verdanken mag. Der Darwinismus dagegen ist heute noch im ersten Stadium seines Bestehens, die konservative Richtung hat sich von der Verblüffung noch nicht erholt und man komt gegen ihn angerant mit Schwert, Spieß und Lanze. Indessen wiewol ihn die Schüzen erzürnen und wider ihn kriegen und ihn ver­folgen, so bleibt doch sein Bogen fest."

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Die Angst vor dem Monismus erinnert an jenen Mann, der schwach in den Füßen war und sich daher eine zeitlang der Krücken bediente. Als er nun vollständig geheilt war, wollte er doch nicht one Krücken laufen, weil er sich einbildete, es sei ihm anders nicht möglich, zu gehen. Die Versicherung des Arztes, das Zureden seiner Freunde, alles half nichts, er tat keinen Schritt, bis er von der Grundlosigkeit seiner Meinung überfürt

wurde.

14. Kapitel. Supranaturalismus und Monismus.

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Was wir am Schluß des vorigen Abschnitts behauptet haben, wird vielleicht der Leser einwenden, läßt sich leicht sagen; allein es ist schlechterdings nicht einzusehen, auf welche Weise der Mo­niemus die Lücken. ausfüllen kann, welche die Negation des Su­pranaturalismus im Menschenleben entstehen läßt. So spricht vielleicht der Leser und wir müssen gestehen, mit allgemeinen Phrasen läßt sich hierüber nicht hinweggleiten und so lange nicht greifbar nachgewiesen wird, daß der Monismus Unglücklichen und Bedrängten nicht weniger Mut einflößt, Hoffnung und Trost spendet, als der von ihm verdrängte Dualismus und daß die Moral in seiner Atmosphäre ebensogut gedeiht, wird er immer nur das Bekentnis weniger Auserwälter sein, nicht aber welt­

Kirchenbuße!

Kirchenbuße.

Das Wort ertönt und aufzucken wieder im zornzitternden Hirn alle die eingesargten tausend blutigen Wehgeschichten von dem armen bleichen ,, Bruder" in der engen, kleinen, wahnsinnig- weißen, ewig­gleichen, ewiggeschlossenen Klosterzelle, die nur einen Eingang und keinen Ausgang hat; in der er seine Lebensstunden nach den Regentropfen zält, die an das umgitterte Fenster schlagen, welches er nicht erreichen kann; das ihn die Sonne ahnen läßt, die Sonne, den Himmel und die Erde, die Menschen, die an Sonne, Himmel und Erde sich erfreuen; an der Sonne, die für ihn nun feinen Stral mehr hat; an dem Himmel, der für ihn nur nicht mehr blauen darf, kein Mondglück hat, fein Sternenmärchen mehr erzält; an der Erde, die allen, allen Blumen treibt und ihm nur, ihm allein harte braune rissige Dornen..... Und sie schrillen ans Ohr die lezten Ausschreie der armen gemarterten Nonne, welche pfäffisch wollüftige Grausamkeit lebendig ein­Und heranbraust der ganze Jammerchor der unglück­lichen Mädchen, die vor den Kirchentüren knieen, den Strohkranz auf dem Haupte, weil sie das Verbrechen begingen Opfer eines Ver brechers an ihrem Herzen, ihrem Glauben, ihrer Liebe zu sein.... Und Heinrich, der Büßer von Canossa, wankt heran an der Spize der tausend und tausend durch die Kirche und die Inquisition Gerichteten  ,, Wem grollt nicht greinend das Herzblut?" Wem trampft's nicht grimmig die Faust, heut noch in das Gesindel zu schlagen, das im Namen eines erfundenen Gottes die Leiber brach und den Geist vernichtete, den herlichen menschlichen Geist?

mauert

und Vernichteten.

Kirchenbuße!

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Es knüpft an das Wort sich gewiß der Begriff von Tod und Ver­nichtung; und wer auch nur halbweg für düstere Romantik empfänglich ist, wird in den hohen, hallenden Klostergängen, in dem öden Einerlei des Klosterlebens mit seinen mannigfachen, streng behüteten, nie recht berürten, kleinen und großen Geheimnissen überreichlichen Stoff finden, die trübsten und düsterſten Szenen sich auszumalen; echot doch jeder Schritt auf den falten Steinfliesen einen Ton, wie aus dem Grab ge­und es ist doch nicht gar so schrecklich um die Kirchenbuße. Ich wenigstens weiß eine Geschichte davon zu erzälen, die wenig, blutwenig von Tod und Tortur, dagegen viel, sehr viel heiteres Moment enthält, und dem sie passirt, der hält sich heute noch den Bauch dabei vor Lachen, wenn uns ein Glas Prälatenweins in seinem" Pfarrhause vereint und wir der Geschichte gedenken. Nur schlägt er gleich drauf ein Kreuz, denn Frau Karoline.. Doch, daß ich erzäle.

holt

Julius... war ein zwar tüchtiger aber blutarmer Teufel von Student, der noch ärmer wurde, da wir unsere Humaniora ,, durch­geochſt" und beim Abiturienten- Gramen bestanden hatten oder durch­gefallen waren, denn da flatterte der ganze schöne Kreis auseinander, der uns aneinander und D., seinen Lustigmacher, ausgehalten hatte. Der eine kam dahin, der andre ging dorthin und die gelobte ,, ewige Freundschaft" in Brüche, insoweit zumindest, als darunter die pefuniäre

Unterstützung.

