr heimliches Sinnen und Empfinden gestreift, freilich in ganz anderer Art, als sie es erwartet. Und nun nam er endlich auch ihre Hand, um sie unter dringenden Worten aufzufordern- zum Gang zur Hochzeitsfeier, die er hielt mit einer anderen. Und da er nicht nachließ, sie zu bitten und sie immer wieder seiner freundlichen Gesinnungen gegen sie zu versichern, trocknete sie endlich ihr Gesicht und folgte ihm ins Haus der Braut hinüber. Freilich froh aufzuschauen und sich mit dem Meister zu freuen, bermochte sie nicht. Aber sie dankte ihm doch im Stillen, daß sie bleiben durfte und sagte sich, daß er sie so bald nicht los werden würde, nein, nie, nie, daß sie in der Schmiede, in seinem Hause bleiben wollte, bleiben bis zum lezten Atemzuge, weil sie's nicht anders vermocht hätte, weil sie's mußte: " die Liebe hört nimmer auf".

-

-

Ein parmal hatte sich das Jar seitdem gewendet. In der Schmiede herschte ein trautes Familienleben; die greisen Eltern des Meisters hatten hüben im Masgau bei dem Sohne dauernd Wohnung genommen, und die brave Marei, die nun voll zu­wiegte längst Helenens ersten Buben, der Großmutter höchste Freude, auf dem Arm.

derselbe

Es war wider ein Sontag, diesmal im August,- Tag, an welchem sie vor dem Altar ein Par geworden. Sonnen­und rief in Jakob Barthold schnell den Wunsch wach, diesem Tag festlicher Erinnerung mit seiner jungen Frau durch einen gemein­

|

( Schluß.)

schaftlichen Lustgang noch eine besondere Weihe zu verleihen. Die leztere stimte sogleich herzlich bei, und am Nachmittage wanderten sie, Marei und der Großmutter die Sorge um den Kleinen über­lassend, hinaus.

-

In den sonnigen Gärten dufteten die Magnolien und Oleander, und an den traubenschimmernden Rebhängen, über den grauge­fugten Mauern, nickte der rote Mohn, zwischen dem niederen Gesträuch am Wiesenrand leuchteten blühende Heckenrosen, und dunkle Brombeer und volle, glänzende Hagebutten neigten sich über den Bach, darin die glatten, schnellen Forellen schlüpften und spielten, kein Hauch, fein Lüftchen regte die Tannenzweige und Buchenkronen, und Buchenkronen, die Welt war still und lag wie in seligem Traum. Die beiden gingen denselben Weg bergauf, den der eine von ihnen einst eines blauen Oktobertags, tiefstes Weh im Herzen, einsam gewandelt; es war auch heut so ruhig und wonnesam im Wald, wie damals, nur lag jezt die Luft heißer und schwül darüber, und sie mußten oft stehen bleiben, um tief aufzuatmen und sich den Schweiß von der Stirn zu trocknen. Sie redeten mancherlei zusammen, mancherlei zusammen, vom Jezt, vom Einst. Wie hätte es nicht vor allem die Gedanken des Meisters in vergangene Tage zurückziehen sollen, da er hier über die knorrigen Baumwurzeln, zwischen den ephenüberranften grauen Steinen hinschritt, wie dort wieder die Lichtung sich öffnete und der schmale Pfad auf den umwaldeten Bergvorsprung hinausfürte, wo er damals im hohen, braunen Haidekraut gesessen, ins tiefe Tal hinuntergesehen und in Duft und Sonnenglanz so Wundersames vor sich hinge­träumt?

-

-

Er fürte Helene den schmalen Weg empor; aber die heiteren Sonnenlichter hatten mit einemmale aufgehört, zwischen das grüne Laubwerk hereinzublizen, und als sie aus dem Walde hinaus­traten, sahen sie, daß sich am Himmel graue, gewitterdrohende Wolken zusammengezogen. Und schon klang aus der Ferne dumpfes Rollen und leuchtete es am Horizont in schnellen Zuckungen grellen Lichtscheins auf, die Luft war auch gar zu schwül ge­wesen und das Unwetter jezt allem Vermuten nach in raschem Anzug. Es wärte nicht lange, als schwere Tropfen fielen, die

sich in immer schnellerem Fall vermehrten und verstärkten und sehr bald einen dichten Regen einleiteten. Mit einem kurzen

Blick zur Seite zog Jakob Barthold die junge, schöne Frau noch fester an sich und fürte sie durch das halbzerfallene Tor der alten Trümmerburg, die in ernstem Schweigen hier oben lag, hinein. Ueber den Schutt und das zerbröckelnde Gestein des ersten Hofs eilte er mit ihr in jenen zweiten, weniger wüsten Raum hinüber, wo jezt der strömende Regen in den tiefen Brunnen neben der Linde niederrauschte und laut auf die breiten Simse der Rund­bogenfenster zur Seite aufschlug. Und nun hatte er sie, vor dem Unwetter geborgen, schon in die stille, noch wolerhaltene Kapelle hineingezogen, wo er an jenem leid- und freudvollen Tag vor dem Bildnis des Erlösers in Sehnen und Bangen gekniet und geweint.

-

Und wie nun draußen der Regen plätschert und rauscht, ers

zält er ihr, was an dieser Stätte sein Herz durchbebt und durch­wogt. Sie hebt die dunklen, glutvollen Augen zu ihm empor und hat schon wiederholt die Lippen halb geöffnet, um zu sprechen, aber er läßt es nicht geschehen und redet, ihre Rechte fest umklammert haltend, von lebendiger Erinnerung gedrängt, weiter,

bis er alles gesagt, was sein Herz in dieser Stunde zum Aus­

druck zu bringen verlangt. Endlich hat er geendet, und nun

schlingt sie im zärtlichen Drang ihres Gefüls die Arme um ihn