von Seite der günstiger gestellten Schulgenossen ver­

standen war. Kurz entschlossen ging er ins Kloster. Nur suchte er sich das reichste aus. Er hatte faum die Weihen hinter sich, als sich die

erobernd auftreten können. Denn das läßt sich einmal nicht hin­wegdisputiren, daß die Vorstellung, ein gütiger Gott lenke die Geschicke der Menschen und stehe denen, die zu ihm aufblicken und beten, in ihrer Not bei, helfe denen, die auf ihn hoffen und vertrauen, in die Wunden des Herzens Balsam träufelt, das ge­beugte Gemüt aufrichtet und die Hoffnung Blüten treiben läßt, deren Duft und Anblick die Seele erquidt, auch wenn sie keine Früchte zeitigen. Ebensowenig läßt es sich verkennen, daß in dem Glauben, die menschlichen Gesinnungen und Handlungen stehen unter der Kontrole des allwissenden Gottes, der die Tugend mit Wolergehen belohnt, das Lastec mit Leid heimsucht, ein sehr fräftiges etisches Motiv liegt. Freilich darf nicht vergessen werden, daß die Vorstellungen von der Erfarung häufig genug widerlegt werden, weshalb es eine der wichtigsten Aufgaben der Teologie aller Zeiten war, den Widerspruch des Lebens gegen die Lehre hinwegzuraiſonniren, den Glauben gegen die Stürme des Zweifels zu stüzen. Anderseits können wir aus dem Leben und den Werken zalreicher dem Supranaturalismus abgewendeter Persönlichkeiten, die zu den besten aller Zeiten gehören, die Ueberzeugung schöpfen, daß es der Monismus mit dem Supranaturalismus in jeder Beziehung aufnimt.

Im folgenden wollen wir zu zeigen versuchen, daß der Mo­nismus für das, was der Supranaturalismus der Menschheit einst leistete, vollen Ersaz bietet.

Wir beginnen mit der Moral und wollen zunächst das Ge­biet derselben abgrenzen und ihre Grundbegriffe feststellen. ( Fortsezung folgt.)

Notwendigkeit einer Aushilfe für den alternden Pfarrer auf einer der zalreichen von dem Kloster zu vergebenden Pfarreien herausstellte, und er dazu ausersehen wurde.

Pater Julius half also aus: dem Pfarrer im Messelesen, dem Lehrer in der Schule und dienstbereit wie er war, auch dem sechzehn­järigen Karolinchen, der schmucken Lehrerstochter, wo sie gerade Hilfe brauchte, im Garten und im Hauswesen.

Und das ging ziemlich lange Zeit so. Wenigstens an die sechs Morate. Aber dann fam's wie in der Novelle. Er wurde träumerisch, kopfhängerisch, mondscheinschwärmend und er suchte ,, sie" und sie" wurde träumerisch, kopfhängerisch, mondscheinschwärmend und sie wich ,, ihm" aus Under" fand sie" und sprach von Glück

und seliger Zeit und Liebe und sie" entwickelte Grundsäze. Er wurde melancholisch und sie still verschlossen. Und die Welt, soweit sie wenigstens in jener Pfarre lebte und liebte, und trank, und schlief und tratschte, schüttelte den Kopf dazu.

Eines Morgens aber, da kam sie aus dem Schütteln garnicht heraus. Die Sechsuhrmesse las der ,, alte Pfarrer", die Predigt hielt der ,, alte Pfarrer", in der Schule blieb der ,, Katechismus" aus und im Wirtshaus der Meßner. Er rante wie besessen herum und fragte nach dem Pater Julius. Dafür aber kam der Lehrer, der dort ungewohnteste Gast, ins Gasthaus und fragte nach Karolinchen. Sie war wärend der Zeit verschwunden.

Der alte Pfarrer" berichtete ein scandalum ans Kloster: Pater Julius ist mit der Lehrerstochter durchgegangen.

Bater Julius ist mit der Lehrerstochter durchgegangen. So war's.

Und' s blieb dabei.

Es kam ein neuer Aushilfspriester und des Lehrers Hauswesen besorgte seine jüngere Tochter.

Pater Julius und Linchen waren vergessen.

Da lief eines Tages im Kloster ein Brif aus Berlin   ein, in dem Bater Julius meldete, daß er mit seiner erwälten Braut glücklich und wolbehalten in Berlin   angekommen; daß man ihn, der seinen Glauben

ablegen werde, um seine geliebte Karoline heiraten zu können, dort mit offenen Armen aufgenommen; und daß er jezt um gefällige Zu­sendung seiner Zeugnisse bitte, die er notwer.big brauche, um eine Stelle erlangen zu können.

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Großes Köpfe Zusammenstecken im Kloster und Schweigen. Und das Schweigen bedeutete Elend für das junge Pärchen, das sich zu rosig die protestantische Welt gemalt, denn so schlecht man in Berlin   zu leben gewont, man lebt dort doch auch nicht von der Luft, und alles andere fostet Geld, welches das Liebespärchen nicht hatte.

Es überlegte just, ob es nicht desser wäre, daß Julius ins Kloster zurückkehrte und Linchen zu den Kartoffeltöpfen des Vaters, troz Kirchen­buße und Schande, als ein sehr wolgenärter, sehr glatt rasirter und sehr wolwollend dareinblickender Herr in einem der ersten berliner Hotels abstieg und am nächsten Morgen die fünf Treppen zu Julius färglicher Dachkammer emporfeuchte.

Julius war allein. Und er verkehrte sehr lange mit dem sehr wol­genärten, sehr glatt rasirten, sehr wolwollend dareinblickenden Herrn, bevor dieser noch wolwollender dareinblickend endlich den jungen Mann verließ.